Menschen, Forste oder Gold?

Das sind die Alternativen in Certej, wo Deva Gold ein Umweltdesaster einleitet

Verglichen mit Roșia Montană, wo letztendlich durch den Eingriff der Umweltschutzorganisationen und der Öffentlichkeit das Köpfen eines Berges (vorläufig) gestoppt und das Entstehen von Rückhaltebecken für Giftschlämme, aus denen Gold und Silber entzogen wurden, zunächst verhindert werden konnte, ist eine andere goldgierige Gesellschaft, Deva Gold, in Certej vorsichtiger (und quasi an der Öffentlichkeit vorbei) inzwischen mit den Vorbereitungen für die Goldgewinnung im alten Bergbauort Certej viel weiter. Und hat, wenn die Öffentlichkeit und die Umweltschutzorganisationen nicht entschlossen eingreifen, beste Chancen, dort in aller Legalität eine Umweltkatastrophe zu entfesseln, faktisch und potenziell.

Auch Deva Gold ist eine Filiale, wie RMGC, und zwar von Eldorado Gold, einem der weltgrößten Goldgewinnungsunternehmen. Deva Gold hat bereits die Fühler nach mindestens anderen drei Goldvorkommen ausgestreckt, wenn das Experiment Certej im Westgebirge gelingen sollte: Băița/Crăciunești, Rovina und Brad heißen die nächsten drei Ziele, alle ebenfalls im Siebenbürgischen Erzgebirge gelegen. Wie in allen ehemaligen Bergbaugebieten ist auch in Certej selber die öffentliche Meinung nicht bedingungslos gegen eine Wiederaufnahme des Bergbaus, diesmal für Gold (früher Buntmetalle). Es mangelt in dem Gebiet an Arbeitsplätzen, die Abwanderung der Jugend ist zum akuten Problem geworden. Auch aus diesem Grund – es ist aber nicht der einzige – steht das Rathaus Certej ziemlich entschlossen hinter Deva Gold. Das Unternehmen hat ein Jahresbudget (2018) von 20 Millionen Dollar und davon bleibt natürlich einiges auch lokal in der Administration hängen. Dass bei einer Aufnahme des Bergbaus in Certej jährlich 1635 Tonnen Zyanide zum Einsatz kommen, um das Gold auszusondern, und dass diese Zyanide mit dem Taubgestein in die Auffangbecken kommen, die zu Ungunsten des Forstes gebaut werden sollen, das scheint das Rathaus weniger zu kümmern...

Deva Gold hat sich in aller Stille bereits 2012 die Papiere bezüglich Umweltverträglichkeit des Vorhabens ausstellen lassen und diese sogar 2013 auf dieselbe Weise revidieren und aktualisieren lassen. Die Skandale rund ums Vorgehen hielten sich in Grenzen (auch die ADZ berichtete nur nebenbei, ob des medialen Schutzwalls, den der Antragsteller, aber auch die genehmigungsberechtigten Behörden rund um das Vorgehen errichtet hatten). Die Proteste wegen Roșia Montană übertönten damals alles und schienen das Wichtigste zu sein. So konnte Deva Gold, quasi im Hintergrundrauschen des Medienrummels um Roșia Montană, ungehindert vorgehen.

Erst jetzt, seit sich der Rummel um die römischen Goldgruben im Siebenbürgischen Erzgebirge und die geplanten Giftstaue von Roșia Montană etwas gelegt hat, rücken Deva Gold und seine geplanten zwei Giftstaue in Certej ins Rampenlicht von (unabhängigen) Medien und der zivilen Öffentlichkeit. 56 Hektar Laubwald, eine Fläche, die 113 Fußballfeldern entspricht, sollen gerodet werden, um zwei Rückhaltebecken für den Giftschlamm zu schaffen, der bei der Goldgewinnung mittels Zyaniden zurückbleibt. Und die Kahlschläge auf den 56 Hektar wertvollen Laubwalds (wegen einiger besonderer Lindenarten, die hier als Mischwald mit Ahorn wachsen, und der Vogelwelt, die sich dort aufhält – alles im Rahmen eines Natura 2000-Schutzareals der EU) sind nicht alles, was umweltmäßig vernichtet wird mit dem Augenzudrücken und blinden Abstempeln der Papiere durch die Bukarester Behörden. Insgesamt sollen für den Bau der Goldgewinnungsanlagen 165 Hektar Wald verschwinden.

