„Menschliche Werte sind viel wichtiger als das Geschäft“

Gespräch mit dem Immobilieninvestor Simon Maurer

Simon Maurer (45) setzt auf Korrektheit und Professionalismus.

Blick auf den neuen Kronstdädter Stadtteil „Avantgarden3“.
Fotos: Maurer Imobiliare

Bei „Avantgarden 3” werden zurzeit eintausend verkaufte Wohnungen gefeiert – eine Zahl, die ursprünglich von nur sehr wenigen für realistisch gehalten wurde. Es geht dabei um das drei Jahre junge Wohnungsbauprojekt im nördlichen Teil von Kronstadt/Braşov-Bartholomae, das nach dem einfachen Modell funktioniert: zuerst wird verkauft, dann gebaut. Quer durch die Wirtschaftskrise ist es der Firma Maurer Imobiliare SRL, dem Entwickler von „Avantgarden 3“, gelungen, die Verkaufsrate von 25 Wohnungen pro Monat konstant zu halten. Gewiss hat die vorherige Erfahrung zum Erfolg beigetragen: „Avantgarden” startete 2005 mit „Avantgarden 1”, auf einer Fläche von 40.000 qm und mit insgesamt 365 Wohnungen. Es war ein Gemeinschaftsprojekt von Simon Maurer und seiner damaligen Geschäftspartnerin, Daniela Kasper – anschließend übernahmen sie jeweils ein Projekt. Daniela Kasper verwaltet „Avantgarden 2” (30.000 qm, ca. 300 Wohnungen), Simon Maurer baut „Avantgarden 3” auf (95.000 qm, 1000 Wohnungen verkauft, noch 800 vorgesehen).

Simon Maurer ist Siebenbürger Sachse und stammt aus Neudorf/Nou Săsesc bei Schäßburg/Sighişoara. Als Sechzehnjähriger wanderte er mit der Familie nach Deutschland aus, vor sechs Jahren kam er zurück nach Siebenbürgen, um in der Baubranche zu investieren. Mit Simon Maurer sprach ADZ-Redakteurin Christine  Chiriac.

Wie kam es zu einer so gewagten Immobilieninvestition in Kronstadt?

Mein „Debüt” habe ich in Klausenburg mit einem kleinen Projekt von 29 Wohnungen gegeben. Kronstadt kannte ich schon früher ziemlich gut, ich hatte hier Bekannte und kam gelegentlich zu Besuch oder in den Urlaub. Irgendwann habe ich mich erkundigt, wie es mit Kronstadt als Wirtschaftsstandort ausschaut, und habe sehr überrascht festgestellt, dass es keinen Bauträger für Eigentumswohnungen gab – eine Marktlücke, die für uns eine gute Gelegenheit war. So ging es mit „Avantgarden 1“ los. Auf „Avantgarden 2“ habe  ich verzichtet, indem ich mich von meiner Geschäftspartnerin getrennt habe. Dafür habe ich dann „Avantgarden 3“ alleine aufgebaut. Wir verkaufen die Wohnungen als Projekt und bauen sie nachträglich, was ich für die gesündeste und sicherste Form von Geschäft halte.

Wie hat das Geschäft ausgerechnet während der Krise funktioniert, wo Menschen generell weniger Kaufkraft und Geld haben?

Selbstverständlich würde sich niemand eine Krise wünschen, aber uns ist es gelungen, sie mit einer guten Idee in eine Chance zu verwandeln. Ich muss dazu sagen, dass ich sehr gläubig bin und dass alles, was ich mache, auf meinem Glauben basiert. Ich bete nur um Weisheit, denn Weisheit beinhaltet praktisch alles andere und lässt nichts schief gehen.
Wir haben keinen Luxus angeboten, sondern mittelgroße, „gewöhnliche” Flächen zu sehr günstigen Preisen. Viele Projekte um uns herum gingen Bankrott, auch unseres stieß ursprünglich auf Misstrauen. Ich hatte sogar Kunden, die nicht kaufen wollten, weil ihnen der niedrige Preis verdächtig schien.

