Röntgenbild einer Dynastie

Die Bedeutung der Hohenzollern-Könige und ihrer Gemahlinnen für Rumänien

Interessante Gedanken und hochkonzentrierte Informationen boten Silvia Irina Zimmermann, Anneli Ute Gabanyi und Edda Binder-Iijima. (v.l.) Foto: George Dumitriu

Monarchie – für die einen steht sie für verstaubte Vergangenheit, für die anderen als Alternative zu korrupten Politikern ohne Moral, die die Gesellschaft spalten: der König als Vorbild, als schlichtender Mittler nach innen, als einigender Vertreter nach außen; der Hof als Begegnungsort für Diplomatie und Gesellschaft. Was uns die Geschichte Rumäniens zu diesem Thema lehrt, vermittelten am 13. September im Kulturhaus „Friedrich Schiller“ drei Expertinnen von Rang und Namen in der Konferenz „Die Hohenzollern in Rumänien 1866-1947 und die historischen rumänisch-deutschen Beziehungen“, organisiert von Aurora Fabritius.


Dr. Edda Binder-Iijima aus Göttingen analysiert das Vermächtnis der Könige vor ihrem historischen Hintergrund: Karl I. und Ferdinand I. als Symbole für Einigkeit und Stabilität, Carol II. als Despot, Michael I. als Hoffnungsträger. Dr. Silvia Irina Zimmermann (Forschungsstelle Carmen Sylva, Fürstlich Wiedisches Archiv Neuwied) beleuchtet die Rolle der Königinnen Elisabeth und Maria, während Dr. Anneli Ute Gabanyi den Gedanken der historischen und juristischen Rechtmäßigkeit der konstitutionellen Monarchie aufwirft. Diese wurde nicht nur bei der Installation des kommunistischen Regimes ignoriert, sondern auch bei dessen Umsturz und der Schaffung der heutigen Staatsform.

Karl I. und Ferdinand I.: politische Mittler und Vorbilder

Karl von Hohenzollern-Sigmaringen trat seine Herrschaft mit dem Stolz an, einer veritablen Dynastie anzugehören, aber auch mit dem festen Ziel, das zurückgebliebene Land in einen modernen Staat zu transformieren, erklärt Binder-Iijima. Rasch wollte er die Abhängigkeit vom Osmanischen Reich beenden, die er als Schande empfand. Seine ersten vier Jahre gestalteten sich als schwierige Lehrzeit, geprägt von politischen Konflikten zwischen Regierung, Parlament und Königshaus.

Die Krise spitzte sich im Deutsch-Französischen Krieg zu: Karl sympathisierte mit Deutschland, die rumänische Gesellschaft mit Frankreich. Karl, der fest mit einem deutschen Sieg rechnete, trug sich mit dem Gedanken, abzudanken und nach Deutschland zurückzukehren. Er befürchtete schwerwiegende Konsequenzen für Rumänien, wenn es auf der „falschen“ Seite stünde.

Früh entschloss sich Karl, sich aus dem tagespolitischen Geschehen zurückzuziehen. Er transferierte diese Aufgabe den Ministern, während er im Konfliktfall als Mittler fungierte und Kompromisse suchte. Damit hatte er sich zum einen über die Ebene der politischen Akteure erhoben, andererseits die rumänische Tradition gewahrt, in der die Elite der Bojaren eine wesentliche Rolle in der Politik spielten.

Karl etablierte eine rotative Regierung, wobei eine der beiden großen Parteien alle vier Jahre abwechselnd die Führung übernahm. Für sich selbst reservierte er zwei Bereiche: die Armee und die Außenpolitik. Ansonsten erfüllte der König vorwiegend repräsentative Aufgaben und schuf damit die Basis für eine solide konstitutionelle Monarchie. „Setzten wir die rumänische Monarchie in europäischen Kontext, kann man sagen, dass sie sich voll in das Umfeld europäischer Monarchien integrierte“, urteilt die Expertin. Und fügt an: „Allgemein hat sich die Monarchie im Laufe des 19. Jh. von der direkten Macht zurückgezogen und eher repräsentative Funktionen übernommen, um für die Gesellschaft als Faktor der Integrität zu fungieren, was man vor allem an England sieht.“

Die Verdienste Karls I. sind die Unabhängigkeit Rumäniens, die Stabilisierung des Staates und die Sicherung einer anerkannten Position in Europa. Mit den ungelösten sozialen und landwirtschaftlichen Problemen, die in die Zuständigkeit der Parteien fielen, wird er nicht in Verbindung gebracht.

Sein Nachfolger und Neffe Ferdinand I. hatte diese Art von Monarchie weiter konsolidiert - und von ihren deutschen Wurzeln emanzipiert. Im Ersten Weltkrieg akzeptierte Ferdinand die Entscheidung der politischen Elite, sich der Entente anzuschließen und gegen Deutschland zu kämpfen! Dadurch verlor er die Gunst der Hohenzollern, doch für Rumänien wurde er zu einem nationalen Symbol und zur Frontfigur der Großen Vereinigung.

