Raus aus dem Hamsterrad!

Geschichten von Leuten, die sich entschlossen haben, die Welt zu bereisen

Jonathan Kubben Quinonez an einem exotischen Strand

Auf einem Liegestuhl unter Palmen sitzen und auf seinem Laptop tippen, dabei dem Rauschen der Wellen zuhören und ab und zu Latte Macchiato schlürfen. Nie mehr den Wecker auf sieben Uhr stellen, nie mehr bei Regenwetter in der übervollen U-Bahn zur Arbeit fahren, nie mehr im Stau stehen, nie mehr acht oder neun Stunden lang vor dem Computer an Excel-Tabellen arbeiten, nie mehr in der Mittagspause kalte Pizza aus Kartonschachteln essen und sich nach dem Wochenende sehnen: das ist der Traum vieler Menschen, nur sind es wenige, die ihn verwirklichen. Manchen kündigen nach jahrelanger Arbeit ihren gut bezahlten Job und reisen in einem Wohnwagen durch die Welt. Andere beschließen, ein Sabbatjahr zu nehmen, eine einjährige Pause vom Alltagsstress. Und dann gibt es noch die digitalen Nomaden: diese arbeiten nur von unterwegs. Ihr Büro ist überall, wo es Internetzugang gibt. Ob in einem Cafe in New York, auf einem privaten Strand in Sydney oder in einem Hotelzimmer in Rom - Hauptsache, die Arbeit wird pünktlich erledigt.

Geschichten von Leuten, die diesen Schritt gewagt haben, gibt es unendlich viele. Einige von ihnen berichten auf ihrem Blog über ihre Erfahrungen und inspirieren dabei auch andere. Auch in Rumänien steigt dieser Trend. Besonders in Bukarest, wo das Einkommen hoch ist und der Alltag besonders stressig. Manche haben jahrelang gespart, um sich ihre Reisen finanzieren zu können. Andere haben ihre Wohnungen oder Autos verkauft, um ihren Traum zu verwirklichen.

„Mutter, mir geht es gut!“

Nach fast 15 Jahren Arbeit für ein Großunternehmen in einem grauen Bürogebäude am Rande von Bukarest ist Alexandru eines Morgens aufgewacht und hat gesagt: „Stop“. Er hat noch am selben Tag seinen Job gekündigt und beschlossen, erst einmal durch die Welt zu reisen. „Es ist wunderbar, dass man dies tun kann. Die Leute glauben, man muss Millionär sein, um sich so etwas leisten zu können. Nichts ist falscher. Ich war ein einfacher Angestellter in einem Gebäude aus Stahl und Glas, der oft bis 22 Uhr abends vor dem Computer saß. Dauernd von einer Deadline zur anderen, immer kurz vor dem Burnout. Ich kann es nicht verstehen, wieso immer meine Karriere an erster Stelle stand und nicht die Gesundheit“, meint der 35-Jährige. Zur Zeit reist er durch Thailand und entdeckt nicht nur eine neue, exotische Kultur, sondern auch sich selbst.

Wer eine derartige Entscheidung trifft, muss in Kauf nehmen, dass er sich vom bisherigen Leben wenigs-tens für eine Zeit lang trennen muss. Und Alltagsleben ist nicht nur das Büro, sondern auch Familie und Freunde. Besonders die Eltern machen sich Sorgen, wenn ihr Sohn oder ihre Tochter einfach beschließt, sich in die weite Welt zu wagen. Eine Geschichte, die überall in der Welt Schlagzeilen machte, ist die von Jonathan Kubben Quinonez. Der junge Mann hatte seinen gutbezahlten Job in Brüssel gekündigt, sein Auto verkauft und ein Flugticket nach Kuba erstanden. Seine Mutter war aus diesem Grund sehr besorgt. Als Jonathan in Kuba angekommen ist, hat er ein Foto von sich gemacht. In der Hand hielt er einen Zettel, auf dem geschrieben stand: „Mom, I´m fine“ (Mutter, mir geht es gut). Ein Jahr lang ist der junge Mann durch die ganze Welt gereist. Und nie hat er vergessen, sich mit dem Zettel fotografieren zu lassen: ob beim Besteigen eines Gletschers, beim Fallschirmspringen, mit einem Surfbrett auf einem Strand in Neuseeland, vor dem Eiffelturm, vor der Christus-Statue in Rio oder in der afrikanischen Wüste. Die Fotos, die er auf seinem Blog veröffentlichte, machten ihn zur internationalen Berühmtheit. „Was am Anfang nur eine Methode war, seine Mutter zu beruhigen, wurde zu einer Kampagne, die dafür wirbt, Träume zu verwirklichen“, schrieb die Presse über Jonathans Geschichte.

Das Sabbatjahr wird zum Trend - auch in Rumänien

Man muss aber nicht komplett auf seinen Job verzichten, um eine Auszeit zu nehmen. Das Sabbatjahr, ein Konzept, das besonders in Westeuropa sehr populär ist, wird langsam auch in Rumänien ein Trend. Immer mehr Angestellte beantragen eine einjährige Pause - doch während manche Unternehmen in anderen Ländern ihre Angestellten während dieses Jahres bezahlen, ist das in Rumänien nicht der Fall. Das Ziel ist nicht nur ein einjähriger Urlaub, sondern eine Möglichkeit, zurück zu sich selbst zu finden. Eine von MyHRLab durchgeführte Studie kam zur Erkenntnis, dass ungefähr 70 Prozent der rumänischen Angestellten sich vorstellen können, eine Auszeit vom Job zu nehmen und ein Sabbatjahr einzulegen. Vermeiden von Burnout und Depressionen, Verwirklichung persönlicher Träume und Projekte, mehr Zeit für die Familie - das sind nur ein paar Gründe, weshalb sich immer mehr Leute für ein Sabbatjahr entscheiden.