Die Vorgeschichte war folgende: Ich schuldete der Bank etwa zwei Millionen Euro für den Kauf dieses Grundstücks, auf dem später „Avantgarden 3“ entstehen sollte. Ich wollte es verkaufen, um die Schulden zu begleichen, aber es gab keinen Käufer. Aus dieser Not, und lange vor Ausbruch der Krise, entstand die Idee, ein Projekt mit günstigen Wohnungen auf den Markt zu bringen. Ich dokumentiere mich täglich, was wirtschaftlich und finanziell in der Welt passiert, und ahnte schon, dass die Krise kommen würde. Also habe ich die Grundrisse ein wenig kleiner gemacht als üblich, etwa 40 qm für Einzimmerwohnungen, 50 qm für Zweizimmer-, 72-75 qm für Dreizimmerwohnungen. Ich hatte damals einen Herstellungspreis von 800 Euro/qm und habe auch den Verkaufspreis auf 800 Euro festgelegt. Alle haben mich für verrückt gehalten! Es stellte sich aber schnell heraus, dass die Preise für Baumaterialien in den Keller gehen. Dazu ein paar Beispiele: Früher hatte ich pro Kilo Baueisen vier Lei bezahlt, jetzt waren es 1,65 Lei; früher kostete die Arbeitsleistung für einen Quadratmeter im Rohbau noch 42 Euro, jetzt plötzlich nur noch 19 Euro. Für mich erwies sich diese Idee als der größte Segen schlechthin.

Bei der Bank bat ich um noch ein Jahr Zeit für die Rückzahlung meiner Schulden. Die Bank glaubte gar nicht an mein Projekt, aber zu dem Zeitpunkt hatte sie auch überhaupt kein Interesse, ein leerstehendes Grundstück ohne Käufer zu übernehmen. Welch eine Überraschung, als ich im ersten Monat 78 Wohnungen verkaufte! Das waren etwa 3,1 Millionen Euro. Bald beglich ich meine Schulden und versprach mir, fortan nur noch die Festgeldabteilung in den Banken zu nutzen und nie wieder Kredite zu nehmen. „Avantgarden 3“ wird ohne jegliche Fremdfinanzierung gebaut.

Wie gestalten Sie Ihre Preispolitik?

Die Basisfinanzierung ist sehr flexibel: Der Kunde zahlt 30 Prozent vor Baustart, 30 Prozent bei der Fertigstellung des Rohbaus und die restlichen 40 Prozent bei der Schlüsselübergabe. Wenn jemand die gesamte Wohnung im Voraus bezahlen kann, erhält er einen Preisnachlass. Wenn wiederum jemand erst bei der Schlüsselübergabe 70 Prozent bezahlen möchte, kostet  die Wohnung etwas mehr. Die Sensation ist, dass sich die Verkäufe so eingestellt haben, dass wir genau auf den Durchschnittspreis von 800 Euro/qm gekommen sind, von dem wir ausgegangen waren. Zudem sind wir durch die bisherigen Umsätze nun auch in der Lage, an unsere Kunden Kredite zu vergeben: Wir können die Wohnungen aus unserem eigenen Geld bauen – quasi „vorfinanzieren“ –  und bekommen danach vom Kunden Ratenzahlungen.

Besteht das Risiko, dass die Baupreise jetzt wieder in die Höhe gehen?

Selbstverständlich. Aber uns berührt das nicht, weil wir die Baumaterialien in der Regel schon gekauft und gelagert haben, um unsere Preise zu sichern. Wir können locker eine Preiserhöhung vertragen.

Inwiefern wird sich der Flughafen, der unweit entstehen soll, auf die Entwicklung und die Lebensqualität in „Avantgarden 3“ auswirken ?

Der Flughafen wird internationale Kundschaft nach Kronstadt bringen,  Übernachtungs- und Wohnmöglichkeiten werden in dieser Gegend noch gefragter sein. Er ist zwar nicht weit von uns entfernt, doch die Flugbahn geht an uns vorbei und stört uns nicht. Es ist eher ein Vorteil, dass der Flughafen von „Avantgarden“ aus sehr leicht erreichbar sein wird.

Haben Sie ein Erfolgsrezept?

Wir legen extrem großen Wert auf Qualität und Transparenz: Man soll wissen, dass man keinen schönen Apfel kauft, der innen verfault ist, sondern einen, der so ist, wie er ausschaut. Noch wichtiger ist die Tatsache, dass wir den Kunden mit einbeziehen, ihn respektieren und beachten. Wir haben zum Beispiel eine Beratungsstelle eingerichtet, und zwar für Kunden, die ihre Wohnungen schon bezahlt und bezogen haben. Damit wollen wir belegen, dass der Kunde für uns wichtig ist, auch nachdem wir sein Geld schon längst bekommen haben. Wir versuchen, auftretende Probleme kostenlos zu klären. Um die technischen Probleme kümmern wir uns auch nach Ablauf der Garantie. Wir legen viel Wert auf Zahlungsmoral, auf die pünktliche Überweisung der Gehälter, auf das Begleichen der Rechnungen in höchstens 48 Stunden. Dadurch haben wir einen großen Vorteil bei der Preisverhandlung, eine langjährige Geschäftsbeziehung zu den Lieferanten, sehr wenig Personalfluktuation. Die Menschen wissen, dass sie sich auf uns verlassen können.

