Orlandos Finanzmärchen

Finanzminister Eugen Orlando Teodorovici Foto: gov.ro

Die wichtigste Person, die dieser Tage in Rumäniens Hauptstadt herumgeistert, ist sicher nicht EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker oder einer der ihn begleitenden Kommissare der EU, die auf Schnupperbesuch ins per Rotationsprinzip an die EU-Spitze gelangte Rumänien eintrudeln, sondern der graumähnige und spitzbubengesichtige Dandy der Regierung des Landes, Finanzminister Eugen Orlando Teodorovici, bis zur Erlangung seiner Parteiämter vorrangig bekannt als Verunsicherer der Damenwelt der NeoBojaren-Clubs von Bukarest.

Als Finanzminister schockierte er beim Vortasten in Sachen zeitlich beschränkter Arbeitsgenehmigungen fürs Ausland, was im In- und Ausland für Aufregung sorgte (bei den Millionen Auslandsrumänen, ebenso beim aussichtsreichsten Kandidat für die Juncker-Nachfolge, dem Bayern Manfred Weber). Seine flapsige Entschuldigung: ihm wäre „eine unglückliche Formulierung“ entrutscht.

Schlimmer ist, dass sein Finanzressort Rumänien bis zur Stunde ohne Jahreshaushalt dastehen lässt – dasselbe Land, unter dessen Verantwortung der nächste EU-Haushalt bis Ende Juni Gestalt annehmen müsste… Aber E. Orlando Teodorovicis Bemerkung über zeitlich begrenzte EU-Arbeitserlaubnisse liegt erst mal voll im Fahrwasser der steigenden Autoritätstöne, die seitens der Regierungskoalition verlauten. Sie kündigten einschränkende Maßnahmen an, die das drohende Haushaltsdefizit des Jahres 2019 abwenden sollen – die Regierung hat nicht genug Geld, um ihre Versprechungen einzulösen und muss schröpfen, leihen oder die Geldpresse anfahren.

Das Schröpfen hat begonnen, mit der „Gier-Besteuerung“ der Banken, mit dem Zwingen aller Kommunen, deren Gemeinderäte gegen Steuer- und Gebührenerhöhungen für 2019 stimmten, die gesetzlichen Höchststeuern einzuführen, mit der Androhung von Kontrollen in den „diebischen Großfirmen, die das rumänische Volk bestehlen“ (hieraus ist eindeutig sichtbar, wie ein autoritär geschwungener Knüppel auch immer mit Nationalismus und Fremdenhass einhergeht).

Fraglich, eher sogar unwahrscheinlich ist, ob der Dandy mit Discokultur Orlando T. schon mal die geniale Formelabfolge des Grimmschen Märchens „Tischlein deck dich! Esel streck dich! Knüppel aus dem Sack!“ gehört hat – umsetzen aber tut er sie. Gegenwärtig fuchtelt er kriegerisch mit dem Knüppel herum, den er aus dem Sack lassen möchte, nachdem er großzügig das populistische „Tischlein deck dich!“ der Regierungskoalition mittels ungedeckter Geldausschüttungen aktiviert hat und nachdem sein Finanzesel, trotz verzweifelten politischen „Streck dich!“-Rufen, nur noch zögerlich Gold kackt.

Zwischendurch konturiert sich das größte Haushaltsdefizit Rumäniens der letzten sieben Jahre (wieder eine magische Zahl, beliebt nicht bloß in Märchen). Ökonomen melden „vermutlich 21 Milliarden Lei“, gut über vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts und damit eine flagrante Übertretung der EU-Haushaltsvorschriften. Dies unter Umständen, wo Orlandos Finanzministerium im Auftrag der Regierung zum Löcherstopfen mehr Geld zu höheren Zinsen aufnimmt: man ist bei 66 Millionen Euro monatlich angelangt – anders sind die um 25 Prozent aufgestockten Beamtenlöhne (die umfangreichste Lohnempfängerkategorie Rumäniens) und die um 12 Prozent erhöhten Sozialunterstützungen nicht zu finanzieren.

So lange EU-Gelder unvollständig abgerufen werden, für die Bedienung anderweitig aufgenommener Kredite (Europäische Investmentbank, Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung) verwendet werden und so lange man nicht einmal im Traum dran denkt, Investitionen zu tätigen, um gut bezahlte Arbeitsplätze zu schaffen, so lange bleibt Orlando T. nur der Knüppel. Außerdem muss Geld in die offengehaltenen Hände der parteieigenen Bürgermeister geschmiert werden, wofür ein Sonderfonds geschaffen wurde… 2019 ist Wahljahr.