Respekt auch vor der Zukunft haben

Offener Brief an den Stadtpfarrer von Hermannstadt, Herrn Kilian Dörr, an das Presbyterium und die Gemeindevertretung

Sehr geehrter Herr Stadtpfarrer Dörr, sehr geehrte Damen und Herren, nachdem Sie mir freundlicherweise die Einsichtnahme in die Gutachten und Renovierungsvorschläge der Ingenieurbüros Popp&Asocia]ii (Bukarest), Barthel &Maus (München) und Dr. Krekeler (Brandenburg) ermöglicht haben, möchte ich noch-mals zu den geplanten und wohl teilweise schon ausgeführten Renovierungsarbeiten an der Stadtpfarrkirche von Hermannstadt Stellung nehmen.
Sie teilten mir mit, dass Sie sich für den Sanierungsvorschlag des Büros Popp&Asocia]ii  entschieden haben und diesen, wenn möglich, noch in diesem Jahr realisieren möchten. In der zweiten Phase sollen nun die Wände, der Turm und die Fundamente saniert werden.

Leider ist das Konzept von dieser Firma, die keine Erfahrung mit historischen Bauwerken hat,  ausschließlich auf modernen ingenieurtechnischen Gesichtspunkten aufgebaut, ohne  Rücksichtnahme auf denkmalpflegerische Grundsätze. Es ist unverständlich, wieso die nationale Denkmalkommission eine solche Variante genehmigt hat. Diese Behörde hat kein Interesse daran, einem Baudenkmal, das beinahe 700 Jahre überstanden hat, durch eine falsche Sanierung Schaden zuzufügen. Ich befürchte Schäden, da der Vorschlag von Popp&Asoc. das Einbringen von Bewehrungsstäben  in die Wände von Turm und Kirche mittels Bohrungen vorsieht, die anschließend mit Epoxidharz verpresst werden sollen. Die Maßnahme wird begründet mit rechnerischen Zugspannungen im Mauerwerk, die bei Erdbeben auftreten. Sie werden aufgrund von einem mehr oder weniger der Wirklichkeit entsprechenden Modell und vielen Annahmen, die den Berechnungen zugrun-de liegen, ermittelt und liegen (sehr) auf der sicheren Seite. Im Turm z. B. wurden diese Zugspannungen in verschiedenen Höhen ermittelt.

Da wo sie die zulässigen Werte übersteigen, müssten horizontale Risse zu sehen sein. Nach Barthel &Maus ist nur ein feiner vertikaler Riss im Unterteil festzustellen, der völlig unbedenklich ist. Gegen die Berechnung steht die nun bald 700-jährige Erfahrung mit dem Gebäude, das diese lange Zeit gut überdauert hat. In solchen Fällen gilt Bestandsschutz. Es müsste jetzt mit den gleichen konstruktiven Methoden und vergleichbaren Materialien wieder ertüchtigt werden. Erschreckend ist die vorgesehene Verwendung von Epoxidharzmörtel, mit dem sowohl die Mauerinjektionen, als auch das Auspressen der Bohrlöcher für die Bewehrungsstäbe ausgeführt werden sollen. Epoxidharze sind chemisch organische Verbindungen. Sie altern und verlieren ihre mechanischen Eigenschaften (Festigkeit) mit der Zeit. Es gibt noch keine Langzeiterfahrungen mit diesen Materialien. Auch wenn sie baubehördlich zugelassen sind (wovon ich ausgehe), wird keine Zulassung eine nach oben unbegrenzte Lebensdauer vorsehen und garantieren. Ich habe in meiner Ingenieurlaufbahn dieses Material auch eingesetzt, aber bei Industrie-Schornsteinen aus Stahl mit einer Lebensdauer von 30 bis 40 Jahren! Außerdem ist Epoxidharz hitzeempfindlich und keineswegs brandsicher. Brände können auch in Kirchen entstehen. Wir haben es unlängst in Nürnberg erlebt.

Unsere Kirche wurde zu Gottes Ehren gebaut, nicht nur für ein Menschenalter. Natürlich werden die Verursacher die Schäden nicht mehr erleben und fühlen sich daher auch nicht in der Verantwortung, aber eine Sanierung dieser Sanierung ist nicht möglich. Es werden also zukünftige irreparable Schadensursachen eingebaut, die nicht rückgängig gemacht werden können. Die Maßnahmen sind irreversibel. Ebenso ist der Einsatz von Stahlbeton zur Sanierung historischer Bauwerke das falsche Material. An Stellen, wo Luft dazu kommen kann, findet die sogenannte Karbonatisierung statt. Der Beton verändert sich und verliert seine Eigenschaft, die Bewehrung vor Korrosion zu schützen. Nach ca 60 bis 80 Jahren ist er sanierungsreif. Ihn zu ersetzen ist fast unmö-glich.Bei den Fundamenten würde eine Unterfangung der Außenwände (wo nötig) und die Fundierung aller Elemente auf gleicher Höhe, insbesondere der Strebepfeiler und des Bereiches des Treppenturmes genügen.

Relevante Setzungsschäden und Schäden, die auf Erdbeben zurückzuführen wären, sind nicht erkennbar (s. Gutachten Barthel&Maus).Es ist mir nicht verständlich, warum kein mit den heute in Europa allgemein akzeptierten Grundsätzen einer behutsamen Denkmalpflege kompatibles Sanierungskonzept der Kirche zum Zuge kommen soll. Natürlich müssen die Arbeiten von einheimischen Firmen ausgeführt werden. Es sollen nicht Ausländer daran verdienen. Aber das Konzept sollte man in erster Linie nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten festlegen. Jenes von Popp&Asocia]ii ist dazu sicher nicht geeignet. Es kann auch nicht sein, dass einem bauhistorisch so wichtigen Gebäude wie der Stadtpfarrkirche von Hermannstadt durch eine Renovierung Schaden zugefügt werden soll, nur weil die genehmigende Behörde sich auf den Nachweis der Erdbebensicherheit nach den heute gültigen Normen versteift. Da hat auch der Bauherr ein Wort mitzureden. Er trägt letztendlich die Verantwortung.

Wenn die Stadtpfarrkirche nach dem Konzept von Popp&Asoc. renoviert wird, ist zu befürchten, dass weitere historisch bedeutende Gebäude ähnlichen Maßnahmen unterzogen werden, seien es nun Kirchen oder orthodoxe Kathedralen. Die Kirche von Hermannstadt sollte auf keinen Fall als Lehrstück und Vorbild für Renovierungen dieser Art herhalten. Dafür ist sie ein zu wertvolles Bauwerk, gehört sie doch zu den wichtigsten Zeugen gotischer Baukunst aus dem 14. Jahrhundert in diesem Raum.Daher bitte ich Sie, innezuhalten und den weiteren Verlauf der Arbeiten genau zu überdenken. Wir sollten auch Respekt vor der Zukunft haben, nicht nur vor der Vergangenheit.