„So abenteuerlich ist es ja hier gar nicht!“

Ingo Tegge, Leiter des Deutschen Kulturzentrums Klausenburg

Foto: Florin Bugnar

Die deutsche Musikerin Gudrun Gut, hier bei der 25-Jahr-Feier des Deutschen Kulturinstitut, wird am 7. März zur Abschiedsfeier von Ingo Tegge nach Klausenburg kommen. Infos zur Veranstaltung finden sich unter kulturzentrum-klausenburg.ro. Foto: Marius Neag

Ingo Tegge wurde in Bremen geboren und studierte Neuere Deutsche Literatur in Berlin. Anschließend war er tätig für die Goethe-Institute in Kapstadt, Südafrika, und Lagos, Nigeria, wo er Erfahrungen im Kulturmanagement sammelte. Von dort führte sein Weg zurück nach Deutschland, wo er in Stuttgart bei einer Unternehmensberatung in den Bereichen New Work und Innovationsmanagement tätig war. In den vergangenen Jahren leitete er das Deutsche Kulturzentrum in Klausenburg.

Herr Tegge, am 7. März findet Ihre Abschiedsfeier als Leiter des Deutschen Kulturzentrums Klausenburg statt. Wann sind Sie denn nach Klausenburg gekommen?

Das war 2016, im März – und ich werde jetzt im März gehen, das heißt, es werden genau sieben Jahre sein, die ich in dieser Stadt gelebt und das Deutsche Kulturzentrum geleitet habe. Erwartet habe ich das damals nicht! Ich habe mir damals gedacht – Naja, drei Jahre oder so. Aber dann kam eben immer etwas – Heirat, Kind, noch ein Kind, Pandemie und so weiter, und am Ende war es dann doch deutlich länger. Aber ich muss sagen, das tut mir in keiner Weise leid! Es hat Spaß gemacht, und es ist ja wirklich nicht so, dass ich ungern hier war. 

Wenn Sie an die die Zeit vor sieben Jahren zurückblicken, welche Vorstellungen und Erwartungen Sie damals hatten – was davon ist eingetreten, was mussten Sie geraderücken?

Ich muss sagen, wie leider sehr viele Menschen in Deutschland wusste ich wahnsinnig wenig über Rumänien. Das ist wirklich bei vielen Menschen so, und es ist schade: Wir sind ja beide Teile der EU, und Rumänien und Deutschland pflegen tatsächlich einen sehr wichtigen Austausch, auf kultureller, wirtschaftlicher, akademischer Ebene. Aber das ist leider vielen in Deutschland nicht so bewusst wie es sein sollte.

Trotzdem hatte ich tatsächlich sehr positive Erwartungen, das hing damit zusammen, dass mein damaliger Chef begeisterter Mountainbiker war und hier in den Karpaten eine Tour gemacht hat. Er ist zurückgekommen und hat gesagt – Hey Ingo, das war total toll mit Bären und Natur und so!, da hatte ich schon mal einen sehr positiven Eindruck. Und auch mein Vorgänger, den ich schon aus unserer gemeinsamen Zeit bei Goethe kannte, hat gesagt: Bewirb dich lieber heute als morgen, es ist die tollste Stadt der Welt. Also habe ich mich beworben. 

Was allerdings meinen Erwartungen nicht entsprochen hat: Ich habe mich beworben mit dem Wunsch, wieder ein bisschen Abenteuer zu erleben – ich habe ja zu dem Zeitpunkt im Schwabenland gelebt, was gewissermaßen für Norddeutsche auch eine Form von Ausland ist, aber eben nicht so abenteuerlich, und ich wollte wieder ein bisschen was Abenteuerliches haben. Ich bin dann also nach Rumänien gekommen, nach Cluj, und hab festgestellt: So abenteuerlich ist es ja hier gar nicht! Die Leute sind sehr nett, die Infrastruktur  ist in Ordnung, und alles andere auch... es ist halt Europa, und es ist EU, und das merkt man auch. Ich muss sagen, da war ich fast ein bisschen enttäuscht war, aber dann hab ich relativ schnell meine jetzige Frau kennengelernt, und dann kam Hochzeit und Kinder und jetzt hab ich eine andere Form von Abenteuer, also, das ist dann am Ende auch gekommen. (lacht) 

In Bezug auf Ihre Kulturarbeit hier – hat das in etwa so funktioniert, wie Sie sich das vorgestellt hatten?

Vieles Ja, nicht unbedingt alles – was sehr gut funktioniert hat waren Themen, die mir sehr am Herzen gelegen haben. Zum Beispiel alles, was mit stark urban geprägter Kultur aus Deutschland zu tun hat, Untergrundkultur, Subkulturen und dergleichen. Dazu hatten wir immer wieder Veranstaltungen, die auf großes Interesse gestoßen sind.

