Noch ein Geschäftszentrum für Kronstadt

AFI Europe Romania beginnt Bauarbeiten am ehemaligen Hidromecanica-Gelände

So soll der Kronstädter AFI-Park aussehen.

„Der beste Standort für den Handel“ und „größte Sichtbarkeit“ – das hat sich der Immobilienentwickler AFI Europe Romania in Kronstadt/Braşov etwas kosten lassen. Es handelt sich um das Gelände des ehemaligen Hidromecanica-Werkes, das seinerseits auf die Schiel-Werke zurückging. Hidromecanica, einer der Kronstädter sozialistischen Großbetriebe im Maschinenbau, ist im Wirrwarr der rumänischen Privatisierung sang- und klanglos untergegangen und wurde schließlich komplett abgerissen.

Heute ist das Gelände umzäunt, vier Großkräne und zwei Autokräne wurden aufgestellt, ununterbrochen karren Laster Erde weg, denn die Bauarbeiten haben in diesem Herbst begonnen. Da, auf einer Fläche von 40.000 Quadratmetern, sollen ein neues Geschäftszentrum und Bürohochhäuser samt Parkplätze und alles, was noch zu so einem Großprojekt dazugehört, errichtet werden.
Die Industrie räumt den Platz zugunsten von Handel, Dienstleistungen und Freizeit. Von einer De-Industrialisierung Kronstadts kann aber nicht gesprochen werden. Im Umfeld der Stadt, vor allem in den benachbarten Ortschaften Weidenbach/Ghimbav und Neustadt/Cristian tauchten neue Industrieplattformen und Gewerbeparks auf. Dass Kronstadt dafür Gebühreneinnahmen entgehen, damit müssen die Kronstädter leben.

Sie und die Touristen, auf die immer wieder verwiesen wird („Kronstadt – Hauptreiseziel Rumäniens mit rund 1,5 Millionen Touristen pro Jahr“, laut AFI Europe Romania-CEO, David Hay), können sich in zwei-drei Jahren in einer riesigen, modernen Shopping Mall verlaufen und da ihr Geld lassen. Die Kronstädter sollen ja, so wissen es die Investoren, über eine für rumänische Verhältnisse überdurchschnittliche Kaufkraft verfügen. Dass seit Kurzem mit dem „Coresi Shopping Resort“ (übrigens auch auf dem Gelände eines ehemaligen sozialistischen Vorzeigegroßwerkes – „Tractorul“ – errichtet), dem „größten Einkaufszentrum Siebenbürgens“, eine ernstzunehmende Konkurrenz vor Ort ist, schreckt AFI nicht ab. Es sei Platz, also es gäbe Kunden, für beide Hypermärkte, heißt es in einer AFI-Pressemitteilung.

Dabei könnte man bei AFI sogar richtig liegen. Denn die Zufahrt zu diesem Geschäftskomplex ist einfacher und schneller. Für die Einfahrt wurde eigens (noch) eine Kreisverkehrsinsel von der Stadtverwaltung bewilligt und auf Kosten des Betreibers auch bereits angelegt.

Bei diesem Punkt tauchen aber auch die ersten skeptischen Fragen auf. Inzwischen merken nämlich die Kronstädter, wie der städtische Verkehr des öfteren von und zur Coresi-Mall stockt (vor allem wegen des „Nadelöhrs“ – die Bahnunterführung in der Petersberger Straße. Nun müssen in der optimistischen Sichtweise der AFI-Fachleute und ihrer Mietpartner (Nr. 1 ist Carrefour) Kohorten von motorisierten Käufern oder auch nur Besuchern mitten in der Stadt („Im Herzen der Stadt“ lautet ein Werbeslogan) erwartet und auch betreut werden. Denn, was für Verwunderung gesorgt hat, die neueste Mall liegt nicht, wie es üblich ist, am Stadtrand oder bei einer Stadteinfahrt/ausfahrt sondern gegenüber von dem zum „neuen Verwaltungs- und Bürgerzentrum“ („noul centru civic“) erklärten Stadtgebiet. Dieses kann vorläufig einige Neubauten (Hochhäuser) aufweisen, wo Banken, einige Dienststellen des Bürgermeisteramtes, Firmen, Büroräume, ein Gaststättenkomplex untergebracht sind. Hinzu kommt noch die kleine orthodoxe Holzkirche, die kurz nach der Wende errichtet wurde, als es hieß, das sei nur eine Zwischenetappe zu einer weit größeren und imposanten Kathedrale. Ein Kinderspielplatz (von einer Firma gesponsert) sowie zwei asphaltierte und umzäunte Plätze (der eine dient den Jugendlichen als Skateboard-Anlage, der zweite bleibt ungenutzt) scheinen eher Notlösungen zu sein, Improvisationen, weil es kein einheitliches Konzept für diesen großflächigen öffentlichen Raum gibt.

Da wünschten sich manche eine Mehrzweckhalle oder ein „Museum der Museen“ oder Neubauten, die als Sitz für verschiedene Behörden dienen, weil einige von diesen in Gebäuden untergebracht sind, welche ihnen eigentlich nicht zustehen, da damit verbundene Rückgabeanträge noch nicht endgültig geklärt sind.

Was der Stadt Kronstadt nicht gelungen ist, und zwar ein für alle Stadtbewohner sinnvolles Projekt zu verwirklichen (z. B. der Bau der Mehrzweckhalle, die für Großveranstaltungen immer wieder vermisst wird), klappt gut, wenn ein großer Privatinvestor vom Kaliber des AFI sich ins Spiel bringt. Aber da geht es nicht ums öffentliche Interesse, sondern um profitbringenden Kommerz und Vermietung von Büroflächen.