Das politische Tagesgeschehen legte der König in die Hände der Nationalliberalen Partei unter I. C. Brătianu, deren Bemühungen sich auf Industrialisierung, Zentralisierung der Verwaltung und Rumänisierung der Bildung konzentrierte.

Starke Königinnen: Elisabeth und Maria

Karl und Ferdinand konsolidierten die Monarchie, waren Garant für innere Stabilität, stärkten die Position Rumäniens im Ausland, galten als Vorbilder für moralische Integrität. Die Königinnen aber gaben dem Land ein Gesicht: Elisabeth und Maria zeichnete eine „für Rumänien außergewöhnliche Öffentlichkeitspräsenz und Lobbyarbeit“ aus, lobt Silvia Irina Zimmermann.

Was sie mit ihren Ehegatten verband, war die bedingungslose Hingabe für das Land. Karls Gemahlin, Elisabeth von Wied, nach dem Tod ihrer einzigen Tochter kinderlos geblieben, fand ihre Rolle als Schriftstellerin. Unter dem Pseudonym Carmen Sylva hinterließ sie ein reichhaltiges geistiges Erbe, rumänische Dichtkunst und Literatur wurden dank ihrer Aufzeichnungen in ganz Europa bekannt. Sowohl sie als auch Ferdinands Gemahlin Maria machten rumänische Bauerntrachten salonfähig und schufen einen neuen Modestil.

Zimmermann teilt die Rolle der Königinnen in vier Aspekte ein: die Königin als Landesmutter, als Botschafterin, als Dichterin, als Soldatin. Beide zeigen ihre Verbundenheit mit dem rumänischen Volk durch das Tragen rumänischer Trachten. Beide unterstützen und begleiten ihre Ehemänner bei Auslandsreisen.

Die Rolle der Dichterin wird von beiden eingenommen, doch auf unterschiedliche Weise. Auf dem Schlachtfeld des Ersten Weltkriegs zeigt Maria Präsenz als Krankenschwester, den Soldaten vermittelte sie Kampfeswillen und Vertrauen in den Sieg, selbst wenn keiner mehr daran glaubte. Elisabeth richtete während des Unabhängigkeitskrieges 1877-1878 ein Lazarett zur Verwundetenpflege im Schlosspark von Bukarest ein.

Dynastische Krise unter Carol II.

Die erste dynastische Krise beginnt mit Ferdinands Sohn Carol. Sein Leben war bereits vor der Thronbesteigung von Skandalen geprägt: Nach einer nicht standesgemäßen Ehe mit Zizi Lambrino heiratete er Elena von Griechenland, der Ehe entsprang Sohn Michael. 1925 verließ Carol die Familie, zog mit seiner Geliebten Elena Lupescu nach Paris und verzichtete auf den Thron. Doch der Tod Ferdinands und I. C. Brătianus 1927 hinterließ eine politische Lücke, die der minderjährige Thronfolger Michael I. nicht füllen konnte. 1930 kehrte Carol ins Land zurück.

Sein Versprechen, die Beziehung mit Lupescu zu beenden, ignorierte er und der Hof verlor eine wichtige Funktion als Begegnungsort der Gesellschaft. Der König war nicht länger Vorbild für Werte und Moral. Als autoritärer Diktator – 1938 löste er die Parteien auf, ersetzte sie durch eine einzige, der er vorstand und setzte die Verfassung von 1923 außer Kraft - verlor Carol II. die übergeordnete Mittlerrolle als König und stieg auf die Ebene politischer Konflikte herab. 1940 zwingt ihn Marschall Ion Antonescu, abzudanken. Sein Erbe: eine politische Destabilisierung des Landes mit sozialen Spannungen und Krisen.

Michael I.: Hoffnungsträger

Michael I. bestieg den Thron mit 19 Jahren. Die Monarchie war in einer schwierigen Phase, ihre Glaubwürdigkeit und politische Macht waren verloren. Antonescu hielt den jungen König fern vom Geschehen und behandelte ihn herablassend wie ein Stück Dekor. Dennoch brauchte er die Institution der Monarchie für seine eigene Legitimierung, vor allem vor der Armee. Die sieben Herrschaftsjahre Michaels sind von Krisen gebeutelt: Militärdiktatur, Legionärsbewegung, Judenverfolgung, Zweiter Weltkrieg mit Seitenwechsel Rumäniens, Besetzung durch die Rote Armee, Installation des Kommunismus.

Trotz allem konnte er zusammen mit Königinmutter Elena die Würde und Integrität des Throns wieder herstellen. Von linken und rechten Diktaturen unangetastet, blieb seine Monarchie die letzte Institution, die symbolisch für Unabhängigkeit und nationale Freiheit stand, resümiert Binder-Iijima. Nach der Machtübernahme durch die Kommunisten wurde der König im Exil zum Sinnbild eines freien Rumäniens. Nur für die Kommunisten war seine Existenz eine permanente Erinnerung an die Illegitimität ihres Regimes.

Historische und juristische Legitimität der Monarchie

Mit dem Thema Legitimität der Monarchie und der Frage, ob man nach dem Fall des Kommunismus nicht die konstitutionelle Monarchie auf Basis der 1923 erlassenen Verfassung wieder hätte installieren sollen, oder zumindest ein Referendum durchführen, befasst sich die Politikwissenschaftlerin Anneli Ute Gabanyi.