Ich glaube fest daran, dass Korrektheit und Professionalismus Vertrauen schaffen und dass Kundenzufriedenheit die beste Werbung ist. Die meisten Kunden sind regelrecht überrascht, wenn sie von der Firma zu ihrem Geburtstag angerufen werden, oder wenn wir sie um Verbesserungsvorschläge bitten. Dieses System ist hier neu. Das Ergebnis ist ein Wohnviertel, das man mit den traurigen alten Plattenbauten in anderen Stadtteilen gar nicht vergleichen kann, weil es eine sehr positive Ausstrahlung hat. All das kommt zustande, weil die menschlichen Werte für uns viel wichtiger sind als das Geschäft. Die  Kundeneindrücke nach der Wohnungsübergabe stehen gesammelt auch auf unserer Webseite und sind für unsere Firma das größte Kompliment. Bei eintausend verkauften Wohnungen haben wir keinen einzigen Prozess führen müssen.
Mir persönlich gibt der Glaube extrem viel Halt im Leben, und ich bin davon überzeugt, dass sich sogar in den schwierigsten Situationen alles ins Positive ändern kann. „Avantgarden 3“ ist nur ein Beispiel dafür.

Es gab aber in den drei Jahren bestimmt auch Schwierigkeiten...

Mit „Avantgarden 3“ gab es so gut wie keine. Als wir mit „Avantgarden 1“ begannen, war es ganz anders: Die Erfahrung auf dem Markt fehlte uns, wir ließen uns schlecht beraten und so weiter. Bei „Avantgarden 3“ hatten wir eine einzige misslungene Initiative: Wir hatten uns vorgenommen, für unsere Kunden auch Jobs im Ausland zu vermitteln, damit sie ihre Wohnung in drei bis vier Jahren bezahlen können, was bei einem rumänischen Durchschnittseinkommen unmöglich ist. Es wäre eine Premiere in Rumänien gewesen, doch leider war die Firma, mit der wir zusammenarbeiten wollten, sehr unzuverlässig und das Projekt konnte nicht durchgeführt werden.

Wie sehen die Pläne Ihrer Firma aus?

Wir haben bereits in die Erweiterung unseres Projekts investiert und ein Grundstück von 50.000 qm erworben, wo etwa eintausend Wohnungen Platz haben. Der Plan ist also „Avantgarden 4“, ein Zeichen von Kontinuität und Nachhaltigkeit. Langfristig möchten wir ein Sport- und Gesundheitszentrum in „Avantgarden 3“ aufbauen, was die Lebensqualität im Wohnviertel weiter verbessern würde.

Was würden Sie generell in Rumänien ändern?

Die Mentalität. Das Land ist sehr schön, die Mentalität ist aber leider so, dass nicht immer der Fleiß an erster Stelle steht. Meiner Meinung nach müssen wir als Vorbild voran gehen und versuchen, die Welt um uns herum ein wenig zu verändern. Ich selbst bin ein sehr positiver Mensch und versuche täglich, meinen Mitarbeitern Werte wie Respekt oder Fleiß vorzuleben. Es sind Werte, die Segen mit sich bringen. Aber alt eingesessene negative Einstellungen lassen sich erfahrungsgemäß erst nach Generationen ändern.

Engagieren Sie sich im sozialen Bereich?

Es ist mir sehr wichtig, Menschen zu unterstützen, die diese Hilfe am nötigsten haben. Wir führen zum Beispiel ein Sozialprojekt für benachteiligte Familien durch, die von uns mit all dem beliefert werden, was sie für den täglichen Unterhalt brauchen, inklusive Verpflegung. Zurzeit unterstützen wir auf diese Art zehn Familien. Zudem finanzieren wir für bedürftige Menschen ärztliche Behandlungen und Medikamente. Wenn man dann das Glück und die Dankbarkeit dieser Menschen sieht, ist diese Genugtuung viel wichtiger als der geschäftliche Erfolg.  

Wohnen Sie in Kronstadt?

Ja, natürlich, hier in „Avantgarden 3“. Es ist der beste Vertrauensbeweis und ein Zeichen von Transparenz. In Neudorf habe ich ein Ferienhaus, aber die Kunden von „Avantgarden 3“ können mich jeden Tag hier sehen.