Literarische Schülerdebatte in Mediasch

Lektürewettbewerb zur Förderung der Diskussionsfähigkeit

Mara Bardac (Bildmitte), Schülerin des Brukenthalgymnasiums Hermannstadt, an Daria Negu, Schülerin des Joseph-Haltrich-Gymnasiums Schäßburg: „Bedeuten Drohnen integralen Schutz oder Entmenschlichung?“ Preisträger Paul Sofonea aus Fogarasch übt sich aufmerksam im Zuhören. Foto: der Verfasser

Paul Sofonea, Schüler der 10. Klasse am Doamna-Stanca-Gymnasium Fogarasch/Făgăraș, ging als sprachbegabter Sieger aus dem Siebenbürgen-Entscheid des Wettbewerbs für Jugendliche „Lesefüchse International“ hervor, der Samstagvormittag, am 30. März, im Schullerhaus Mediasch ausgetragen wurde. Unauffällig setzte er sich gegen seine Debatten-Mitstreiterinnen und -Mitstreiter Elena Frățilă, Mara Bardac (beide Hermannstadt/Sibiu), Irina Obeadă, Davide-Roberto Casolino (beide Kronstadt/Brașov), Anna Panitz (Bistritz/Bistrița), Nathalie Zalanyi (Klausenburg/Cluj-Napoca) und Daria Neagu (Schäßburg/Sighișoara) durch. Birgit van der Leeden, in Hermannstadt lebende Fachberaterin für Deutsch als Fremdsprache im Auftrag der Zentralstelle für Auslandsschulwesen (ZfA) des Bundesverwaltungsamtes in Deutschland, lenkte die Veranstaltung in Bahnen, die sowohl den Laien im Publikum als auch den fachlich beschlagenen Jurymitgliedern, Moderatoren und Teilnehmern des Wettbewerbs interessante Gedankengänge mit auf den Heimweg gaben.

Constanze Thielen, Kulturmanagerin des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) in Fogarasch, Hedwig Connert, Philologin und Französischlehrerin mit dreißigjähriger Erfahrung an der Rudolf-Steiner-Schule Düsseldorf, Mathias Steiner, im Kindesalter als 11-Jähriger nach Deutschland umgesiedelt und derzeit Deutschlehrer am Stefan-Ludwig-Roth-Gymnasium Mediasch, und Hans Erich Tischler, Konsul der Bundesrepublik Deutschland in Hermannstadt, nahmen am Tisch der Juroren gegenüber des Teilnehmerhalbkreises Platz. Den zu erörternden Stoff der literarischen Debatte bildeten die Jugendromane „Der Drohnenpilot“ von Thorsten Nesch (Mixtvision Verlag, 2015), „Vierzehn“ von Tamara Bach (Carlsen Verlag Hamburg, 2016), „In einem fremden Wald“ von Doris Dörrie (Deutscher Taschenbuchverlag, 2017) und „Cache“ von Marlene Röder (Fischer Verlag, 2016).

Karola Rühmer, Lehrerin für evangelischen Religionsunterricht am Liviu-Rebreanu-Gymnasium Bistritz, Martin Stadler, Lehrer am Pädagogischen Andrei-Șaguna-Gymnasium Hermannstadt, Carol Szabolcs, Lehrer am Johannes-Honterus-Gymnasium Kronstadt, und Birgit van der Leeden moderierten die Teilnehmerdebatten zu Inhalt und Weltanschauung je eines der vier Bücher. Marlene Röders „Cache“ handelt von der unglücklichen Liebesgeschichte und dem unangekündigten Selbstmord der Hauptperson Max, Tamara Bachs „Vierzehn“ von der Gefühlswelt einer in den Sommerferien erkrankten Teenagerin. Kontrovers diskutiert wurde der Roman „In einem fremden Wald“ von Doris Dörrie, den die Jugendlichen teils der Schublade Fantasy-Literatur zuordneten, ihn aber auch als Spiegelbild der geopolitisch höchst aktuellen Migrationsfrage deuteten.

Das erste Zeitviertel der Debatten-Reihe war für die Diskussion rund um Thorsten Neschs „Drohnenpilot“ reserviert worden. Eifrig suchten die acht Schülerinnen und Schüler nach schlüssigen Interpretationen einer gesunden Schnittmenge zwischen Autorität, Staat, Demonstrationen und Polizeibehörde. Wie verläuft die Schuld-Trennlinie zwischen passiven Manipulationsopfern und aktiven Komplizen der Autorität? Ist menschliches Alter als ein sicherer Indikator sozialer Reife anzusehen? Auch wurde die einführende Frage von Moderator Martin Stadler, ob das Buchende ein positives oder negatives Finale aufstellt, von den Jugendlichen dergestalt beantwortet, dass Leser der zweijährigen Geschichte des jungen Arbeitnehmers Darius in dem Jugendroman eher ein offenes Ziel erkennen sollten, das zum lebenslangen Feilen an der eigenen Zivilhaltung anregen will. Davide-Roberto Casolino, Schüler des Ioan-Meșotă-Gymnasiums Kronstadt, stellte eine wagemutige These auf: „Es ist übertrieben, im Falle von Kindern und jugendlichen Minderjährigen über ethisch-moralische Grundfragen sprechen zu wollen!“. Paul Sofonea widersprach ihm augenblicklich und sagte, „dass wir heute und hier doch genau deswegen zu acht am Tisch sitzen, um über diese Fragen zu sprechen.“

Der erste Preis des Siebenbürgen-Entscheids hat dem Wettbewerbsteilnehmer aus Fogarasch die Einladung zu den zwei Etappen der internationalen Finalrunde des „Lesefüchse“-Wettbewerbs eingebracht, die im September des Jahres in Berlin abgehalten wird. Den einwöchigen Aufenthalt in der bundesdeutschen Hauptstadt hat Paul Sofonea sich redlich verdient: zwar sprach er in Mediasch vergleichsweise weniger als einige seine Mitredner, schöpfte aber aus dem größten aller Wortschätze, überzeugte mit sauberem Satzbau, akzentfreier Aussprache und leistete sich äußerst wenige bis gar keine Artikelfehler. Anna Panitz war auf derselben sprachlichen Ebene unterwegs, wurde jedoch aufgrund ihrer deutschen Muttersprachlichkeit und zugleich bundesdeutschen Staatszugehörigkeit ordnungsgemäß für außer Konkurrenz befunden.

Der zweite Preis in Gestalt eines internationalen Preisträgerstipendiums ging an Nathalie Zalanyi aus Klausenburg. Den unlängst in Großwardein/Oradea abgehaltenen Westrumänien-Entscheid des „Lesefüchse“-Lektürewettbewerbs hatte Iulia Sucutărdean (Temeswar) gewonnen. Leider können, wie Birgit van der Leeden feststellte, die Diplomträger des dritten und vierten Preises, der geteilt und viermal vergeben wurde, nicht mit Gutscheinen oder weiteren materiellen Gegenständen belohnt werden. Doch hat Europa am letzten Sonntag des Monats März 2019 in Mediasch nicht nur zwei literarische Preisträger, sondern die Namen acht aktiver Bürger hinzugewonnen, deren tiefschürfendes Denkvermögen in Rumänien derzeit wichtiger denn je ist: „Lesen bildet. Lesen soll demokratische Kritikfähigkeit fördern, die im rumänischen Bildungswesen viel zu wenig gefördert wird“, wie es Jurymitglied und Konsul Hans Erich Tischler auf den Punkt brachte.