„Nicht jeder hatte die Chance, in ein gutes Leben starten zu können“

KiKu e.V. hilft ghanaischen Kindern in Not

Die NGO legt viel Wert darauf, dass die Kinder sich so unabhängig und eigenständig wie möglich entwickeln.

Sarah Kovac hat dieses Jahr das Kinderhaus in Ghana besucht. Ihr Ziel wurde auch erreicht: die Solarbeleuchtung funktioniert. Fotos: Kiku - Kinderhaus Kumasi e.V.

Anfang Dezember. Nachmittag. Die Sonne geht über der Region Ashanti in Ghana unter. 25 Grad sind es diesen Monat im Durchschnitt im westafrikanischen Staat am Atlantischen Ozean. In der Nähe von Kumasi, der zweitgrößten Stadt des Landes, befindet sich ein Kinderhaus, das von Kindern wimmelt. In diesem Schutzraum können sie in den letzten Sonnenstrahlen sorglos spielen. Die Kleinen haben einen Fußballplatz, hierher kommen auch Dorfkinder. Zu ihrer Freude gibt es auch Kaninchen, die von einem Nachbarn gespendet wurden.  


Laut SOS Kinderdorf sind 40 Prozent der ghanaischen Bevölkerung unter 14 Jahre alt. Die internationale Organisation informiert, dass Kinder mit überwältigenden Schwierigkeiten konfrontiert werden: Man schätzt, dass über eine Million Kinder ein Elternteil oder beide Eltern verloren haben. Manche laufen von zu Hause weg wegen Gewalt und Missbrauchs. Viele gehen nicht in die Schule. So können sie in eine endlose Schleife von Armut und Obdachlosigkeit geraten.

Kumasi – Berlin. Luftlinie: 5279 km

Anfang Dezember. Es ist ein kalter, dunkler Nachmittag in Berlin. Sarah Kovac kommt gerade von einer Demonstration, von der sie voller Begeisterung erzählt: Es geht um die große Anti-Kohle-Demo in der deutschen Hauptstadt, die anlässlich der internationalen Weltklimakonferenz auch in Katowice (Polen) stattfindet. Sie nimmt aktiv an beiden teil. Ob die Konferenz erfolgreich sein wird? Auf welche Länder kann man sich verlassen? Sarah Kovac (31), Expertin für Politikmanagement und Umweltwissenschaften auf internationaler Ebene, arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Unabhängigen Institut für Umweltfragen (UfU) in Berlin.
Doch in ihrer Freizeit kümmert sie sich um die Zukunft ghanaischer Kindern aus prekären Verhältnissen – zusammen mit den sechs anderen Vorstandmitgliedern des Vereins KiKu - Kinderhaus Kumasi e.V., der in Bremen 2011 gegründet wurde. Damals waren alle Studentinnen: Den Vorstand bilden die beiden Vorsitzenden der NGO, Anna Merkle und Stefanie Thiele, weitere Mitglieder sind Astrid Gummert, Hanna Fuhrmann, Sarah Kovac, Neele Gummert und Sophia Reiß. Alle arbeiten ehrenamtlich.

Das Konzept

Wie sieht aber die Geschichte hinter KiKu aus? Als Anna Merkle sich nach dem Abitur entschieden hat, ein freiwilliges soziales Jahr zu absolvieren, kam sie nach Ghana. Dort lernte sie Eric Bonsu kennen. Beide waren sich darüber einig, dass es zu wenig Auffangstationen für Kinder in Not in Ghana gibt und diese verbessert werden könnten. Sie wollten Kindern ohne Wohnsitz oder Erziehungsberechtigten helfen, eine faire Chance für einen guten Start ins Leben zu bekommen.

