Rollervergnügen

Symbolfoto: freeimages.com

Seit ich Tretrollerfahrer bin, hat sich mein gut zweistündiger Arbeitsweg auf wundersame Weise in Fitness-Qualitätszeit transformiert. Nach dem Winter, wo Eis und Schnee das Rollervergnügen verhinderten, schlägt im Frühling das Glück umso heftiger wieder zu: Stirnband auf, Turnschuhe an, und vorbei an stauenden Autoschlangen, den Wind in den Haaren, die Sonne im Gesicht. Im Slalom zwischen dahinhastenden Fußgängern, Wartenden auf den Bus, Straßenlöchern und bodennah abgeschnittenen Stangen, die da oft – dreizentimeterkurz, doch lang genug, um sich den Hals zu brechen – aus dem Gehweg ragen. Mit der Zeit kennt man seine Hindernisse. Nur ein paar Klitzekleinigkeiten nerven... Fußgänger zum Beispiel. Entweder in Gruppen, die sich wie Kühe aneinanderdrängen, wenn man in der Mitte durch will, oder sie watscheln, mit der Nase am Handybildschirm klebend, blind und taub vor einem her. Eilig Hastende haben die rechte Hand ans Ohr gepresst, die linke wird zum Ausgleich wie eine Antriebskurbel weit ausholend auf- und abgeschwungen. Überholen unmöglich. Die Dame mit den beiden Labradors an der Leine sperrt einen drei Meter breiten Weg. Ähnlich die vier Leute, die im angeregten Gespräch nebeneinander herlatschen und gleich Fuß- und Radweg blockieren. Vollbremsung. Während ich kurz überlege, ob es nicht schneller wäre, den Roller über den nassen Rasen zu tragen, rückt einer ein ganz, ganz winziges Stückchen beiseite. Meine Füße bleiben trocken – aber der Schwung ist auch weg.

Tja, und dann wären da noch die Autos... Parkenderweise vor allem, auf dem Gehsteig. Der Spiegel, der natürlich nicht eingeklappt wurde, versperrt den winzigen Spalt, durch den man sich hätte zwängen können. Versucht man es trotzdem, geht auf der einen Seite der Alarm an, auf der anderen bleckt ein wild bellender Hund seine Zähne durch den Zaun. Oft sind sogar beide Gehsteige verparkt, sodass man nur auf der Straße rollern kann. Dort erntet der Rollerfahrer jedoch statt Rücksicht wildes Hupen von hinten. Und wenn man nicht augenblicklich beiseite springt, ein halsbrecherisch knappes Überholmanöver. Rollerfahrer sind Freiwild auf Bukarests Straßen. Wenngleich die Radler des Rollerfahrers Probleme bisweilen teilen, lässt auch ihr Verhalten manchmal zu wünschen übrig: In der Dämmerung kommen sie dahergeschossen, selbstverständlich ohne Licht. In letzter Sekunde wird bei unverminderter Geschwindigkeit durch eine kaum merkliche Geste signalisiert, ob sie links oder rechts vorbeiwollen. Oder eben nicht.

Am schönsten ist es, frühmorgens mit Schwung durch fast leere Parks zu stieben. Keine unberechenbaren Kleinkinder, keine hinterherkläffenden Schoßhündchen, nur die strahlende Morgensonne, der glatte Asphalt und ich. Ob ich heute mal die andere Strecke probiere? Aber oh weh, alle fünf Meter liegt ein dicker Gartenschlauch quer über dem Weg. Absteigen, Roller drüberheben, aufsteigen, insgesamt fünfzehn mal. Rollerhürdenlauf. Blöder Sport! Tja, und dann sind da noch die anderen Tretrollerfahrer... Ein kurzer, anerkennender Blick, während man aneinander vorbeibraust. Erstaunlich viele sind es mittlerweile. Junge Männer in Jeans oder Anzug, sportliche Mädchen mit neonrosa Rucksack, rollende Mütter mit beirollenden Schulkindern – und mittendrin ich, als Prototyp einer eigentlich nicht mehr (oder noch nicht!) rollenden Generation. „Bravo!” oder „Respekt!” rufen mir manchmal die Rentner zu, die ich im Park schnittig überhole. Wahrscheinlich denken sie an das Lied von Udo Jürgens: „Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an”.
Mit einem Tretroller sogar ein wenig früher!