Was mir auch sehr viel Spaß gemacht hat, waren verschiedene Kollaborationen, teils mit großen Festivals. Gerade letztes Jahr haben wir gemeinsam mit dem Goethe Institut das TIFF-Festival dabei unterstützt, eine Neuvertonung von „Nosferatu“ zu zeigen. Aber ich glaube, das Projekt, das mich am meisten mit begleitet hat, war das Clujotronic, unser jährliches Elektrokunst-Festival gemeinsam mit dem Institut Francais. 

Ich glaube, damit haben wir es auch geschafft, wirklich immer wieder auch neue Ideen nach Cluj zu bringen. Die Grundidee des Festivals ist es, eine Plattform zu bieten, auf der auf verschiedene Art und Weise Kunst und Technologie verschmelzen können, und das dem breiten Publikum anschaulich zu machen – und da haben wir auch immer sehr viel positives Feedback bekommen.

Gab es auch Projekte, die nicht so gut funktioniert haben?

Wir hatten natürlich immer wieder Projekte, die nicht so gut gelaufen sind, wie wir uns das gewünscht haben. Das hing aber damit zusammen, dass wir, und das ist auch unser Selbstverständnis als Organisation, durchaus auch bereit sind, Experimente zu machen. Wir nehmen für uns in Anspruch, auch ein bisschen zu versuchen, neue Impulse zu setzen. Das können inhaltliche Sachen sein, aber auch Formate, die hier vielleicht noch nicht so bekannt sind, und das ist natürlich immer ein gewisses Risiko. Manches funktioniert sehr gut und manches funktioniert weniger gut.

Was zum Beispiel sehr gut funktioniert, war dieser Poetry Slam „Beat Bubble“. Das ist in Deutschland eine große Sache, während es hier noch etwas relativ Neues ist. Andererseits hatten wir manchmal thematische Filmreihen, die nicht so gut funktioniert haben – wir haben zum Beispiel mal was zum ersten Weltkrieg gemacht, es kam Publikum, auch sehr interessiertes Publikum, aber wir haben nicht die Breite erreicht, die wir uns gewünscht haben. Das ist ist immer mal unterschiedlich gewesen. 

Aber bei den wichtigeren Projekten hatten wir das Glück, dass sie meistens sehr gut funktioniert haben, gerade Clujotronic ist sehr groß geworden während der letzten Jahre. 

Glauben Sie, dass Sie die Veranstaltungen, die Sie hier organisiert haben, genauso gut woanders hätten veranstalten können?

Nein, auf keinen Fall. Ich glaube, Cluj hat eine sehr eigene und lebendige Kunst- und Kultur-Szene, und wir machen 80 bis 90 Prozent unserer Veranstaltungen gemeinsam mit Partnern. Das ist auch genau so gedacht, letztlich geht es um einen kulturellen Austausch, und das fängt schon bei der Organisation an. Und wir haben hier viele wahnsinnig gute Partnerschaften, teils habe ich die schon vorgefunden, teils wurden neue aufgebaut. Und das ist es auch, was Cluj so besonders macht, die Qualität, die Energie, die Vielfalt der Akteure in der Kunst- und Kulturszene.

Aber ich glaube, die Pandemie hat viel kaputtgemacht und hat viele Menschen, gerade im Bereich der unabhängigen Kunst- und Kulturszene gezwungen, sich karrieremäßig in eine andere Richtung zu entwickeln, weil sie sich als Kulturmanager oder Künstlerin nicht mehr über Wasser halten konnten. Gleichzeitig erlebt Cluj natürlich einen sehr starken Gentrifizierungsprozess, der auch dafür sorgt, dass die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinandergeht, und wodurch natürlich auch die Kunst und Kulturszene zumindest in Teilen ein bisschen abgehängt wird.

Das heißt, Cluj hat einen wahnsinnig großen und wertvollen Schatz an kultureller Vielfalt und Möglichkeiten, die Stadt muss aber wirklich aufpassen, dass das auch erhalten bleibt. Es kann ja ziemlich schnell passieren, wenn es für die unabhängige Szene keine Möglichkeit mehr gibt, sich zu finanzieren, dass die dann auch ganz schnell kaputtgehen kann. Und das wäre ein gewaltiger Verlust für die Stadt. 

Leidet die Kunst- und Kulturszene auch weiter unter dieser Krise?

