Sorry, parlez-vous Deutsch? Die Krux mit den Fremdsprachen

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Du hast so viele Leben, wie du Sprachen sprichst, besagt ein tschechisches Sprichwort. Wer mehrere Sprachen beherrscht, hat berufliche Vorteile und kann sich in der weiten Welt gut durchschlagen, und wenn es mit dem einem Idiom nicht klappt, versucht man es mit einem anderen:
Ein Düsseldorfer fliegt bald nach New York und bittet seinen weitgereisten Nachbarn um Rat: Wie könne er sich in Big Apple verständlich machen, wo er kein Englisch spreche? „Kein Problem“, sagt sein Nachbar, „Englisch und Deutsch sind beide germanische Sprachen, sie sind sich sehr ähnlich, du musst, wenn du mit einem New Yorker sprichst, bloß aufpassen, dass du möglichst langsam sprichst.“ Okay, gesagt, getan. Der Düsseldorfer betritt eine Bar in Brooklyn und spricht so langsam wie möglich: „Gu-ten Tag!“ „Gu-ten Tag!“, antwortet der Barkeeper genau so langsam. „Ich möch-te bit-te ein Fran-ken-heim Alt!“ „Pri-ma, hier ha-ben Sie ihr Fran-ken-heim Alt!“ Der Düsseldorfer nimmt einen Schluck Bier und meint: „Ich kom-me aus Düssel-dorf, und du?“ „Ich kom-me auch aus Düssel-dorf.“ „Ach so! Und wieso sprechen wir dann kein Deutsch?!“

Natürlich haben wir es in diesem Fall eher mit einem Sprachmuffel zu tun. Ganz anders verhält es sich bei einer anderen Begegnung, wo ein Fremder, der ein wahrhafter Sprachakrobat ist, zwei Einheimische nach einer Straße fragt: „Sorry“, beginnt er, „could you tell me please, where...“ Die  Einheimischen, deuten ihm, dass sie ihn nicht verstehen, da versucht der Fremde es mit Spanisch: „Pueden decirme por favor donde esta...“ „Nein, nein“, sagen die Einheimischen, „das verstehen wir nicht.“ Es geht weiter mit Italienisch: „Scusino, sanno dirmi dove...“ , mit Französisch „Excusez-moi, pourriez-vous me dire où est la...“ , mit Russisch und Ungarisch, doch die Befragten zucken hilflos mit den Schultern. Da ist der Fremde am Ende seines Lateins, gibt auf und sucht verzweifelt das Weite. „Wow!“, sagt der eine Einheimische zum anderen. „Hast du gesehen, wie viele Sprachen der konnte?!“ „Ja schon, aber was hat es ihm denn genutzt?“
Verschiedene Sprachen gehen mit unterschiedlichen Verhaltensweisen einher, zeigt uns die  weltweite Praxis.

Der Norden und der Süden, der Osten und der Westen unterscheiden sich nicht bloß als Himmelsrichtungen voneinander. So wie die UNESCO 2010 die französische Küche als immaterielles Weltkulturerbe anerkannt hat, müsste sie schnellstmöglich auch die Dialoge der Spanier und Italiener als immaterielles Weltwunder würdigen, da die Spanier und Italiener es auch in größeren Gruppen hinbekommen, ununterbrochen und alle gleichzeitig unter permanenter Zur-Hilfe-Nahme der Hände und Füße über völlig verschiedene Dinge zu reden und dabei trotzdem zu kommunizieren. Das erinnert akustisch an Niagara und optisch an durchgeknallte Schamanen, die um das unauslöschliche Lagerfeuer der Sprache wild herumhechten. Hingegen heißt es, die Skandinavier seien im Allgemeinen ziemlich wortkarg. Die Finnen zum Beispiel würden es schaffen, nicht bloß einsprachig, sondern sogar zweisprachig zu schweigen, da in Finnland Schwedisch und Finnisch als Amtsprachen gelten.

Das sind natürlich Klischees, die oft zutreffen und häufig auch nicht. Meine Freundin Alida ist zum Beispiel Kroatin, und sie spricht wesentlich mehr und lauter als alle Italiener und Spanier zusammen. Wenn ich mich mit ihr zu einem ausgedehnten Ideenaustausch in der Düsseldorfer Altstadt im Café Relax treffe, ist das kaum auzuhalten. Ich muss vorher meine Stimmbänder mindestens drei Stunden lang schonen, um mich gegen ihr dominantes Monologisieren durchsetzen zu können, und sie  fortissimo an die Wand reden zu können. Wäre sie eine Finnin, würde das alles pianissimo verlaufen. Oder auch fortissimo possibile, je nachdem, ob das Klischee stimmt oder nicht.

Eins steht fest: In einer rapide zusammenwachsenden globalen Welt müssen wir uns in unserer Verschiedenheit gegenseitig respektieren, und eine Fremdsprache zu erlernen, heißt auch, den Hut statt des Schwertes vor einer anderen Nation zu ziehen. Als exemplarisch in diesem Sinne möchte ich ein junges Ehepaar aus meinem Haus anführen, meine Freunde Nellie und Fred. Fred ist Bulgare aus Plowdiw, und er spricht hervorragend Deutsch, was er hauptsächlich von Nellie lernte. Nellie wiederum spricht nicht lediglich Deutsch, sondern auch ein prima Bulgarisch, das sie vor allem durch Fred erwarb. Nun traf ich die beiden gestern vor dem Hauseingang. „Weißt du“, sagten sie zu mir, „wir haben letzte Woche angefangen Chinesisch zu lernen. Wir haben beschlossen, ein chinesisches Baby zu adoptieren, und wir möchten es verstehen, wenn es zu sprechen anfängt.“