Nationale und soziale Konflikte in Siebenbürgen vor und nach 1914

Neue Analysen zu den Auswirkungen des Ersten Weltkriegs

Der Herausgeber dieses Tagungsbandes, Harald Heppner, hebt im kurzen Vorwort hervor, dass darin drei Themenkomplexe analysiert werden: die Ursachen des Krieges, sein Verlauf in Siebenbürgen und die Folgen für die Bevölkerung in der Region. In dem beschränkten Rahmen können hier nicht alle achtzehn Beiträge einzeln erwähnt werden. Ich greife diejenigen heraus, die zentrale Aspekte der Umbruchjahre thematisieren oder neue Forschungsansätze enthalten.

Gerald Volkmer untersucht den Einfluss der siebenbürgischen Frage auf die diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn und Rumänien zwischen 1914 und 1916. Obwohl der König Rumäniens ein Bündnis mit Deutschland und der Habsburgermonarchie geschlossen hatte, trat Rumänien im August 1916 auf der Seite der Entente in den Krieg ein. Dies wurde mit der Befreiung der Rumänen aus Siebenbürgen, dem Banat und der Bukowina legitimiert. Nach einer kurzen Offensive in Siebenbürgen mussten die rumänischen Truppen fluchtartig auch die Walachei und Dobrudscha verlassen. Trotz des Bukarester Sonderfriedens vom Mai 1918 traten die Vertreter Rumäniens bei der Pariser Friedenskonferenz 1919 unter den Siegern auf. Die Verdopplung des Staatsgebietes hatte zur Folge, dass Rumänien einen Minderheitenanteil von 29 Prozent erhielt. Da die Bukarester Eliten Großrumänien als Nationalstaat definierten, gab es danach viele Spannungen in den neuen Provinzen. In einem Beitrag von 60 Seiten stellt Zsolt K. Lengyel die Ursachen dar, warum die wichtigsten sozialen Reformen in Ungarn vor dem Weltkrieg scheiterten. Der Plan von Oszkár Jászi zum Umbau Ungarns in einen föderalen Staat kam zu spät, da Ende 1918 die Vertreter der Rumänen bereits den Anschluss an Rumänien anstrebten.

Mehrere kürzere Beiträge widmeten sich dem Kriegsgeschehen (Manfred Rauchensteiner), der damaligen Rolle der Städte (Harald Roth) sowie den Kriegsfolgen in bestimmten Ortschaften wie Heltau und Zied. In anderen Beiträgen werden die Tätigkeit der siebenbürgischen Ärzte (Hansgeorg von Killyen) oder der rumänischen Militärgeistlichen (Ionela Zaharia) während des Krieges geschildert. An den Beitrag über die Lage der Evangelischen Landeskirche A. B. in den Kriegsjahren (Ulrich A. Wien) knüpft Ingrid Schiel mit ihrer interessanten Schilderung des Unterstützernetzes von siebenbürgisch-sächsischen Frauen an. Eine große Gruppe von ehrenamtlich tätigen Frauen aus dem Umkreis der Kirche organisierte Fürsorgeeinrichtungen für die vielen Familien ohne Ernährer. Bis 1916 waren etwa 30.000 Männer mobilisiert worden und die Frauen mobilisierten Ersatzkräfte für die Feldarbeit. Sie verpflegten auch Verwundete und schickten Pakete mit selbstgefertigten Wollwaren an Soldaten.

Im dritten Teil werden die weitreichenden Folgen des Krieges in fünf Beiträgen thematisiert. Florian Kührer-Wielach analysiert, warum viele Siebenbürger Rumänen nach einer anfänglichen Begeisterung für die Vereinigung mit Rumänien bald ernüchtert waren. Sie strebten eine dezentralisierte Verwaltung an, doch das unterbanden die Bukarester Politiker mit der Begründung, dass dadurch der ungarische Irredentismus gestärkt werde. Die Polizeibehörden verhinderten die Verbreitung von Presseorganen, in denen die Marginalisierung der Politiker aus Siebenbürgen benannt wurde. Franz Horvath untersucht die Wahrnehmung des Kriegs bei den Ungarn in Siebenbürgen nach 1918. Für sie war nach dem Frieden von Trianon 1920 die Abtrennung von Ungarn eine traumatische Erfahrung. Mit vielen Fotos von Denkmälern für deutsche Kriegsopfer zeigt Bernhard Böttcher die Formen der Erinnerungskultur in Siebenbürgen und im Banat in der Zwischenkriegszeit auf. Anders als in Deutschland fand keine kriegerische Überhöhung statt. Der Fokus des Bandes auf Siebenbürgen wird auch durch Rudolf Gräf erweitert, der den gewachsenen Einfluss der Banater Sozialdemokraten 1918/1919 darstellt. Die multiethnische Sozialdemokratie setzte den 8-Stunden-Tag durch und trat für die Autonomie des Banats ein. Als die serbische Besatzungsarmee nach der Entscheidung der Pariser Friedenskonferenz im Juli 1919 die Industriezentren räumen musste, verhinderten Arbeiter durch einen Generalstreik die Demontage ihrer Arbeitsplätze. Nachdem die rumänische Armee einzog, waren Streiks verboten.

Abgerundet wird der Band durch den Beitrag von Markus Lörz über die Kriegsgrafik von Ludwig Hesshaimer. Anhand dieser Abbildungen wird das Grauen auf den Schlachtfeldern sehr anschaulich. Der Sammelband hat einen wissenschaftlichen Apparat, doch leider fehlt eine Karte. Die meisten Beiträge sind flüssig geschrieben und allgemein verständlich.

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Harald Heppner (Hg.): „Umbruch mit Schlachtenlärm. Siebenbürgen und der Erste Weltkrieg“, Köln, Böhlau 2017, ISBN 978-3-412-50516-5