„Nicht die leichte Lösung“

Arbeiten an der evangelischen Stadtpfarrkirche in Hermannstadt kommen voran

Betonanker und Leichtbetonrippen sollen das historische Gewölbe sichern.

Baupläne und Musterdach: Bauleiter Ovidiu Breaz (li.) und Victor Drăgan (2. v. l.) erklären den Baufortschritt.
Fotos: Holger Wermke

Wer ganz genau hinaufschaut, entdeckt dieser Tage Arbeiter an Seilen hängend am Turmdach der evangelischen Stadtpfarrkirche in Hermannstadt/Sibiu. Die Alpinisten tauschen hier beschädigte Ziegeln aus – Arbeiten, die im Rahmen der derzeit laufenden Sanierung des maroden Dachstuhls durchgeführt werden. „Insgesamt gehen die Arbeiten gut voran“, berichtet Stadtpfarrer Kilian Dörr. Nach einigen Verzögerungen, verursacht durch die Suche nach alternativen Lösungen zur Erdbebensicherung des Gebäudes, läuft die Baustelle derzeit nach Plan. Der Stadtpfarrer ist zuversichtlich, das Projekt Anfang 2014 abschließen zu können. 

Die akuten statischen Probleme sind laut Dörr gelöst. „Es ist nicht die leichte Lösung, die wir bevorzugt hätten, aber das Gesetz sieht die jetzige Variante vor“, bedauert der Stadtpfarrer. Keiner der beteiligten Experten habe sich bewegen lassen, eine Alternativlösung zu befürworten. Rund ein halbes Jahr und zusätzliches Geld investierte die Gemeinde in diesen letztlich erfolglosen Prozess. Ganz glücklich scheint Dörr nicht mit der Betonvariante. „Die besten Statiker Rumäniens haben diese Lösung gefunden, was sollen wir sagen?“

Betonringanker gegossen

Der Betonringanker ist mittlerweile vollständig gegossen. Kurz vor der Fertigstellung sind die Holzrippen sowie die Leichtbetonrippen zur Sicherung der Gewölbedecke. Bis auf das Mittelschiff sind die Rippen angebracht, dies entspreche 70 Prozent des geplanten Umfangs, informiert Bauleiter Ovidiu Breaz von der Baufirma Sinecon. Zusätzlich sorgen Zuganker bereits seit dem vergangenen Jahr für die Standfestigkeit der Außenmauern von Ferula, Kirchenschiff und Chor.
Mit voller Kraft wird derzeit an der zimmermannsmäßigen Ertüchtigung des historisch wertvollen Dachstuhls gearbeitet. Über der Ferula sind schadhafte Holzbalken bereits ausgetauscht. Balkenstapel rund um die Kirche zeugen von diesen Arbeiten. 30 Prozent der Arbeiten im Dachstuhl haben die Arbeiter laut Breaz in den vergangenen sechs Monaten geschafft, der Rest soll im kommenden halben Jahr machbar sein.

Neue Ziegeln nach historischem Vorbild

Geklärt ist die Frage der bunt glasierten Ziegeln. Den Zuschlag für die Lieferung von rund 81.000 neuen Ziegeln erhielt die deutsche Firma Jacobi. Deren Produkte seien qualitativ am hochwertigsten gewesen, meint Dörr. Die Gemeinde achtete bei der Ausschreibung auf die Bewahrung des historischen Dachbildes. Die Ziegeln werden nach historischem Vorbild produziert, wofür eigens eine Matritze mit vorhandenen Ziegeln angefertigt wurde. Beibehalten wird auch die Farbgebung, um das bunt gemusterte Dachbild bei der Neudeckung wieder herzustellen.

Insgesamt werden etwa 60 Prozent der insgesamt rund 154.000 Ziegeln auf dem Kirchendach ausgetauscht, weiß Victor Drăgan, der vonseiten der Gemeinde das Bauvorhaben beaufsichtigt. Am Rande der Baustelle ist ein Musterdach aufgebaut, auf dem neue und alte Ziegeln nebeneinander liegen. Im Gespräch weist er auf den unterschiedlichen Zustand der Ziegeln hin, die aus den Werkstätten Record aus Hermannstadt, dem Ziegelwerk Jimbolia und einer Werkstatt in Schäßburg/Sighişoara stammen.

Weiteres EU-Projekt geplant

Dass eine Sanierung des Dachstuhls dringend notwendig ist, hatten 2007 zwei Expertenteams festgestellt. Das diesbezügliche Projekt wurde 2008 bei der Agentur für Regionale Entwicklung in Karlsburg/Alba Iulia eingereicht. Nach zweijähriger Evaluierung ist der Vertrag  im Oktober 2010 unterzeichnet worden, zusammen mit dem 18 Kirchenburgen-Projekt des Landeskonsistoriums der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien. Die Projektdauer beträgt 40 Monate. Verantwortlich für die Umsetzung ist das Hermannstädter Unternehmen Sinecon SRL.

Geht es nach Dörr, wird nach dem Dachstuhl auch die Sanierung der Außenfassade sowie des Kircheninneren angegangen. Momentan laufe ein innergemeindlicher Diskussionsprozess zu den geplanten Maßnahmen. Angedacht ist neben der Fassadenreparatur der Einbau einer Fußbodenheizung in der Kirche, eine moderne Beleuchtung sowie eine Auffrischung des Anstrichs im Kirchenschiff. „Es soll keine grundlegende Neugestaltung werden“, betont Dörr. Die Gemeinde hat den Hermannstädter Architekten Mihai Ţuca mit der Ausarbeitung der Pläne beauftragt. Ziel ist es, mit einem neuen Projekt wieder europäische Fördermittel zu akquirieren, wobei der Finanzierungsbedarf und -quellen noch geklärt werden müssen.