Wir haben das auch sehr stark gemerkt als Organisation, dass in Zeiten von Krisen – und wir haben ja momentan mehrere –  dieser Druck aufgebaut wird, dass man sich rechtfertigen muss, dass die Kultur als solche sich rechtfertigen muss. Aber ich glaube, das ist genau der falsche Ansatz, ich denke Kunst und Kultur sind in Krisen sogar noch wichtiger als in Zeiten wo alles gut läuft, weil sie aus meiner Sicht eine wichtige gesellschaftliche Funktion haben, und zwar: Es geht heutzutage ja oft darum, dass man die Welt verstehen muss, die Welt ist komplex, die Krisen sind komplex, und man kann vieles auf verschiedenen Ebenen verstehen. Auf journalistischer Ebene etwa, man kann Informationen transportieren, man kann bis zu einem gewissen Grad auch Emotionen nachlesbar machen, aber Menschen auf emotionaler Ebene zu erreichen, das ist aus meiner Sicht Kunst und Kultur vorbelassen. Man kann einen Artikel über den ersten Weltkrieg lesen, aber wenn man einen Film wie jetzt den neuen „Im Westen nichts Neues“ sieht, hat das einfach eine andere Wirkung. Und gerade heute, wo es um den Krieg im Nachbarland geht, ist so etwas elementar wichtig. 

Inwiefern hat sich das Deutsche Kulturzentrum Klausenburg in den letzten Jahren verändert?

Cluj ist ein unglaublich dynamisches Umfeld, und die Pandemie ist sicher der stärkste Veränderungsfaktor gewesen – übrigens nicht nur im negativen, wir haben auch viel Positives mitgenommen: Wir hatten das Glück und das Privileg, dass wir unser Team behalten konnten, und ich glaube wir haben es auch geschafft, die Qualität unserer Angebote zu halten und neue Wege zu finden, das Publikum zu erreichen, natürlich viel im Online-Bereich.

 Interessanterweise hat die Pandemie bei uns bewirkt, dass es sogar stärkeren Austausch gab, zum Beispiel mit anderen deutschen Kultureinrichtungen im Land, auch mit einigen Partnern hat sich das sogar noch mehr intensiviert während der Pandemie, und wir haben wahnsinnig viel gelernt, was mit der digitalen Transformation zu tun hat. Und während wir uns natürlich alle freuen, dass jetzt wieder physische Veranstaltungen möglich sind, werden Elemente dieses Digitalen uns weiter begleiten und sind auch weiter wertvoll für uns.
Also, so schrecklich die Pandemie in Sachen Gesundheit auch für viele Menschen war, ich glaube, viele Organisationen haben sich durchaus positiv weiterentwickelt.

Hat sich durch die Online-Kurse auch das Publikum verändert? Oder sind es weiter dieselben Personen oder Gruppen, die Deutsch lernen wollen?

Ich glaube, es hat sich nicht dramatisch verändert, ein bisschen vielleicht. Aber Sie sprechen ein Thema an, wo es tatsächlich eine interessante Entwicklung gegeben hat: Vor etwa zehn Jahren saß bei uns in den Kursen ein sehr hoher Anteil an Medizin-Studierenden. Die haben Deutsch gelernt, hatten dann einen tollen Uni-Abschluss, und sind dann weg nach Deutschland, Österreich oder die Schweiz. Und für uns war das immer so ein bisschen ein Dilemma: Einerseits wollen wir keinen Braindrain forcieren, andererseits konnten wir ja auch nicht, sagen: Du studierst Medizin, du kannst hier nicht Deutsch lernen. 

Aber mittlerweile lernen zwar noch immer die allermeisten die deutsche Sprache aus Karrieregründen, aber viele arbeiten in Firmen hier vor Ort und haben viel Kontakt mit dem deutschsprachigen Raum, oder sie arbeiten sogar bei deutschsprachigen Firmen, die hier ansässig sind. 

Und es gibt auch mehr und mehr Menschen, die nach Deutschland gegangen sind und dann zurückkommen. Klar sind das momentan noch Einzelfälle, würde ich sagen, aber ich kenne schon eine ganze Menge. 

Und das ist natürlich was sehr sehr Positives, weil das natürlich den europäischen Gedanken fördert – dass man ins Ausland geht, mit neuen Erfahrungen wieder zurückkommt und dann auch ganz neue Impulse setzen kann. Es ist ja bei mir selber auch nicht anders gewesen, wenn ich ins Ausland gehe und dann wieder nach Deutschland zurückgehe, merke ich auch, wie sehr mich das bereichert hat.

Stichwort Erfahrungen: Wenn Sie zurückschauen auf die sieben Jahre, gibt es Sachen, die Sie jetzt, im Rückblick, anders gemacht hätten?

