Milde Justiz für die Banater Zöllner

Akte Morawitza I: Nur acht von 66 Angeklagten hinter Gittern

Es kam nun doch so, wie es viele vorausgesagt haben: Die von der rumänischen Regierung und der Nationalen Antikorruptionsbehörde DNA in den Landeskreisen Temesch und Karasch-Severin an der rumänisch-serbischen Staatsgrenze am 8. Februar 2011 durchgeführte Großaktion gegen die Zoll-Mafia hat letztlich, nach der hierzulande üblichen Justiz-Odyssee, ein eher kläglich zu nennendes Ende gefunden. Der Oberste Gerichtshof Bukarest ließ durch ein kürzliches Endurteil in der Akte Morawitza I gegen einen Großteil der 66 Angeklagten eine überraschende Milde walten:  Das Gericht nahm die von den Angeklagten und dem Regionalen Finanzamt eingereichten Einsprüche gegen den Entscheid des Temeswarer Schiedsgerichts vom 31. Januar 2014 an. Von den insgesamt 160 Jahren Gefängnisstrafen blieben letztlich nur 20 Jahre Haft, die restlichen 140 Jahre wurden zur Bewährung ausgesprochen. Lediglich acht Angeklagte müssen hinter Gitter. Mit leichten Bewährungsstrafen unter drei Jahren kamen u. a. auch einige der Drahtzieher der Korruption am Banater Grenzübergang Morawitza – Milan Gubic, ehemaliger Leiter des Grenzübergangs, Lucian Cotora, ehemaliger Lokalrat der Gemeinde Morawitza, Viorel Matei , der Sohn des ehemaligen Temescher Senators – davon. Ein Kapitel bleibt nach wie vor unverändert: Alle Angeklagten haben hohe Entschädigungen an den Staat zu zahlen. Es handelt sich um eine Gesamtsumme von nahezu drei Millionen Euro.

Ein Endentscheid des Obersten Gerichtshofs Bukarest im Fall der Angeklagten aus der Akte Morawitza II steht noch aus. Nach der erwähnten Aktion von Februar 2011 hatte die Nationale Antikorruptionsbehörde bekanntlich diese zweite Gruppe von 32 Banater Zöllnern und Grenzpolizisten des Zigarettenschmuggels, der Annahme von Schmiergeldern und der Bildung einer organisierten Verbrechergruppe angeklagt. Erster Termin der Gerichtsverhandlung war April 2012. Mit einem Entscheid vom Januar 2014 verhängte das Temeswarer Gericht gegen 28 der Angeklagten Haftstrafen von insgesamt 120 Jahren (ohne Bewährung), diese haben auch die beträchtliche Gesamtsumme von 6,5 Millionen Euro Entschädigung zu bezahlen. Die Mehrheit der Angeklagten wurde zu Gefängnisstrafen von drei bis fünf Jahren verurteilt. Eine Ausnahme, mit über acht Jahren Haftstrafe , bildete lediglich der ehemalige Zöllner Radu Grigu]a. Dieser hat auch 3,41 Millionen Lei Entschädigung zu entrichten. Gleichfalls acht Jahre Haftstrafe erhielt auch der Zöllner Mareius Horaţiu Petruţa, der auch eine Entschädigung von 3,89 Millionen Lei zu begleichen hat. Die 28 verurteilten Zöllner und Grenzpolizisten werden nach Absitzen ihrer Haftstrafen zusätzlich für eine Zeitspanne von fünf Jahren nicht das Recht haben, als Polizist oder Zöllner tätig zu sein.

Es sei nochmals daran erinnert: Um sechs Uhr früh, am 8. Februar 2011, startete DNA eine beispielhafte Nacht-und-Nebel-Aktion mit Helikopter und zahlreichen bis zu den Zähnen bewaffneten und maskierten Polizisten, wodurch die Grenzbeamten buchstäblich „ausgehoben“ und im Sammelpack in die Hauptstadt geflogen wurden. Die Aktion mit direkter Fernsehübertragung auf mehreren TV-Kanälen betraf die Grenzübergänge Morawitza und Naidăş, Karasch-Severin. Geprobt hatte man etwas früher mit einer gleichartigen Razzia an der Ostgrenze in Siret.
Es war ein kritischer Zeitpunkt, da die Glaubhaftigkeit Rumäniens und seiner Regierung auf dem internationalen Prüfstand waren. Die beispielhafte Großaktion an der EU-Außengrenze sollte auch als starkes Argument für den ärgerlicherweise immer wieder verschobenen Beitritt Rumäniens zum Schengener Raum gelten.

Eins kann man heute schon sagen: Die Rechnung ist nicht voll aufgegangen! Man fragt sich heute doch: Hat man dieser Sache wirklich auf den Grund gehen, im Urwald der rumänischen Zoll-Mafia endlich Licht schaffen wollen?
Kenner der Szene, Insider aus der Gewerkschaft der Polizisten und Grenzbeamten „Pro Lex“ haben von Anfang an auf die enormen Schwierigkeiten für die DNA-Staatsanwälte aufmerksam gemacht, von den sogenannten „kleinen Fischen“ zu den „großen Fischen“ zu gelangen, um der Korruption auch wahrlich ein Ende bereiten zu können. Im Laufe der Jahre wurden horrende Summen von Millionen Euro auf diese Art und Weise abgesahnt, die selbstverständlich am Finanzministerium und am Staatshaushalt vorbeigelotst wurden. Die Kenner zeichneten damals auch eine Hierarchie der Zoll-Mafia: Von den „pioni“ (Bauern im Schachspiel), zu den „Pferden“ (Schichtleiter, Leiter der Zollämter), zum „Narr“ (Gewerkschaftsleader oder Direktor als Koordinator). Weitere Spitzenpositionen waren der „Turm“ (Direktor der Zollverwaltung), die „Königin“ (wichtiges PDL-Parteimitglied) und der „König“ (über dessen Identität man heute noch rätselt). Und gerade diese Schlüsselpositionen der Mafia wurden von niemand, weder von DNA noch von der Justiz, angerührt.