Vor der offiziellen Gründung der NGO in Deutschland wurde klar, dass nur Geld überweisen nicht reichte: Sie brauchten etwas, was die Kinder langfristiger unterstützen kann - ein Haus, Leute, die sich direkt um sie kümmern und dafür auch bezahlt werden. Deshalb wurde der Verein in Ghana 2012 auf die Beine gestellt. In Kumasi hat der Verein derzeit drei Mitglieder, die auch den Vorstand bilden: Anna Merkle, Stefanie Thiele und Eric Bonsu. Aus dem Tätigkeitsbericht der NGO geht hervor, dass die NGO in Deutschland das Projekt konzeptuell gestaltet und die Finanzierung sicherstellt. Die ghanaische NGO gilt als Träger für den Betrieb des Kinderhauses. „Wir sind sehr stolz darauf, dass die Gelder direkt bei den Kindern ankommen, dadurch, dass wir alles machen, ohne bezahlt zu werden. In Ghana sieht es ganz anders aus: Dort haben wir hauptamtliche Mitarbeiter. Da haben wir darauf geachtet, dass sie einen Lohn kriegen, der für Ghana angemessen ist, und uns war ganz wichtig, dass wir vor Ort Arbeitsplätze schaffen, und dass die Kinder in einem Umfeld aufwachsen, wo sie mit Menschen aus ihrer Kultur zusammen leben. Man sieht auch in der Dorfgemeinschaft, dass wir unter anderem respektiert sind, weil wir ein Arbeitgeber sind“, so Kovac.

In Kumasi wurde 2015 ein Gebäudekomplex aufgebaut, wo bis zu 24 Kinder zwischen drei und 17 Jahren untergebracht werden können. Die meisten Angestellten von KiKu in Ghana leben auch im Kinderhaus. Eine gelernte Krankenschwester gilt als „Mutti“ der Kinder. „Ruth ist die Mutti von allen, sie kümmert sich ums Essen, sie kümmert sich darum, dass die Kinder schlafen gehen und pünktlich aufstehen. Dann haben wir den Direktor des Kinderhauses, eine Assistentin für Ruth und zwei Sicherheitsleute, die auch mal den Kindern bei den Hausaufgaben helfen“, erklärt Kovac.

Egal wie lange die Kinder bei KiKu bleiben, für alle sind Schulbesuch, Krankenversicherung und Betreuung von Anfang an gewährleistet, so Kovac. Die Kinder gehen fast alle auf die gleichen Schulen. Sie hat schon bemerkt, dass die Kinder gut Englisch können. Auch die erste Vorsitzende Merkle hat festgestellt, dass die Schützlinge des Kinderhauses sehr motivierte und gute Schüler sind. Es gibt die Überlegung, ein paar Computer anzuschaffen und einen Kurs zu organisieren, damit sie auch lernen, das Internet zu benutzen. Auf diese Weise könnten sie viel mehr lernen, sagt Sarah Kovac. Die Kinder werden zur Eigenständigkeit erzogen.
Eine ähnliche Entwicklung ist auch im Fall des Kinderhauses erwünscht. Bau und Betrieb sind nachhaltig gestaltet und die Vertreter der NGO sind ständig auf der Suche nach Lösungen, durch die sich das Kinderhaus selbst finanzieren und mehr Unterstützung von regionalen Institutionen bekommen könnte. Vor zwei Jahren wurde auch Farmland gekauft. Durch die Bewirtschaftung des Ackerlandes wurde schon die erste Maßnahme in Richtung Nachhaltigkeit getroffen. „In Ghana merken wir eben, dass unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen inzwischen wirklich sehr selbstständig sind: Die Leute vor Ort wissen, wie sie mit den Kindern umgehen müssen, unser Landesdirektor ist sehr selbstständig, wenn es da-rum geht, mit den Behörden zu kommunizieren. Man merkt, dass sie immer weniger direkte Unterstützung von uns brauchen, im Sinne von Ratschlägen“, erklärt die Spezialistin.
KiKu betreut auch zwei Studenten in Ghana und in Deutschland. Der Student in Ghana arbeitet an Varianten, wie für das Kinderhaus eine Versorgung mit Solarstrom aussehen könnte und mit welchen Kosten verschiedene Varianten verbunden wären. Das ist auch das Thema seiner Masterarbeit. Der Student aus Deutschland ist auf der Suche nach Methoden, wie man das Farmland noch besser zur Produktion von Lebensmitteln nutzen könnte.

Von gelegentlichen Aktionen zum nachhaltigen Konzept

„Mit KiKu hat es während meines Studiums in Bremen angefangen“, erinnert sich Kovac. Da hat sie Anna Merkle und Stefanie Thiele kennengelernt. „Anna hat uns von der damaligen Situation in Ghana erzählt. Wir haben gesagt, wir können als Studenten ab und zu eine Aktion machen und ein bisschen Geld sammeln, damit die Kinder sich Kleidung und Essen kaufen können“. Bald kam ein Perspektivenwechsel ins Spiel. Man wollte sich darum kümmern, „dass aus den Kindern Erwachsene werden, die ihre Chance ergreifen und ein selbstständiges Leben führen können, weil sie durch Bildung Möglichkeiten haben“, so Kovac. „Mit spontanen Aktionen war ein solch ganzheitliches Ziel nicht erreichbar, weshalb wir den Verein zum Bau und der Betreuung des Hauses gründeten.“

