Sprache ist Gemeinschaft

ADZ-Gespräch mit Christiane Cosmatu, Unterstaatssekretärin im Departement für Interethnische Beziehungen

Christiane Gertrud Cosmatu, Unterstaatssekretärin des interethnischen Departements in Bukarest
Foto: privat

Sprache entscheidet über das Sein oder Nichtsein einer Minderheit. In Rumänien werden die Minderheitensprachen deshalb gepflegt, um so auch deren Kultur zu schützen und zu bewahren. Literatur, Printmedien und Theater in Deutsch, Ungarisch oder Jiddisch, existieren. In einigen Minderheitensprachen gibt es sogar Radio- und Fernsehsendungen. Als Rumänien die europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen unterzeichnete, hat es sich dazu verpflichtet, die Sprachenvielfalt weiterhin zu bewahren und zu fördern. Mit der Umsetzung wurde das Departement für Interethnische Beziehungen beauftragt. Ob Rumänien die angenommenen Aufgaben zur Zufriedenheit erledigt, überprüft alle zwei Jahre das Sekretariat der Charta und die Experten halten so Rumänien einen Spiegel vor. Der letzte Besuch fand Mitte Mai statt. Über den Ablauf, angesprochene Probleme und Fortschritte spricht Christiane Gertrud Cosmatu, Unterstaatssekretärin des Departements für Interethnische Beziehungen, mit ADZ-Mitarbeiterin Sarah Bioly.


Welche Aufgaben muss das Departement für Interethnische Beziehungen der Charta zufolge umsetzen?

Das Departement soll die ethnische, linguistische, kulturelle und religiöse Vielfalt in Rumänien für die zwanzig anerkannten Minderheiten gewährleisten, die Interkulturalität pflegen und Rassismus und Intoleranz bekämpfen. Das erreichen wir, indem wir jährlich ungefähr 100 unterschiedliche Projekte von NGOs unterstützen und den Minderheitenverbänden mit Rat und Tat zur Seite stehen – das heißt auch finanziell. Natürlich können wir die Kosten nicht komplett übernehmen, sondern fördern mal einen Schülerwettbewerb oder Ausflug, oft aber auch einfach die Unterbringung oder Verpflegung. Besonders wichtig ist es für uns, einen interkulturellen Dialog herzustellen. Dazu gehört auch, dass die Schüler im Unterricht über die Minderheiten und deren Rolle bei der Entwicklung Rumäniens erfahren. Ein Projekt von uns mit dem Bildungsministerium ist zum Beispiel „meine interkulturelle Reise“, bei dem Schulen über Minderheiten in ihrer Umgebung recherchieren sollen.

Alle zwei Jahre muss Rumänien einen Bericht über die vergangenen Programme bei dem Sekretariat der europäischen Charta einreichen. Über die durchgeführten Programme berichten wir dem Generalsekretariat der Regierung und dem Außenministerium. Für weitere Informationen schreiben wir gemeinsam mit diesem die Minderheitenverbände und Ministerien an. Allerdings gestaltet sich das Datensammeln in Rumänien schwierig. Oft haben die Institutionen nicht die Kapazitäten, um jemanden damit zu beauftragen Informationen strukturiert aufzuarbeiten. Nachdem der Länderbericht erstellt und abgeschickt wurde, bekommen wir dann Besuch von den Vertretern des Sekretariats der Charta. Die Experten studieren den Bericht und teilen ihre Meinung und ihre zusätzlichen Fragen zum Länderbericht mit. Anschließend diskutieren sie sowohl mit den Minderheitenverbänden, als auch mit den Vertretern der Institutionen und haken bei Unklarheiten nach. Es ist also ein fortdauernder Dialog: Zuerst im Land, dann jedes Land mit den europäischen Institutionen.

Was wurde vom Sekretariat der Charta bemängelt?

Noch ist der Bericht in der Auswertung, aber ein paar Punkte wurden schon während des Besuchs angesprochen. Der Mangel an Lehrern für die Minderheitensprachen, gerade für den Deutschunterricht wurde kritisiert. Das Problem ist, dass die Lehrer sehr schlecht bezahlt werden. Ich war selbst Lehrerin, ich weiß wovon ich spreche. Deshalb gehen die jungen Leute lieber in die Wirtschaft oder ins Bankwesen, denn vor allem, wenn sie deutsch sprechen, bekommen sie bei ausländischen Investoren sofort eine gut bezahlte Stelle. Natürlich gibt es ein paar Enthusiasten, die trotzdem auf Lehramt studieren und sehr viel leisten, denn auf einen Deutschlehrer kommen etwas mehr Kinder, als auf einen Rumänischlehrer. Die Regierung will zwar die Situation verbessern, aber das wird vor allem Lehrer, die neu anfangen, betreffen.