Zugegeben: Deva Gold hat öffentlich versprochen, eine dreimal so große Fläche wieder aufzuforsten, wenn der Firma das Vorhaben in Certej genehmigt wird. Aber die Aufforstungen sollen an einem ganz anderen Ort geschehen und – es handelt sich bloß um ein Versprechen. Solcherlei Versprechen sind an sich schon problematisch, erinnert man sich an die Art und Weise, wie Deva Gold erstmals ins Rampenlicht der Öffentlichkeit geriet: 2014 hatte die Firma begonnen, ohne jede Baugenehmigung, wiedermal in aller Stille, am Standort des künftigen Goldaufbereitungswerks eine Baustelle zu organisieren. Und sie wurstelte, trotz aufflammender Proteste der Umweltschützer, gut sechs Monate dort weiter, bis eine Petition ans Präsidialamt positive Wirkung zeigte und die Bauvorbereitungen mangels Baugenehmigung gestoppt wurden. Lokal oder regional und auch seitens der zuständigen Ministerien war überhaupt nicht aufgemuckst worden gegen die Illegalität des Vorgehens.

Die Wälder um Certej sind nicht nur als EU-Schutzareal des Natura 2000-Netzwerks interessant, sie haben auch eine interessante und für Rumänien symptomatische Geschichte. Gegenwärtig sind sie im Splitterbesitz, wobei, wie überall, Romsilva sehr viel davon verwaltet. Das Rathaus Certeju de Sus besitzt die meisten der Forste, aber auch einige Ortsbewohner sind Eigentümer. Bevor die Kommunisten allen Privatbesitz auflösten und im Staatsbesitz gleichwalzten, befand sich der gesamte Forst von Certej im Besitz einer landwirtschaftlichen Besitzergemeinschaft, „M²cri{ul“. Als Folge der chaotisch verabschiedeten Rückerstattungsgesetze der 1990er Jahre erlangte die lokale Rückgabekommission eine Macht, die sie – so die Aussagen mancher Ortsansässiger – willkürlich nutzte, indem sie die ehemaligen Forste des Gemeinschaftsbesitzes so aufteilte, dass manche ohne Waldbesitz blieben, die Gemeinde aber sich den größten Forstbesitz aneignete. Das wird als Willkürakt eingestuft. Zumal – und daraus ist die langfristige Planung von Deva Gold besonders gut ersichtlich – die Gemeinde ihren Forstanteil sofort für 20 Jahre an Deva Gold verpachtete. Dass der Forst von Certej bald Teil eines Natura 2000 -Areals wurde, der vom Rathaus an Deva Gold verpachtet wurde, ist Gegenstand einer Ermittlungsakte (die sich hinschleppt). Während die leer ausgegangenen Nachkommen der ehemaligen Forstbesitzer von „Măcrișul“ seit Jahren um die Rückerstattung des ihnen zustehenden Eigentums prozessieren. Auch diese Prozesse und wohl auch die Ermittlungen der Staatsanwälte bezüglich Rechtmäßigkeit der Verpachtung dürften als Grund für die Eile mitspielen, mit der auf dem gepachteten Forst Kahlschlag betrieben werden soll. Wozu allerdings das Plazet des Ministeriums für Gewässer und Forste nötig ist – das, so meinen die Umweltschutzorganisationen aufgrund langjähriger Erfahrungen mit den zentralen rumänischen Behörden, ohne besondere Schwierigkeiten zu erlangen ist, wenn die Öffentlichkeit und die Zivilgesellschaft stillhalten.

Die zivilgesellschaftliche Beobachterseite Declic und Mining Watch Romania, die auf Bergbautätigkeiten spezialisierte Umweltschutzorganisation, malen ein desolates Bild, das entstünde, wenn Deva Gold seine Kahlschlagabsichten durchsetzt: „So weit das Auge reicht, kein einziger Baum mehr, nur Leere und Stauseen mit giftigem Schlamm. Solche Kahlschläge sind der Anfang vom Ende des Siebenbürgischen Erzgebirges, wie wir es heute noch kennen. Deshalb ist keine Minute zu verlieren. Die Kahlschläge für Gold müssen verhindert werden.“

Die Methoden, die Deva Gold in Certej benutzt, sind identisch jenen der Kanadier von RMGC (mit rumänischen Wurzeln), die in Roșia Montană genutzt wurden: Beamte und Institutionen des rumänischen Staates, auch auf illegalen Wegen, für das Projekt zu gewinnen, um eigene umweltvernichtende Absichten durchzusetzen. Aber Menschen und Forste sind letztendlich wichtiger als Gold.