Eines führte zum anderen und dieses Jahr ist Sarah Kovac ins Flugzeug nach Accra gestiegen und nach einer sechsstündigen Busfahrt konnte sie zum ersten Mal das Kinderhaus in Ghana sehen. „Ich wollte die Leute, mit denen ich seit Jahren skype, persönlich kennen lernen. Das war mir wichtig. Vor Ort sieht man auch, was man besser machen kann. Ich wollte, dass die Beleuchtung vom Kinderhaus nachhaltiger wird, und ich hatte im Vorfeld der Reise eine Partnerschaft mit einer Universität in Kumasi aufgebaut, die ein Zentrum für erneuerbare Energie hat“, so Kovac. Drei Wochen hat sie in Kumasi verbracht: „Die meiste Zeit davon habe ich im Kinderhaus übernachtet. Ich hatte die Gelegenheit, den Tagesablauf der Kinder zu sehen: Wann gehen sie essen? Wann gehen sie zur Schule, wann kommen sie zurück?“ Beson-ders beeindruckt war sie von dem freundlichen, neugierigen und entspannten Charakter der Kinder, auch wenn sie in einer schwierigen Situation sind. „Wir haben über alles Mögliche geredet“, erinnert sich Kovac. „Mir wurde dort sehr bewusst, wie viele Chancen ich in meinem Leben hatte. Nicht jeder hatte die Chance, von Anfang an in ein gutes Leben starten zu können. Es gibt auch andere Realitäten“, erkennt die Expertin.

Zu Gast bei der Mutter des Königs von Ashanti

„Es ist eine sehr friedliche Gemeinschaft“, meint Kovac, die von der Mutter des Königs der Region Ashanti zum Palast gebeten wurde, um mit ihr zu sprechen. „Die Königin hat sich dafür interessiert, warum ich hier bin. Es ist sehr schön, dass wir akzeptiert werden, das zeigt, dass wir dort keinen schlechten Job machen“, findet die Expertin. Zu den Partnern von KiKu e.V. in Ghana zählen unter anderem die Gemeinde Ekyem Dayeye, der Verein Madamfo Ghana und die Stelle zur Bekämpfung des Menschenhandels. Das Kinderhaus befindet sich in der kumasischen Gemeinde Ekyem Dayeye im Ejisu-Juaben Bezirk. Der Verein kooperiert eng mit Nana Kusi Babuu II, dem Stammesfürsten der Region. Vor drei Jahren hat Anna Merkle den Titel „Nkusouhemaa“ (Entwicklungskönigin) bekommen. Das Sozialministerium in Kumasi ist ebenfalls ein wichtiger Kooperationspartner. KiKu e.V. arbeitet eng auch mit der ghanaischen Stelle zur Bekämpfung des Menschenhandels zusammen. Meistens sind es Polizisten in Kumasi oder Beamte des Sozialministeriums, die mit KiKu Kontakt aufnehmen, wenn ein Kind in Not gefunden wird.

 

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Jeder kann die NGO unterstützen, nicht nur durch Spenden, sondern auch durch Mitgliedsbeiträge, Fördermitgliedschaften oder Patenschaften. Im Moment wird die NGO von 39 Fördermitgliedern unterstützt. Die laufenden Kosten werden hauptsächlich von Patenschaften (30, 40 oder 50 Euro monatlich) gedeckt. Dadurch wird kein bestimmtes Kind unterstützt, sondern der Betrieb des Kinderhauses. Derzeit unterstützen 49 Paten KiKu e.V.
Eine andere Möglichkeit wäre, ein Event zu organisieren, bei dem Gelder für das Kinderhaus in Kumasi gesammelt werden - etwa ein Spendenlauf, ein Stand auf dem Weihnachtsbasar mit Kuchenverkauf oder ein kleines Festival. Bei der Planung und Umsetzung solcher Ideen hilft die NGO gerne. Weitere Infos sind unter www.kiku-ev.de/kiku-unterstützen/ abrufbar. Einen virtuellen Rundgang durch das Kinderhaus Kumasi in Ghana kann man hier unternehmen: tourme.org/tour/kikutour.html