Ab dem 1. August 2017 soll es eine Gehaltserhöhung um 10 Prozent geben. Die Gewerkschaften sind damit nicht zufrieden. Sie fordern 5 Prozent diesen August, 5 Prozent im Januar 2017. Es lässt sich also wirklich nicht einschätzen, wie lange es dauern wird, bis sich die Situation ändert. Das, was wir dazu beitragen können, ist dass wir die Lehrer bei Fortbildungen finanziell unterstützen, wenn sie dabei ihre interkulturellen Kompetenzen weiterentwickeln.

Gerade im Bildungsbereich gibt es also Nachholbedarf. Die tatarische Minderheit saß in den 90ern in Klassen, in denen die Unterrichtssprache türkisch war, da die Sprachen sehr nahe beieinan-der liegen sollen. Das lag aber vorrangig daran, dass damals bei der tatarischen Gemeinschaft zu wenig Interesse an einem muttersprachlichen Unterricht oder an Lehrbüchern herrschte. Ein Erwachen hat zwar jetzt stattgefunden, aber es ist immer noch ein langer Weg.

Ein anderes Thema, das von vielen Minderheiten an uns herangetragen wurde, ist die 20 Prozent-Hürde für Ortsbeschriftungen in der Minderheitensprache herunterzusetzten. In manchen Orten gibt es beispielsweise 17 Prozent Tataren. Diese werden die Hürde von 20 Prozent niemals erreichen. Das ist auch der Fall bei den Sachsen mit oftmals nur 5 Prozent. Trotzdem wird oft aus Wohlwollen der Ort zusätzlich in deutscher Sprache beschriftet.
 

Was hat das Departement für Interethnische Beziehungen seit dem vergangen Besuch der Charta erreicht?

Wir haben zum Beispiel ein Geschichtsbuch herausgebracht, welches auf die Rolle der Minderheiten eingeht und optional gewählt werden kann. Ziel ist es aber, dass in den gängigen Geschichtsbüchern mehr Informationen über das Mitwirken aller Minderheiten steht. In den vergangenen Jahren wurde das immer wieder bemängelt, hier hat Rumänien Fortschritte gemacht. Manche Minderheiten sind aber immer noch nicht zufrieden, weil manches entweder zu oberflächlich geschildert ist oder weil ein bisschen mehr Konsistenz der Informationen erwartet wird. Andererseits gibt es Lehrbücher für das Fach Geschichte und Traditionen der Minderheit, Bücher, die sich auf die jeweilige Minderheit beziehen. Durch das Projekt „meine interkulturelle Reise“, das in diesem Jahr zum dritten Mal durchgeführt wird, wollen wir sensibilisieren und Interesse wecken für die Vielfalt. Dann gab es noch kleine Fortschritte bei den Tataren. Wir haben in vielen Minderheitenverbänden viele engagierte Leute und ich glaube, dass wir wirklich viel mit unseren Partnern umsetzen.
 

Welche Minderheitensprachen werden vorrangig gefördert und warum?

Das Angebot entsteht nur, wenn auch die Nachfrage da ist. Die ungarische und deutsche Minderheit sind beide sehr aktiv bei der Veröffentlichung von Büchern in der Muttersprache. Die jüdische Gemeinschaft gibt auch viele Bücher über die Rolle der Minderheit im Bereich der Kultur heraus, allerdings in rumänischer Sprache. Wie stark eine Minderheitensprache unterstützt wird, hängt ebenfalls damit zusammen, wie wohlhabend das Mutterland ist. Wir sind dem deutschen Staat sehr dankbar, denn ohne dessen Hilfe wäre das deutsche Minderheitenschulnetz vermutlich eingestürzt. Seit 1990 gibt es das Lehrerentsendeprogramm und der Bundestag hat im vergangenen Jahr eine beachtliche Summe genehmigt, welche die Lehrer – abhängig von deren unterrichteten Stundenzahlen auf deutsch – zusätzlich bekommen. So können wir die Lehrer etwas festhalten.

Seit ungefähr 20 Jahren erfreuen sich außerdem die Roma einer positiven Diskriminierung. Sie bekommen zusätzliche Plätze für das Gymnasium und für manche Studiengänge. Das ist sehr gut und hat bereits eine junge Elite hervorgebracht, wovon jetzt manche öffentliche Stellen bekleiden, an der Hochschule unterrichten oder wichtige NGOs leiten. Sie bewirken wirklich etwas, das ist deutlich erkennbar und da können sie und wir alle stolz darauf sein.

Fragen wir die Minderheiten, fordern sie in Bezug auf die Bildung erst einmal alles: Kindergarten, Schule, Uni. Da ist dann der Wurm drin, denn, wenn es nicht genügend Lehrer gibt: Was dann? Bei weniger verbreiteten Sprachen kann deshalb oft nur die Muttersprache in der Schule unterrichtet werden. Somit können wir dafür sorgen, dass zum Beispiel Armenisch oder Mazedonisch in Rumänien nicht verschwinden. Für die fünfundzwanzig Leute, die wir insgesamt im Departement sind, haben wir, denke ich, zusammen mit unseren Partnern schon sehr viel erreicht.