Dabei müssen zwei Kriterien erfüllt werden: erstens, der Arbeitgeber ist einverstanden, dass der Angestellte nach einem Jahr Pause zu seinem Job zurückkehrt und zweitens, der Angestellte hat genügend Geld gespart, um sein freies Jahr so zu gestalten, wie er es sich vorstellt. Denn ein Jahr zu Hause vor dem Fernseher zu sitzen und bis Mittag zu schlafen ist wohl nicht gerade ein Traum.
Nach einer stressigen Phase bei der Arbeit entschied sich auch Gabriela, Geschäftsführerin eines Cafés in Kronstadt/Bra{ov, eine Pause einzulegen. „Ich habe mich gefragt: Wer bin ich und was ist für mich der Sinn des Lebens? Was brauche ich wirklich? Was sind meine Leidenschaften? Was würde ich tun, wenn ich ein freies Jahr hätte? Ich habe so viele Dinge gefunden, die ich tun würde, und dabei ist mir klar geworden, dass ein Jahr viel zu kurz dafür ist“, erinnert sich Gabriela. Ihre Familie stand zu ihrer Entscheidung. „Natürlich haben sie mich gefragt, ob ich nicht Geldprobleme haben werde. Aber ich habe allen vergewissert, dass es OK sein wird“. Es kann aber auch sein, dass Freunde und Familie die Idee nicht gut finden. So erging es Ana, die als Leiterin der Marketing-Abteilung in einem internationalen Unternehmen arbeitet. Ihren Beschluss, ein Jahr frei zu nehmen, um einen Schauspielkurs zu besuchen, fanden ihre Eltern kindisch und viel zu riskant. „Bist du verrückt geworden? Andere würden alles geben, um so einen Job zu haben, und du schmeißt ihn einfach weg“, hat ihre Mutter damals gesagt. Danach hat Ana beschlossen, noch ein Jahr zu warten. „Ich wollte wissen, ob der Wunsch nach einem freien Jahr dann noch immer in mir existieren würde, oder ob es nur eine Laune war“, meint sie. Jetzt macht sie sich Mut, es noch einmal zu versuchen: „Das Leben ist viel zu kurz und ich will meine schönsten Jahre nicht in einem Bürogebäude verschwenden.“

Gabriela stattdessen ist mit den 10.000 Euro, die sie gespart hatte, nach Teneriffa geflogen und besucht dort inzwischen mehrere Kurse. „Das Geld reicht für Unterkunft, Transport und Verpflegung. Mein Lebensstil hat sich nicht geändert. Natürlich achte ich mehr darauf, wofür ich Geld ausgebe. Und ich habe beschlossen, ein Jahr lang keine neue Kleidung und Elektronik zu kaufen. Ich bin einfach glücklicher“.

Die Zukunft gehört den digitalen Nomaden

Man muss auch keine Auszeit vom Job nehmen, um das ganze Jahr über durch die Welt zu reisen. Falls man als Autor, Übersetzer, Reisejournalist oder im Bereich des Online-Marketing, E-Commerce, Web- oder Grafikdesign arbeitet, kann man digitaler Nomade werden. Man arbeitet dann von unterwegs. „In der Regel handelt es sich um Leute, die ihre Arbeit dank des Internets unabhängig von einem festen Ort ausführen können. Digitale Nomaden nutzen neue Technologien und arbeiten häufig aus Cafés, Coworking Spaces und Hotelzimmern - Hauptsache, es gibt Internetverbindung. Natürlich werden dabei Länder mit gut ausgebauter technischer Infrastruktur bevorzugt, damit wir unseren Beschäftigungen nachgehen können. Es ist ärgerlich, wenn kurz vor Abgabetermin das Internet plötzlich ausfällt“, meint Dan. Seit vier Jahren arbeitet er als freiberuflicher technischer Übersetzer – sein Büro ist überall auf der Welt. Dabei kann er beides tun: Geld verdienen und in Länder reisen, von denen er immer geträumt hat.

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Interessante Blogs zum Thema

www.pinkcompass.de - ein Reiseblog für alleinreisende Frauen. Die Autorin hat im Jahr 2013 alles verkauft und ist seither unterwegs.

https://momimfine.com - der Blog von Jonathan Kubben Quinonez

http://www.unanhaihui.ro - ein rumänisches Paar reist um die Welt und berichtet über seine Erfahrungen

http://oneworldoneyear.com/ - ein amerikanisches Ehepaar gibt Tipps für Leute, die die Welt bereisen wollen. 2014 haben Mark und Britnee ihre Jobs gekündigt, um ein Jahr lang durch die Welt zu reisen.

lipa-lipa.ro - der Blog von Simona und Alex, die sich im Jahr 2014 entschlossen haben, digitale Nomaden zu werden