Sag’s durch die Blume

Grafik: sxc.hu

Manchmal gibt es Geschichten, die gibt‘s gar nicht. Zum Beispiel die des Herrn, der mindesten zweimal pro Woche in der Redaktion auftaucht, mit dem Bestreben, man möge über ihn schreiben. Oder doch zumindest beachten, was er seinerzeit alles geschrieben, bewirkt und bewegt hätte – denn von der heimlichen Sabotage der Zensur im kommunistischen Rumänien bis zur Gründung einer demokratischen Ländergemeinschaft durch ein von ihm verfasstes Lied geht kein Verdienst an ihm vorbei. Vermutlich war er nicht nur an der Geburt der Demokratie, sondern auch an der Schöpfung der Welt direkt und unmittelbar, zumindest aber durch ein Lied, beteiligt. Geduldig hörte ich mir beim ersten Kontakt seine Geschichte an, zu höflich, ihn zu unterbrechen. Zumal dies ohnehin nur durch brüskes Hinauswerfen möglich gewesen wäre. „Ich komme nächste Woche wieder!“ rief er endlich freudig im Weggehen.

Und er hielt Wort. Da ich den Herrn nicht beleidigen wollte, jedoch keine Zeit für eine Wiederholung der Erstaufführung hatte, gab ich jedes Mal vor, „ausgerechnet heute“ besonders beschäftigt zu sein. Wochenlang, mindestens zweimal. Doch er ließ sich nicht entmutigen. Auch die Masche „geben Sie mir doch Ihre Telefonnummer, ich rufe Sie an, wenn ich was brauche“, zog nicht. Im Gegenteil, nun hatte ich erst recht Interesse bekundet!
Zu allen möglichen und unmöglichen Zeiten begegnete mir fortan auf dem Flur das längst wohlvertraute Gesicht. Fluchtmöglichkeit ausgeschlossen, es sei denn, man traut sich, aus dem dritten Stock zu springen. „Empfangen Sie mich heute?“ strahlte er mir von Weitem entgegen. „Sie sagten doch, Sie kämen erst nächste Woche!“ wies ich ihn barsch zurecht und rauschte in mein Büro. „Also, dann bis Montag!“ rief er genauso bestimmt hinter mir her. Statt einer Bestätigung warf ich mit Schwung die Türe zu – und blickte in die feixenden Gesichter meiner Kolleginnen. „Er hat dich schon gesucht!“ Allgemeines Gekicher.

Würden wir im virtuellen Raum des Internet leben, könnte ich den „Spam-Man“ auf die Blacklist setzen. Im realen Raum der ADZ-Redaktion geht das leider nicht. Vielleicht sollte ich endlich meinen Mut zusammennehmen und eben auch mal unfreundlich sein: „Mein lieber Herr X.“, höre ich mich schon mit entschlossener Stimme sagen. „Wenn Sie noch einmal ungefragt hier erscheinen, dann...“ Äh..., ja was dann? „Dann beiße ich Sie in die Nase!“ Prima! Das üben wir am besten gleich, damit es im Ernstfall auch überzeugend klingt: „Mein lieber Herr X.!“ Räusper. Das muss lauter sein. „Mein lieber Herr X! ..... Waaas? SIE schon wieder? Tut mir unendlich leid, aber heut geht‘s wirklich nicht! Ich schreibe gerade an einem ganz wichtigen Artikel...“