„Selig sind die Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden“

Ökumenischer Gottesdienst und Konzert zum Gedenken an die Deportation vor 70 Jahren in Bukarest

Überlebende der Deportation vor 70 Jahren und Angehörige

Gedenktafel der deutschen evangelischen und römisch-katholischen Gemeinde Bukarest
Fotos : Michael Marks

Der 1. März, sonst hierzulande fröhlich als Frühlingsanfang gefeiert, stand dieses Jahr in der evangelischen Kirche in Bukarest ganz im Zeichen des 2. Sonntags der Passionszeit  „Reminiszere“ -  des Gedenkens. Dieser Tag der Passion und des Erinnerns war von den Veranstaltern sorgfältig gewählt, um sich dem Andenken des Leids der Weltkriege, insbesondere aber der vor 70 Jahren erlittenen Deportation der Rumäniendeutschen in die Arbeitslager der damaligen Sowjetunion zu widmen.

Begangen wurde dieser Tag mit einem ökumenischen Gottesdienst, der gemeinsam von Stadtpfarrer Dr.  Daniel Zikeli und Pfarrer Andrei Pinte der evangelischen Kirche A.B. Bukarest mit dem Erzbischof Ioan Robu  und Priester Vasile Niculae  der römisch-katholischen Kirche gestaltet wurde.

In seiner Begrüßungsansprache bedankte sich Stadtpfarrer Zikeli namentlich bei den zahlreich erschienen Ehrengästen der deutschen und österreichischen Botschaft, dem Sekretär der katholischen Nuntiatur, den Vertretern  anderer christlicher Konfessionen, wie der griechisch- armenischen Kirche, den Delegierten der verschiedenen landsmannschaftlichen Organisationen wie dem Deutschen Forum und den Berglanddeutschen des Banats. Vor allem aber den Überlebenden der Deportation und ihren Angehörigen galt sein besonderer Dank. Von den noch neun Überlebenden der evangelischen Gemeinde konnten nur fünf erscheinen, während die letzte Überlebende der katholischen Gemeinde bereits vor drei Jahren verstorben ist, wie Paula Fonosch vom katholischen Hilfsverein später in ihrem Grußwort bedauernd zur Kenntnis gab.

Deportiert wurden damals 70-80.000 deutschstämmige Rumänen, Männer zwischen 17 und 45 Jahren, Frauen zwischen 18 und 30 Jahren, in der Zeitspanne 2.-16. Januar 1945, häufig in das Donbass, aber auch bis hinter den Ural als Reparationsleistung zum Wiederaufbau der Sowjetunion ohne Rücksicht auf eigenes Verschulden oder Konfession. Die strenge Erfüllung der Kontingente traf bisweilen Kommunisten, Juden, Priester, Kinder, Alte oder einfach Rumänen, die willkürlich zur Auffüllung der Listen herangezogen wurden. An solch eine Begebenheit erinnerte später Erzbischof Robu in seinem Grußwort, indem er den Fall eines Priesters erwähnte, der um den Deportierten auf dem Bahnhof Beistand und Trost zu spenden, kurzerhand selbst zum Deportierten wurde. Der Willkür dieses Leids stellt sich bewusst die gemeinsame und hier eben die ökumenische Feier entgegen, die konfessionsübergreifend die Opfer ehren und ihrer gedenken will.

Nach einer gemeinsamen Liturgie, die überwiegend von Pfarrer Andrei Pinte und seinem Amtsbruder Vasile Niculae bestritten wurde, der Ansprache der katholischen Kirche, die den Gedanken der Passion in den Vordergrund stellte, aber auch den österlichen Trost, den der wahre Glauben bietet, folgte die Verlesung der Kanzelworte des Bischofs der evangelischen Kirche Reinhart Guib.