Ja, ich hab wahnsinnig viel gelernt – vieles davon habe ich in meinen Social Media unter dem Schlagwort „Things I learned about Romania“ (Dinge, die ich über Rumänien gelernt habe) gesammelt. Da sind etliche Sachen dabei, die ich am Anfang nicht gewusst habe und dann auf die eine oder andere Art gelernt habe. Als sehr mondänes Beispiel: Wenn man eine Colaflasche geschenkt bekommt, und die Flüssigkeit hat keine Farbe, dann lieber vorsichtig nippen – der Wahrscheinlichkeit nach ist das kein Wasser! 

Beim Thema interkulturelle Unterschiede habe ich überhaupt sehr viel gelernt. Grundsätzlich sind wir alle Europäerinnen und Europäer, es gibt mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Aber es gibt etliche Bereiche im interkulturellen Zusammensein, wo Menschen aus Rumänien und Menschen aus Deutschland wirklich diametral entgegengesetzt sind. Deutschland ist ein ganz klassisches Beispiel für eine „low context culture“, und Rumänien ist eine absolute „high context culture“. Das erkläre ich am besten am Beispiel Kommunikation: Low-context-Kulturen favorisieren direkte Kommunikation, Rumänien dagegen ist eine High-context-Kultur, da wird immer ein großer Wissenskontext vorausgesetzt, und man kommuniziert viel weniger direkt. 

Ich erzähle als Beispiel immer diese Geschichte aus der Jugend meiner Frau, die finde ich ganz charmant: Meine Frau ist ja als Rumänin in einem Dorf hier aufgewachsen, und ihre Nachbarn waren Deutsche. Einmal sind die Kinder rüber zu den Nachbarn gegangen, und die hatten ganz tolle Süßigkeiten aus Deutschland. Und sie haben die Kinder gefragt – Wollt ihr welche? Und die Kinder haben Nein gesagt, weil es in Rumänien eben höflich ist, erstmal zwei, drei, vier Mal nein zu sagen. Aber die Nachbarn waren halt Deutsche, Siebenbürger Sachsen – das heißt, die haben einmal gefragt, und als die Kinder Nein gesagt haben, haben sie eben keine Süßigkeiten gekriegt. Die Kinder waren ganz zerstört deswegen und haben haben zuhause geweint – und eine Tante, die auf Besuch war, hat gesagt: Wenn die Deutschen dich fragen – Willst du das haben? – dann sagst du Ja! 

Es ist nicht so, dass eine Form besser oder schlechter ist als die andere, aber im Low-context-Land Deutschland ist das Hauptziel immer der Austausch von Fakten, und deswegen ist es sehr direkt, kann aber aus Sicht einer High-context-Kultur als unhöflich, als wirklich unangenehm wahrgenommen werden. Hier ist das Kernziel nicht der Austausch von Fakten, sondern der Aufbau und die Pflege von Beziehungen, was wiederum in High-context-Kulturen als nicht zielführend, als „um den heißen Brei herumreden“ wahrgenommen wird. Beides hat Bereiche, wo das eine oder das andere besser funktioniert.

Das ist so etwas, wozu ich viel gelernt habe. Das fing an mit E-Mails von Partnern: Meine Kolleginnen haben sich überlegt – Was kann damit gemeint sein? und ich als typischer Deutscher meinte eben – da stehts doch, schwarz auf weiß? Ich musste also erstmal lernen, zwischen den Zeilen zu lesen. Ich bin auch selber durchaus gewachsen als Person, und dafür bin ich sehr dankbar, muss ich sagen, Insbesondere hat das natürlich gut funktioniert, weil ich mit einer Rumänin verheiratet bin und wir jetzt auch zwei Kinder haben, und ich natürlich auch ihre Familie kenne, dadurch konnte ich natürlich auch viel tiefere Einblicke bekommen und bin auch sehr dankbar dafür. 

Sie haben betont, dass Klausenburg eine sehr dynamische Stadt ist - welche Veränderungen haben Sie über die Jahre wahrgenommen?

Oh, es passiert wahnsinnig viel – sehr sichtbar sind natürlich die Infrastrukturmaßnahmen hier im Stadtzentrum. Und natürlich passiert in der Kunst- und Kulturszene auch immer wahnsinnig viel. Es waren natürlich auch traurige Sachen dabei, etwa dass die Fabrica de Pensule sich nicht mehr halten konnte als ortsgebundene Institution. Andere Kulturzentren stehen vor ähnlichen Situationen. Das H23 war auch so ein Fall – es war zwar von Anfang an gedacht als Zwischennutzung, und am Ende waren sie auch weitaus länger als das geplante eine Jahr da – aber man muss immer aufpassen, dass solche Orte weiter existieren können. 

