Politisch engagierte Autorinnen

Interdisziplinäres Symposium über Elfriede Jelinek und Herta Müller

Eine Peformance boten die Studierenden der Universität „Alexandru Ioan Cuza“ aus Jassy: „Heimat ist das, was gesprochen wird“ zu einem Essay von Herta Müller (Ausschnitt aus „pATRIE“)
Foto: Zoltán Pázmány

Elfriede Jelinek und Herta Müller, die zwei Autorinnen und Nobelpreisträgerinnen mit starkem politischem Engagement und Aussagen, die zur Abstempelung als „Nestbeschmutzerinnen“ geführt haben, standen im Mittelpunkt des interdisziplinären Symposiums „Schreiben als Widerstand“, das vor Kurzem in Temeswar stattgefunden hat.

Seit Frühjahr 2015 erarbeiten die Forschungsplattform Elfriede Jelinek und das Elfriede-Jelinek-Forschungszentrum in Zusammenarbeit mit rumänischen Universitäten und österreichisch-rumänischen Vermittlungsinstitutionen ein interkulturelles Projekt zu den beiden Literaturnobelpreisträgerinnen Elfriede Jelinek und Herta Müller. Jelinek und Müller werden als politische Autorinnen besprochen, die sich mit Haltung und Engagement öffentlich positionieren und sich in ihren Werken mit Themen wie Diktatur, Totalitarismus und Repression auseinandersetzen.

Bereits zwei Symposien sind bisher veranstaltet worden, das erste fand im Mai vergangenen Jahres in Bukarest, das zweite im November 2015 in Wien statt. Aufbauend auf den Ergebnissen der ersten beiden Tagungen wurden im Rahmen des Symposiums am Deutschen Staatstheater Temeswar die öffentlichen politischen Positionierungen von Jelinek und Müller thematisiert. Es wurden auch Inszenierungen diskutiert, die derzeit an zentralen Bühnen im deutschsprachigen Raum und in Rumänien zu sehen sind. Darüber hinaus präsentierten rumänische Studierende performative Umsetzungen von politischen Essays der beiden Autorinnen.

An dem Symposium, das als interkultureller Dialog angelegt ist, nahmen Experten aus Österreich und Rumänien teil. Im Folgenden die Meinungen einiger Teilnehmer:
Pia Janke (Universitätsprofessorin, Leiterin der Forschungsplattform Elfriede Jelinek an der Universität Wien): „Die Texte von Herta Müller und von Elfriede Jelinek sind sehr politisch, sie haben mit uns heute als Gesellschaft etwas zu tun, mit unseren aktuellen Lebenszusammenhängen, vor allem mit dem System, in dem wir leben, dem politischen System in Rumänien und in Österreich. Deswegen betrifft es uns ganz, ganz stark, sie arbeiten beide sehr sprachbezogen, sehr sprachkritisch, sie hinterfragen beide die Sprache. Es ist die öffentliche Sprache, die Sprache, mit der Politik gemacht wird, und deswegen betrifft uns alle, was die beiden Autorinnen sagen und was sie auch kritisch hinterfragen“.

Eleonora Ringler-Pascu (Universitätsprofessorin, Hochschule für Musik und Theater, West-Universität Temeswar): „Das Theater kann selbstverständlich die beiden Autorinnen besser vermitteln, weil das Theater ein Medium ist, das für ein größeres Publikum gedacht ist. Da es auch live passiert, kommt es viel besser an, als wenn man nur einen Text in der Stille liest. Und das Theater soll ja – weil es um politische Texte geht, sowohl bei Jelinek als auch bei Herta Müller – diese Proteste und die engagierte Haltung auch zum Ausdruck bringen“.

Michael Thalheimer (Regisseur, zurzeit am Deutschen SchauSpielHaus Hamburg): „Wenn es ein Medium gibt, das den Texten eine andere Sinnlichkeit gibt, dann ist es natürlich das Theater. Bei beiden Autorinnen ist es schwieriger, es sind sperrige Themen und der Zuschauer scheut sich, weil er per se in Ruhe gelassen werden möchte oder Unterhaltung sucht. Beides ist weder bei Jelinek noch bei Müller denkbar. Beide Autorinnen lassen den Zuschauer oder den Zuhörer nicht in Ruhe, im Gegenteil, er soll wachgerüttelt, aufgerüttelt werden und natürlich sind das im Höchstmaß politische Texte“.

Rita Thiele (Dramaturgin, Deutsches SchauSpielHaus Hamburg): „Elfriede Jelinek hat einmal gesagt, dass es schön ist, wenn die Sprache sprechen geht, sie ist ja Musikerin und sie schreibt sehr musikalisch, sie rhythmisiert, sie spielt mit Lauten und tatsächlich ist es eine Freude, als Theatermacherin ihre Texte zu entdecken. Herta Müllers Literatur ist schwieriger am Theater umzusetzen als die von Elfriede Jelinek, nicht aus inhaltlichen Gründen und nicht wegen der Sprache. Herta Müllers Literatur lebt von einer sehr bedrückenden Atmosphäre, die sie sehr virtuos herzustellen weiß. Ein großes Thema ist bei Herta Müller auch die Kommunikationslosigkeit und da ist etwas, was ihre Umsetzung im Theater schwieriger macht als die Texte von Elfriede Jelinek, wo eigentlich das Plappern das Thema ist, der Redestrom, der Überfluss an Sprache, die Montage aus verschiedensten Sprachen“.

Teresa Kovacs (Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Forschungsplattform Elfriede Jelinek, Universität Wien): „Ob die Generationen, die in 10 oder 20 Jahren die Texte lesen werden, einen besseren Umgang damit haben werden, weiß ich nicht, er wird aber auf jeden Fall anders sein. Das merkt man auch jetzt, ich kann das bei Jelinek sagen, dass mit jeder neuen Generation neue Blickwinkel, neue Perspektiven entwickelt werden und gerade bei ihr sieht man jetzt auch die globalen Fragestellungen, die in den Texten verpackt sind, die man vielleicht früher eher auf Österreich reduziert hat“.