Literarischer Brückenschlag zwischen Ost und West

Lesungen und Gespräche mit internationalen Autoren auf dem „Bücherfest” in Berlin

Maria Czaputowicz und Emilia Jankiewicz (von links) stellten auf dem internationalen „Bücherfest“ ihre Forschungsergebnisse zum Geschichtsbewusstsein der Berliner vor.

Kultur, Geschichte und aktuelle Informationen – das diesjährige Berliner „Bücherfest“ bot Autoren die Gelegenheit, sich über ihre Publikationen auszutauschen und ihre Werke einem interessierten Publikum vorzustellen. Zum zweiten Mal schuf der Berliner Anthea-Verlag gemeinsam mit dem Osteuropazentrum Berlin ein lebendiges Diskussions- und Präsentationsforum und richtete dabei den Blick insbesondere auf Ost- und Südosteuropa. Bereits seit 1998 widmet sich das Osteuropazentrum als eingetragener Verein der Aufarbeitung und dem Umgang mit dem kommunistischen Erbe – nicht umsonst befinden sich seine Arbeits- und Forschungsräumlichkeiten in der ehemaligen Zentrale der DDR-Staatssicherheit.

„Wir wollen den Blick mit unserer Forschung jedoch auch in die Zukunft richten“, erläutert Detlef Stein, Vorsitzender des Osteuropazentrums. So erhalten junge Wissenschaftler durch einen vereinseigenen Verlag die Möglichkeit, die Ergebnisse ihrer Arbeit einem breiten Publikum vorzustellen. „Wir kennen die Probleme junger Forscher, die ihre Forschungsresultate außerhalb der Universitäten veröffentlichen. Hierfür bieten wir ihnen unsere Hilfe an“, erläutert Stein.

Seit drei Jahren ergänzt der Anthea-Verlag die Arbeit des Berliner Osteuropazentrums. Dabei stehen neben der aktuellen Forschung insbesondere Belletristik sowie deutschsprachige Ausgaben osteuropäischer Werke verschiedener Epochen im Mittelpunkt. Neuestes Projekt: ein deutsch-rumänischer Lyrikband, dessen Veröffentlichung für 2016 geplant ist.

Diese Ziele der Organisatoren prägten ihr am 16. Mai organisiertes Bücherfest: Autoren aus Ost- und Südosteuropa hatten die Gelegenheit, sich und ihre Werke zu präsentieren. Insbesondere die Vergangenheit und Gegenwart deutschsprachiger Bevölkerungsgruppen sowie die verschiedenen Formen von Erinnerung und Geschichtsaufarbeitung standen im Mittelpunkt. Zwei junge Autorinnen aus Warschau boten hierfür einen interessanten Ansatz. In ihrem auf Deutsch und Polnisch erschienenen Band „Berlin – Stadt der Erinnerung“ umreißen sie die Forschungsergebnisse junger polnischer Geschichtsstudenten.

Zwar seien in Ost- und Westdeutschland noch unterschiedliche Geschichtskonzepte anzutreffen, doch: „Deutschland gilt in Polen als Vorbild für die Aufarbeitung historischen Unrechts“, so Maria Czaputowicz und Emilia Jankiewicz, die stellvertretend für alle Beteiligten den Band präsentierten. Zwar gebe es wie überall auch in Deutschland die Tendenz zu einer „Disneylandisierung“ der Geschichte, aber generell stellen die Autoren den Berlinern ein gutes Zeugnis in puncto Geschichtsbewusstsein aus: Die Stadt verfüge über zahlreiche, mehr oder weniger bekannte Erinnerungsorte für die Opfer des Totalitarismus. Dies reiche von allseits sichtbaren Mahnmalen bis hin zu kleinen Denkanstößen wie den „Stolpersteinen“ – diese im Bürgersteig eingelassenen Messingblöcke machen vor vielen Berliner Hauseingängen auf die deportierten jüdischen Hausbewohner aufmerksam. Die Autorinnen: „Geschichte ist in Berlin präsent, man spricht zum Glück darüber.“ Für die Zukunft seien Untersuchungen zur Geschichtswahrnehmung in Budapest und Bukarest geplant.

Zeitzeugen waren indessen bemüht, das Gedenken an die Vertreibung deutschsprachiger Bevölkerungsgruppen und den späteren offiziellen Umgang hiermit wachzuhalten. Stellvertretend hierfür präsentierte Helga Scharp ihre Erinnerungen an das Schicksal der Vertriebenen in ihrem Werk „Der Freiheit beraubt – eine deutsche Familie in der Sowjetunion“ und tauschte sich im Anschluss daran mit Interessierten auch über ihr persönliches Schicksal aus.

Ganz der Gegenwart widmete sich unterdessen die „Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien“ (ADZ): Während der gesamten Veranstaltung und am Ausstellungsstand wurde in persönlichen Gesprächen über die Arbeit der Redaktion informiert und es erfolgte ein lebendiger Austausch über die inhaltlichen Schwerpunkte der Zeitung. Besonderes Interesse bestand darüber hinaus an der aktuellen Lage der deutschsprachigen Minderheit sowie der gegenwärtigen Mediensituation in Rumänien.

Die nächsten Schritte stehen für die Veranstalter bereits fest: Im Mai 2016 sollen 70 Verlage aus sieben Ländern ihre Veröffentlichungen präsentieren. „Auch Verlage aus Rumänien, die in deutscher oder englischer Sprache publizieren, sind natürlich willkommen“, unterstreicht Organisator Stein. „Und auch die ADZ soll in Berlin natürlich noch bekannter werden.“