Sie verrät: Seit der Absetzung von König Michael I. bis zum Jahr 1997, als er die rumänische Staatsbürgerschaft wiedererlangte, war das Thema Monarchie hoch umstritten. Warum die Angst der Kommunisten vor der Monarchie? Weil nur die Monarchie historische und juristische Legitimität besaß, zeigt die Expertin auf.

Nicht nur der Regierung von Petru Groza, 1945 von den Sowjets installiert, sondern auch der Nationalen Rettungsfront, die nach dem Dezember 1989 die Macht übernahm, fehlte die historische Legitimität – weshalb man versuchte, sich eine juristische zu konstruieren: Am Tag der Absetzung des Königs im Dezember 1947 beeilte sich die Regierung, die Verfassung von 1923 zu widerrufen und eine neue Staatsform auszurufen.

Ein provisorischesPräsidium übernahm die exekutive Macht. Kurz nach dem Verbot der historischen Parteien wurde 1948 die sozialdemokratische mit der kommunistischen Partei zur Rumänischen Arbeiterpartei zwangsfusioniert. Diese erhielt bei der Großen Nationalversammlung am 18. März 1948 – illegal, betont Gabanyi – eine überwältigende Mehrheit und nahm eine neue Verfassung an.

Die „zweite Entthronung“ geschah nach der Revolution von 1989: „Die Urheber des revolutionären Staatsstreichs haben den antikommunistischen Aufstand der Bürger, die dem kommunistischen System ein Ende setzen wollten, einfach konfisziert“, erklärt Gabanyi. Obwohl alles scheinbar spontanen Charakter hatte, wurde extrem berechnend vorgegangen, das geschaffene Machtvakuum geschickt genutzt.

Am 22. Dezember 1989 hob die Nationale Rettungsfront die Macht der Institutionen des alten Regimes auf, nicht jedoch die Verfassung von 1965, auf der ihre Funktionen basierten. Diese blieb in Kraft bis zur Annahme der neuen Verfassung im Dezember 1991. Hätte die neue Führung nur die kommunistische Verfassung aufheben wollen, hätte man die Wiedereinführung der konstitutionellen Monarchie auf Basis der Verfassung von 1923 andenken können, ähnlich wie in Spanien nach dem Tod des Diktators Franco.

König Michael wäre dafür bereit gewesen. Von einem Journalisten befragt, antwortete er: „Wenn das Volk dies von mir verlangt, versichere ich einen Übergang im selben Geist wie in Spanien durch König Juan Carlos. Das Modell der spanischen konstitutionellen Monarchie ist verführerisch. Es würde mit Sicherheit für Rumänien passen.“

Wollte die neue politische Machtstruktur die Rückkehr der Monarchie um jeden Preis verhindern? Durch die Ausschaltung Ceaușescus erlangte sie nicht nur politische Macht, sondern auch Kontrolle über die wirtschaftlichen Ressourcen. In kürzester Zeit waren die Valuta-Reserven des Staats ausgegeben. Die Unterstützung des Volks sicherte man sich durch wirtschaftlichen Populismus und die schnelle Aufhebung einiger unpopulärer Gesetze aus diktatorischer Zeit, etwa die Rationalisierung der Lebensmittel oder die Begrenzung des privaten Energieverbrauchs.

Zudem wurden gezielt Maßnahmen gegen eine Wiederinstallation der Monarchie getroffen: Die Nationale Rettungsfront steuerte durch das neue Wahlgesetz die Festlegung der neuen Staatsform. Die Möglichkeit eines Referendums wurde nicht in Erwägung gezogen. In die Verfassung von 1991 hatte man außerdem Barrieren eingebaut, die eine Wiedereinführung der Monarchie heute nahezu unmöglich machen, erklärt Gabanyi.

König Michael I. ist 2017 verstorben, seine Tochter Margareta ohne Zweifel eine würdige Nachfolgerin. Ob das Land als konstitutionelle Monarchie langfristrig besser bedient gewesen wäre, lässt sich freilich schwer beantworten, wie das Beispiel der Dynastie der Hohenzollern in Rumänien verdeutlich.

Mit welcher Erinnerung verbleiben wir an König Michael? Ein Zufall scheint zu dieser Frage unbedingt etwas beitragen zu wollen: Just am Morgen nach der Veranstaltung stieß die Autorin dieser Zeilen bei der Lektüre des Buchs „Dumnezeu mă vrea aici. Radu Carp în dialog cu Eginald Schlattner“ im Zug auf dem Weg zur Arbeit auf eine interessante Passage. Sie befasste sich mit der Entscheidung König Michaels zum Frontwechsel im Zweiten Weltkrieg. Er habe damit den Krieg um ca. sechs Monate verkürzt, zitiert Schlattner die aktuelle Meinung der Historiker. Bei einer Lesung in Deutschland, erzählt er weiter, meldete sich ein Zuschauer: Hätte der Krieg sechs Monate länger gedauert, wäre die erste Atombombe mit Sicherheit auf Deutschland gefallen...