Neue und alte „mitternächtliche Räuber“

„Wir haben die Macht erobert. Jetzt tun wir damit, was uns grade passt!“ Diese Einstellung, vom PSD-Führer Liviu Dragnea und dem schwer erfassbaren Kreis seiner Vertrauten vertreten, charakterisiert die Partei, die sich, irreführend, „sozial-demokratisch“ nennt. Aber: Hat Dragnea, dieser Ausbund von Hinterlistigkeit und Feigheit, überhaupt Vertraute außerhalb des Zirkels von straffällig Reichgewordenen, denen Gefängnis droht, der „Barone“? Außerhalb des Kreises der mit parlamentarischen Mitteln, solidarisch und zum Eigennutz die Justiz Beschneidenden? Denen es bloß darum geht, neben dem eigenen Reichtum etwas zu verwirklichen, was ihr Ziehvater Ion Iliescu zu Beginn der 1990er Jahre so definierte: „Auch in einem totalitären Regime kann es Demokratie geben, aber mit einem weisen Despoten!“
Iliescu war kein weiser Despot, auch wenn er teilweise den Fußstapfen von Nicolae Ceauşescu folgte. Iliescu schaffte es bloß, durch Sturz den Thron Ceau{escus zu besteigen. Als solcher ist er ein Straffälliger, wie Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nun mit juristischen Mitteln nachweisen, nachdem der ganzen Nation bekannt ist (aus TV-Aufzeichnungen), wie Iliescu die Bergleute aus dem Schiltal am 13./14. Juni auf jeden hetzte, der für einen urproletarisch indoktrinierten Holzkopf irgendwie intellektuell, also „gefährlich“, weil „staatszersetzend“, aussah: Brillenträger, Jeans, langhaarig, Minirockträgerinnen waren die Zielscheiben.

Auf die „golani“ (= Taugenichtse, Lumpen) Iliescus wurde brachial eingeprügelt, bis es Tote und Tausende Verletzte und Traumatisierte gab, vorgeblich, um am Ort, wo Dezember 1989 die Ceauşescu-Treuen erste Demonstranten umbrachten, „Blumen zu pflanzen“ - mit Spitzhacken, Schlaghämmern, Stahldraht, an dessen Enden sie Schrauben einfädelten, auch mit Gummiknüppeln der regulär ausgerüsteten Polizei, die mit Sturmhelm und Schild anrückte und sich an der „Mineriada“ beteiligte. Mit militärisch gekleideten und „zivilen“ Führern. Dass ein Staatssekretär, später Medienmogul (ProTV), von der Armee eine Sprengstoffladung anforderte, um ein damit beladenes Auto in die Masse der Protestler zu lenken und zu zünden, wurde erst jetzt, 27 Jahre später, durch staatsanwaltliche Untersuchungen bekannt. Ob mit Wissen Iliescus und des damaligen Regierungschefs Petre Roman? Ein Glück, dass der Verteidigungsminister die Lieferung verweigerte. Dragnea ist ein indirekter Ziehsohn Iliescus (über den direkten, Năstase). Wegen seiner straffälligen Vergangenheit kann er vorläufig nicht auf den Thron. Aber machtgeil ist er.

Zur historischen Einmaligkeit des gestrigen Misstrauensantrags der PSD-ALDE-Koalition gegen ihre eigene Regierung (Absurdität der rumänischen Innenpolitik) gehört die stalinistische Atmosphäre, wie seinerzeit beim Fertigmachen reeller oder konstruierter „Gegner“, von „Volksfeinden“, in den Parteisitzungen (deren „proletarische Qualität“ an der Dicke des Qualms der filterlosen „Carpaţi“- und „Mărăşeşti“-Zigaretten gemessen wurde). Die stärksten Raucher waren die verlässlichsten Parteimitglieder der 1950er Jahre, denn sie dachten am intensivsten nach! (Egal, über was, hauptsächlich kettenrauchend intensiv.) Heute sind die denkfeindlichsten und Duckmäuser-Parlamentarier die gesuchten. Denken ist eben eine der Beschäftigungen der Menschheit, die die Politik am meisten gefährden.
Denn: Wer nicht denkt zur rechten Zeit, muss sehen, wie er mit den „mitternächtlichen Räubern“ einer PSD-ALDE-Regierung zurechtkommt.