„Minderheitensprachen brauchen Hilfe von außen“

Theater von Sprachminderheiten trafen sich in Bruneck

Voller Tatendrang waren die Vertreter während der Pressekonferenz am 24. Juni im Stadttheater Bruneck: „Wir könnten sofort starten, wenn man uns denn lässt.“
Foto: der Verfasser

Schon im Jahr 2012 hat das Deutsch-Sorbische Volkstheater Bautzen anlässlich der „Europeada“, der Fußball-Europameisterschaft der Sprachminderheiten, zum Theaterkolloquium der Minderheitensprachen-Theater in die Oberlausitz eingeladen. Dabei wurde die Idee einer breiten Zusammenarbeit und einer länderübergreifenden Gemeinschaftsproduktion geboren. Anhand der Konzeption „Odyssee – Eine Reise zu den (Minderheiten-)Inseln Europas“ des österreichischen Regisseurs Claus Tröger arbeitete man seitdem daran, eine Europa umspannende Geschichte zu entwerfen, in der jede beteiligte Sprachminderheit ein Kapitel der „ODYSSEY“ gestaltet.

Im süd-tirolerischen Bruneck trafen sich die beteiligten Theater – das gastgebende Stadttheater Bruneck, das Deutsch-Sorbische Volkstheater aus Bautzen, das Walisische Nationaltheater, das AGORA-Theater der deutschsprachigen Gemeinschaft in Belgien sowie das Jüdische Esther-Rachel-und-Ida-Kaminski-Theater aus Warschau – vom 22. bis 24. Juni ein weiteres Mal im Rahmen einer Europeada, um auf dieses europäische Großprojekt hinzuarbeiten, das bereits jetzt international großes Interesse erfährt. Ausgearbeitet wurde in dem dreitägigen Workshop zunächst das „kleine“ Gemeinschaftsprojekt „VOX – Minderheitensprachen eine Stimme geben“. Dabei soll zeitgenössisches Theater entwickelt werden, welches sich mit der klassischen Identitätssuche von Minderheiten in Mehrheitsgesellschaften beschäftigt. Und natürlich möchte man mit einer erfolgreichen Umsetzung auch andere Minderheitentheater davon überzeugen, sich am Großprojekt zu beteiligen. In einem ersten Schritt wird „VOX“ im Rahmen des Programms Creative Europe durch das Deutsch-Sorbische Volkstheater der Europäischen Kommission zur Förderung vorgelegt.

Mit „reichlich Gepäck“ sind die Vertreter an ihre Heimattheater zurückgekehrt, gilt es doch Autoren zu finden, mit denen gemeinsam die Theatertexte entwickelt werden. Was die Minderheitentheater dabei eint, ist die schwierige Suche nach aktuellen, zeitgenössischen, dramatischen Texten. Diese entstehen in Minderheitensprachen nicht gleichermaßen auf natürlichem Weg wie in Mehrheitssprachen, so Projektleiter Claus Tröger. Dies war auch der Hauptgrund, dass sich die Theater zusammengeschlossen haben. „Minderheitensprachen bedürfen der Hilfe von außen, um vital zu bleiben.“ Sollte das Projekt im März kommenden Jahres genehmigt werden, fällt schon im Juni 2017 am Stadttheater Bruneck der Startschuss. Über zwei Theaterspielzeiten, bis Oktober 2019, wollen die fünf mitwirkenden Theater die ausgearbeiteten Stücke auf den jeweils anderen Bühnen und in der jeweilig anderen Sprache aufführen. Ein zentraler Gegenstand während des gesamten Projekts wird die intensive Arbeit mit jungen Menschen sein, die über das Theater an die Sprachen der europäischen Minderheiten herangebracht werden sollen, so Tröger weiter.

Läuft alles nach Plan, dann ist VOX die erfolgreiche Basis für das Großprojekt ODYSSEY, bei welchem Theater aus Regionen mit Sprachminderheiten Produktionen zu ihrer Identität erarbeiten. Dieses soll dann bis 2021 andauern und in den Ländern aller beteiligten Theater aufgeführt werden.