Serbischer Fotograf auf den Spuren der Donauschwaben

Dragoljub Zamurovic bereist die Welt mit seiner Kamera

Der serbische Fotograf Dragoljub Zamurovic reist zusammen mit seiner Gattin durch die ganze Welt. Sein jüngstes Projekt konzentriert sich auf das Leben der Donauschwaben.
Foto: Zoltán Pázmány

An der Donau: „Es genügen ein Boot und zwei Plastikstühle und fertig ist die Idylle.“

In einigen Gebieten der Vojvodina werden auch Gewürze und Heilkräuter angepflanzt. Hier sieht man die Ernte der Kamillenblüten unweit von Pancevo.
Fotos (2): Dragoljub Zamurovic im Bildband „Vojvodina – Leben und Bräuche“

Sein freundliches Lächeln und seine bescheidene Art machen aus Dragoljub Zamurovic eine besonders angenehme Präsenz an diesem Morgen im Café des Perla-Hotels in Temeswar. Der 69-jährige Fotograf aus Nis und seine Gattin sind gerade auf Banat-Besuch. Hier ist Dragoljub Zamurovic, von seiner Ausbildung her Architekt, auf der Suche nach den Deutschen – die will er mit Hilfe seiner Kamera porträtieren, der Welt zeigen, wie sie arbeiten und leben. Völker, Minderheiten, Menschen – das sind die Lieblingsthemen des serbischen Fotografen.

Was ist mit den Donauschwaben nach dem Zweiten Weltkrieg passiert? Seit mehr als einem Jahr versucht Zamurovic, auf diese Frage eine Antwort zu finden. Der Fotograf reist durch Länder wie Serbien, Ungarn, Kroatien und Rumänien und dokumentiert den Alltag der vor Ort lebenden Donauschwaben. In Rumänien begab sich Zamurovic auf die Spuren der Deutschen in den Kreisen Temesch/Timiş und Karasch-Severin. Er recherchierte in Temeswar/Timişoara, Detta, Nitzkydorf, Iabalcea und Tirol, er lernte einige Vertreter der deutschen Minderheit kennen, war bei einem Kirchweihfest dabei und durfte auch zuschauen, wie die Deutschen auf den Dörfern bewirtschaften.

Die Donauschwaben heute

60 Fotografien sollen einen Einblick in das Leben einer Minderheit gewähren, die entlang der Donau anzutreffen ist. In einer Ausstellung, die durch die Donauländer reisen wird, sollen Frauen, Männer und Kinder im Vordergrund stehen. Die Ausstellung wird Mitte Oktober im Donauschwäbischen Zentralmuseum in Ulm eröffnet. Bis dahin arbeitet Fotograf Zamurovic auch an einem Bild- und Informationsband über die Donauschwaben. Das Buch wird in deutscher und englischer Sprache veröffentlicht und soll reihum in allen Donauländern vorgestellt werden.

„Ich wollte zunächst alle Minderheiten entlang der Donau fotografieren. Doch dann beschloss ich, sie einzeln, der Reihe nach, vorzustellen“, sagt Zamurovic. Die Donauschwaben waren die erste Minderheit, für die sich der Fotograf entschied. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden viele Deutsche aus Rumänien in die ehemalige Sowjetunion verschleppt, in Serbien gab es für die Deutschen Arbeits- und Sterbelager. Das beeindruckte den Fotografen: „Für mich ist es wichtig, zu zeigen, wie die Donauschwaben heute leben. Es gibt Ausstellungen über ihre Häuser, Kirchen und Friedhöfe, und auch darüber, wie sie früher gelebt haben. Aber ich habe bisher nichts über ihr heutiges Dasein gesehen“, sagt der Fotograf. Zu den fotografierten Deutschen zählen Leute aus allen sozialen Schichten und unterschiedlichen Berufen.

