Rückblick und Ausblick auf historische Prozesse

Abschluss des Projekts „Migration im Donauraum“ und Ausschau auf 1918

Zum Abschlussprogramm des MI-Danu-Treffens von Ulm gehörte – auf Verlangen der Teilnehmer aus Osteuropa – auch der Besuch von neu gestalteten deutschen Museen, darunter in Stuttgart das Landesmuseum Württemberg. Hier die Teilnehmergruppe vor dem Museumseingang.

Vier umfangreiche Ausstellungskataloge in Deutsch, Rumänisch, Ungarisch und Serbisch und ganze Päckchen Flyer mit Hinweisen auf die Website des Projekts MI-DANU „Migration im Donauraum“ lagen auf, als sich die Teilnehmer aus vier westrumänischen, je einem ungarischen und serbischen und dem Donauschwäbischen Zentralmuseum in Ulm zu ihrer Abschlussbesprechung trafen. Die Atmosphäre war eine des Wiedersehens zwischen Bekannten, die Gespräche ohne die in den Anfangsjahren der Museumspartnerschaft noch geübte Zurückhaltung und politisch korrekte Vorsicht, der Ton der des Vertrauens.

Durchwegs alle Teilnehmer am Projekt berichteten zum Abschluss der Wanderausstellung über 300 Jahre Ostmigration der „Deutschen“ (die Anführungszeichen, weil nicht alle Deutsche waren, aber in den Wiener Kanzleidokumenten als solche geführt wurden) von Erfolgen hinsichtlich der Besucherzahlen, von der Wirkung der Inhalte, von dem Aufsehen und der Beachtung, die man der „deutschen Frage“ (wieder) entgegenbringt. Das auch in Gebieten, wo die Nachkommen der Migranten des 18. Jahrhunderts im 20. Jahrhundert aufgrund kollektiver Schuldzuweisungen Furchtbares erlitten haben. Vor allem in der zu Serbien gehörenden Vojvodina und – erstmals unumwunden in diesem Rahmen zugegeben – auch in Ungarn. Rumänischerseits war da in erster Linie das Bedauern über die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte herauszuhören, über die Entvölkerung ganzer Landstriche von Deutschen und die wirtschaftlich-sozialen Folgen derselben.

80 Ortschaften mit deutschen Spuren

Den Medien und den Geldgebern – die Träger des Donauschwäbischen Zentralmuseums und die Europäische Union – wurde der Ist-Zustand des Internetauftritts stichprobenweise gezeigt, der sich als eine Komplementärstudie zur Ausstellung und als Grundlage zu eventuellen Reisen „auf den Spuren der Deutschen entlang der Donau“ versteht. Vorgestellt werden rund 80 Ortschaften im Donauraum, wo es heute noch sichtbare deutsche Spuren gibt: in der Architektur, in der ländlichen Wirtschaft und in der Landschaftsgestaltung, in Bräuchen und Mentalitäten. Die definitive Form des Auftritts soll bis zum Jahresende fertig sein.

Bezüglich der künftigen Zusammenarbeit hat sich gegenüber der letzten ausführlicheren Besprechung der Partnermuseen in Temeswar eine Änderung ergeben. 2014 gibt es nicht mehr die geplante (teilweise gemeinsame) Ausstellung über das, was eigentlich alle Institutionen der Erinnerungskultur 2014 machen, nämlich an den Beginn des Ersten Weltkriegs zu erinnern. Umstandsbedingt und vor allem aus finanziellen Gründen macht das Donauschwäbische Zentralmuseum Ulm einen Alleingang: eine Ausstellung mit Kriegspostkarten von László Moholy-Nagy, welche das Museum für eine saftige Leihgebühr von der Budapester Moholy-Nagy-Stiftung übernimmt.

Russlanddeportation oder „Malenky Robot“

Hingegen kam von Judith Müller vom Museum in Pécs der durchaus positiv aufgenommene Vorschlag, zu Beginn des Jahres 2015, wenn sich im Januar 70 Jahre seit der Deportation der Deutschen aus Mitteleuropa in die Sowjetunion zur „Wiederaufbauarbeit“ (in Ungarn spricht man von „Malenky Robot“) erfüllen, eine Aufarbeitung in Form einer Ausstellung vorzunehmen, zu der auch die Vertreter der Nachwendeorganisationen der Deutschen in Rumänien, Ungarn und Serbien sowie auch einige darauf spezialisierte Forscher als Partner herangezogen werden sollen. Inwieweit die Landsmannschaften ebenfalls zur Beteiligung aufgefordert werden, das ließ man einstwei-len offen, zumal nicht alle Museen mit den Landsmannschaften Kontakte pflegen (oder umgekehrt).

Das zweite Projekt, zu welchem sich der Vier-Länder-Museumsbund bereits in Temeswar zustimmend geäußert hatte, ist politisch schwierig, weil die Nationalismen, die in den Nachfolgestaaten der k.u.k.-Doppelmonarchie immer noch für Ressentiments sorgen, eine politisch-nationalistisch unbelastete Sicht auf das Europa nach 1918 trüben. Umso reizvoller – und umso schwieriger in allen durch die Pariser Vorortverträge geschaffenen Staaten vor den Finanzierungsgremien der Partnermuseen zu vertreten – bleibt eine wissenschaftlich ausgewogene und geraden Rückgrats vertretbare Darstellung des Europas nach dem Ersten Weltkrieg. Deutschland hat da durch die Umerziehungsmaßnahmen zur political correctness durch die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg einen Vorsprung. Ob der aber übertragbar ist auf Museen in Ungarn, Rumänien und Serbien?

Der Reiz des politisch Schwierigen

Denn zum Unterschied zum „Malenky Robot“-Projekt, wo die Dinge – vor allem in Rumänien – ziemlich klar sind und wo, durch die osteuropäischen Ressentiments gegen Russland, auch eine Art „Feindbild“ herrscht, ist das Projekt „Europa nach 1918“ unvergleichlich schwieriger, weil die immer noch schwelenden unerfüllten Souveränitäts- und Territorialansprüche (in aller Öffentlichkeit und trotz EU-gefördertem Zusammenwachsen) in den Hinterköpfen mancher Menschen – selbst Historiker – nachwirken. Trotzdem – oder gerade deshalb – ist das Projekt reizvoll und anregend und sollte (voll und ganz im Sinne der EU und eines wieder zusammenwachsenden Europa) unbedingt weiter auf der Tagesordnung bleiben und möglichst zu einer Ausstellung führen. Bei allem Risiko und mit dem ganzen zusätzlichen Aufwand der Aufklärung.

Denn die Konfiguration der Museumspartnerschaft ist wie geschaffen für ein solches Projekt: Ein Museum kommt aus Deutschland, das sich am Ende des Ersten Weltkriegs nie als besiegt, aber als bestraft gefühlt hat; eines aus dem ehemaligen Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen; vier aus dem ehemaligen Königreich  Großrumänien – und zwar aus Gebieten, die vor dem Ersten Weltkrieg nie in ihrer Geschichte zur Walachei oder zur Moldau bzw. den Donaufürstentümern gehört haben, jedoch von einer großen Zahl von Rumänen bewohnt wurden – und eines aus Ungarn, das durch den Willen der Siegermächte des Ersten Weltkriegs schmerzhafte Einbußen hinnehmen musste, womit sich die Herzensungarn nie abgefunden haben. Es ist ein Thema, das aus den unterschiedlichen Perspektiven heraus für viel Gesprächsstoff und Denkanstöße sorgen kann. Wenn auch der Wille dazu und die vorbehaltlose Teilnahmebereitschaft da ist.