Es ist ja auch für die Menschen, die an solchen Orten aktiv sind, psychisch eine ganz schöne Belastung, wenn es nie etwas Permanentes gibt. Deshalb würde ich mir eigentlich wünschen, dass es vielleicht von Seiten der Stadt wirklich noch einen Kulturraum gibt, der für die unabhängige Szene zur Verfügung gestellt wird. Aber es ist auch sehr viel Positives passiert. Ich bin zB. froh, dass es jetzt das Centrul Cultural Clujean (CCC) gibt als Mediator, als Zwischenpunkt ein bisschen zwischen Kunst- und Kulturszene und der Politik, sowas ist sehr wichtig. 

Ansonsten ist die Stadt, auch gerade was das Publikum angeht, von einer ganz starken Dynamik betroffen, weil es halt eine absolute Studierenden-Stadt ist – und so gehen immer Leute weg, und neue kommen nach. Das heißt, es kommen immer wieder auch frische Ideen, was etwas sehr Schönes ist, für Organisationen im Kulturbereich bringt das natürlich aber auch die Herausforderung mit sich, dass man immer wieder das Publikum neu erreichen muss. Aber ich würde sagen, das Positive überwiegt da auf jeden Fall. 

Und, was ich toll finde – und ich glaube, das ist auch jetzt besonders in den letzten Jahren gekommen: Dass Cluj mittlerweile eine Stimme in Europa hat. Es wird wahrgenommen über die Landesgrenzen hinaus, und zwar als wirklich verlässlicher Partner und interessanter Standort. 

Zum Schluss: Wenn Sie in der Zeit zurückreisen könnten, was würden Sie dem Ingo Tegge von vor sieben Jahren mitgeben? 

Ich glaube, was ich hier sehr gelernt habe, und was ich von Anfang an noch mehr hätte brauchen können, ist eine für Deutsche vielleicht etwas ungewöhnliche Form von Gelassenheit. Ich wusste vorher schon, dass man hier flexibler ist als in Deutschland und dass die Dinge weniger planbar sind, aber es eine Sache, das theoretisch zu wissen, und eine andere, das praktisch zu leben. 

Es können dadurch Probleme ständig überall auftauchen, an Orten wo man sie überhaupt nicht erwartet hatte – aber genauso einfach und teilweise genauso unerwartet können auch Lösungen auftauchen. Und man kann auch viel kurzfristiger und effizienter Lösungen generieren, wenn man ein gutes Netzwerk hat. Wenn man in Deutschland drei Tage vor der Veranstaltung einen neuen Raum braucht, dann steht man halt da und muss wahrscheinlich absagen. Hier findet man eine Lösung, mit guten Freunden, mit viel Hilfe aus der Community. 

Da musste ich viel lernen, und bin aber auch ganz froh, dass ich da viel mitnehmen kann – weil: Wie bei allen Sachen liegt der perfekte Weg natürlich irgendwo in der Mitte, bzw. sollte man beides ein bisschen kennen. Es ist gleich wie mit der Art der Kommunikation – es ist nicht schlimm, wenn eine Person direkt kommuniziert und die andere indirekt, nur: Sie müssen das eben beide wissen. 

Ich merke das auch im Privatleben, aber ich glaube, meine Frau und ich kriegen das ziemlich gut hin, weil wir wissen, dass die andere Person anders kommuniziert. Ich weiß, dass deutsche Manager und Manage-rinnen hier immer eine ganz schön lange Eingewöhnungszeit brauchen, weil sie natürlich bewusst oder unbewusst schon mit den Arbeitsmodellen und Kommunikationsformen, wie sie‘s aus Deutschland kennen, hier ankommen und sich dann erstmal neu orientieren müssen. 

Und für die Menschen mit denen wir hier zusammenarbeiten ist es genauso: Wenn man sich aber bewusst macht – Okay, die Person kommuniziert nun mal direkt, die kommt aus Deutschland, das ist nicht böse gemeint und soll nicht verletzend sein, das ist einfach nur die Art zu kommunizieren, dann gibt es weniger Frustration. Und wenn die Menschen aus Deutschland wissen – Okay, ich muss die Planung anders erwarten, ich muss selber ein bisschen flexibler rangehen, und ich muss und sollte mir auch die Zeit nehmen, die Menschen hier kennenzulernen, nur dann kann ich wirklich effizient mit meinem Team zusammenarbeiten, dann kann’s am Ende auch in beide Richtungen gut funktionieren.

Vielen Dank für das Gespräch!