Zamurovic wollte auch die beiden Nobelpreisträger Herta Müller und Stefan Hell porträtieren, allerdings wollte sich die Nitzkydorfer Autorin nicht fotografieren lassen. „Ich hoffe, Stefan Hell in Deutschland kennenzulernen und fotografieren zu können“, sagt der Fotograf. Mit seiner Kamera sucht er meist das Besondere, das Verborgene, das Unbekannte. „Was die Donauschwaben betrifft, so fand ich an einigen Orten Sitten und Bräuche, die in Deutschland längst vergessen, jedoch dort weiterhin lebendig sind“, sagt der Fotograf. Viele der persönlichen Geschichten beeindrucken ihn tief. Manchmal ist er sogar zu Tränen gerührt, wenn er seinen „Subjekten“ zuhört. „Ich lernte eine 85-jährige Frau aus Backi Petrovac kennen, die fünf Jahre alt war, als sie in ein Arbeitslager eingewiesen wurde. Wir haben den Ort gefunden, wo sie gefangen gewesen war. Nach 70 Jahren war sie wieder dort und konnte sich an alles erinnern, was dort passiert ist“, sagt der Fotograf.

Sitten und Bräuche weltweit

Seit Jahren reist Dragoljub Zamurovic durch die Welt. Von einem Projekt zum anderen möchte der serbische Fotograf Leute, Kulturen und Bräuche näher kennenlernen und sie auch anderen vermitteln, die vielleicht nicht die Chance haben, soviel zu reisen. Sein erstes Großprojekt fokussierte sich auf die Roma. Bereits vor der Wende von 1989 dokumentierte er „Die verborgene Welt der Zigeuner. Eine Reise in die Vergangenheit und Gegenwart“ (1989). Drei Jahre lang war er auf den Spuren der Sinti und Roma – von Indien bis Amerika. Er wollte auch das Leben der Roma in Rumänien mit seiner Kamera festhalten. Als er jedoch bei der rumänischen Regierung um Erlaubnis nachfragte, wurde er sofort zurückgewiesen. Mit der harschen Bemerkung: „Wir haben keine Zigeuner in Rumänien!“ Das Projekt ließ er trotzdem nicht fallen, sondern begab sich auf eigene Faust nach Rumänien, wo er einen Hochschullehrer in Bukarest kennenlernte, der sich mit der Roma-Problematik befasste. Dieser machte ihm Bekanntschaft mit dem selbst deklarierten internationalen Zigeunerkönig Ioan Cioabă, damals noch Bulibascha der Kalderas, dessen Familie er dann fotografieren durfte.

„Durch jede Reise und Erzählung unternehme ich eine Zeitreise zurück in die Vergangenheit“, sagt Dragoljub Zamurovic. Sein Interesse für Sitten und Bräuche, für Minderheiten und Menschen in der Welt wurde in seiner frühen Kindheit geboren – als er mit Vorliebe das National Geographic Magazine las. Inzwischen sind seine Bilder nicht nur im National Geographic Magazine erschienen, sondern auch in anderen Prestige-Zeitschriften von überall her, wie zum Beispiel The New York Times Magazine, Time, Stern, Figaro, u.v.m. Viele internationale Fotografiepreise hat er im Laufe der Jahre gewonnen. Obwohl er mit seinen Errungenschaften angeben könnte, bleibt Dragoljub Zamurovic ein einfacher Mensch. Seine sympathische Art ist es wohl, die die Menschen dazu bringt, sich von ihm fotografieren zu lassen. Er besitzt auch einen Ballon mit einem einzigen Sitz, mit dem er gern über die Landschaft fliegt und Fotos schießt.

Dragoljub Zamurovic fotografiert ungern auf Bestellung, sondern finanziert sich die Projekte selbst. „Damit ich selbst wählen darf, was ich fotografieren will und was nicht“, sagt er. Die Ausstellung über die Donauschwaben wird zwar vom Donauschwäbischen Zentralmuseum in Ulm finanziert, jedoch ließ ihm die Museumsleitung freie Hand bei der Wahl der Art und Weise, aber auch der Menschen, die er fotografieren will. Am 16. Oktober 2016 wird die Ausstellung über die Donauschwaben im Ulmer Museum eröffnet. Sechs Monate können sie die Besucher bewundern, danach wandert sie entlang der Donau durch alle Länder, wo noch Deutsche leben. Unter anderem werden wahrscheinlich Budapest, Fünfkirchen/Pécs, Novi Sad, Belgrad, Temeswar und Reschitza die Expo beherbergen. Dragoljub Zamurovic wünscht sich, dass so viele Leute wie möglich diese Fotos sehen. Auf jedem der Bilder soll je ein Mensch zu sehen sein, auch soll eine umfangreiche Bildbeschriftung jedes Foto ergänzen.