Darin erinnerte er nicht nur an die kollektive Sühne, die Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben für das Unrecht des Weltkrieges zu leisten hatten, sondern auch daran, dass mit der Rückkehr aus der Deportation das Leiden vieler längst nicht zu Ende war, sondern sich noch jahrelang durch Enteignung, Verfolgung und Vertreibung in und aus Rumänien fortsetzte, und dass dennoch so mancher die Kraft fand zum Neubeginn, vor allem aber auch zur Versöhnung. In diesem Sinne schließt das Kanzelwort mit der Jahreslosung von 2015: „Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob.“(Röm 15,7)
Danach schritten die Liturgen und Stadtpfarrer Zikeli zur Einweihung der Gedenktafel, die sie mit dem Segen und einer Gedenkminute beschlossen. Gerahmt wurde auch diese feierliche Handlung durch Musik, dem bewährten Orgelspiel von Vlad N²stase, der die ausgezeichnete Sopranistin Daniela Caraman begleitete.

Nach Hauptgebet und Segen folgten zahlreiche Gruß- und Segensworte, sehr persönlich von Erzbischof Robu,  wie bereits erwähnt. Die Betroffenen selbst wollten sich auf Nachfrage in diesem öffentlichen Rahmen nicht äußern, haben dies jedoch bereits an anderer Stelle ausführlich getan.

Klaus Christian Olasz, der Beauftragte für die deutschen Minderheiten an der Deutschen Botschaft Bukarest, mahnte, dieses Leid gerade im Angesicht der neuesten politischen Entwicklungen nicht zu vergessen, und erwähnte dabei besonders Herta Müller, deren literarische Aufarbeitung sich vor allem diesem Ziel verpflichtet sieht. Dabei sprach er explizit von der Unmöglichkeit einer Wiedergutmachung und der Dankbarkeit und Demut, die gerade Deutschland vor der Sühne der deutschsprachigen Rumänen empfinden müsse.

Weitere Grußworte auf Deutsch, teilweise auf Rumänisch, sprachen u.a. Dr. Klaus Fabritius, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen im Altreich, Christiane Cosmatu, Vorsitzende des Deutschen Forums Bukarest, Erwin Josef }igla, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Banater Berglanddeutschen, und schließlich Kirchenkurator Gerhard von Hannenheim. Sie alle machten deutlich, wie vielfältig die Gemeinschaft der deutschen Christen in Bukarest sich gestaltet und wie das Schicksal der Deportierten ihnen allen gemeinsam ist. Jede Familie war direkt oder indirekt betroffen.

Vor dem Schlusslied ließ es sich Stadtpfarrer Zikeli nicht nehmen, alle Anwesenden zu einem Stehempfang im Gemeindesaal zu laden, um durch persönliche Gespräche diese Gemeinschaft weiter zu pflegen und zu vertiefen. Damit erschöpften sich die festlichen Höhepunkte dieses Tages jedoch keineswegs.

Am Abend wurde ein hochinteressantes Programm geboten, dass sich vor allem an die rumänische Öffentlichkeit wandte, und daher weitestgehend auf Rumänisch durchgeführt wurde. Dass dieser Einladung leider nicht ganz so viele des Bukarester Publikums wie am Morgen folgten, lag sicher nicht an der Qualität der Darbietung, eher lässt sich ein Zusammenhang mit dem eingangs erwähnten Datum ziehen. Erläuternde Texte zur geschichtlichen Einordnung der Deportation vor 70 Jahren ebenso wie originale Zeitzeugenberichte wurden flankiert und emotional verstärkt durch ein anspruchsvolles Konzert barocker Musik. J. S. Bach, G. F. Telemann, G. Muffat, H. Schütz und W. Byrd und schließlich Nicolo Fontei , boten abwechslungsreiche Stücke und reizvolle Kombinationen von Flöten ( Aurelia Mihai und Cezara Comşa) mit Cembalo und / oder Orgelbegleitung (die Geschwister Irina und Vlad Năstase). Gesungen wurden die Kantaten von Bach und Schütz wie am Morgen von der für diese Musik prädestinierten Sopranistin  Daniela Caraman.

Mit dem abschließenden Segen von Stadtpfarrer Zikeli wurde das dankbare Publikum nach diesem ereignisreichen Tag in die Bukarester Nacht entlassen.