Staat entschädigt Brüder Gavazzi

Internationales Handels-Schiedsgericht urteilte im Fall des Stahl- und Walzwerks Ferdinandsberg

Die Agentur zur Verwaltung von Staatsaktiva (AAAS) meint triumphierend, sie sei glimpflich aus den Schlichtungsverhandlungen vor dem International Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID) hervorgegangen. Die italienischen Brüder Stefano und Marco Gavazzi hatten den rumänischen Staat, vertreten durch AAAS, vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten in Washington, ein zur Weltbankgruppe gehörendes Schiedsgericht, 2012 verklagt, weil Rumänien seine mit dem Kaufvertrag eingegangenen Verpflichtungen nicht eingehalten habe. Das ICSID nimmt, zum Unterschied etwa zum Internationalen Gerichtshof, keinerlei Rechtsprechungsaufgaben wahr, hingegen überwacht es auf Anfrage die Einhaltung von bi- und multilateralen Investitionsschutzabkommen, bzw. es kann deren Übertretungen ahnden. Der Prozess vor dem ICSID wurde im April 2017, kurz nach Ostern, mit einer Entscheidung beendet, die erst unlängst von AAAS als „Urteil” bekanntgemacht wurde. Der Staat hat „nur” rund 1,8 Millionen Dollar und rund 600.000 Euro Schadenersatz an die beiden Gavazzis zu zahlen – praktisch für alle nachweisbaren Investitionen der beiden Italiener, die diese nach dem 19. April 1999 getätigt haben, als sie 70 Prozent der Aktien des Stahl- und Walzwerks „Socomet” Ferdinandsberg vom damaligen Fonds für Staatsbesitz (FPS) für 500.000 Euro kauften und das Werk ab sofort als „Gavazzi-Steel” „erfolgreich” in die Insolvenz führten, wofür sie kaum ein Jahrzehnt benötigten.

Tatsache ist, dass die von Rumänien zu zahlende Entschädigungssumme an Marco und Stefano Gavazzi gegenüber der vor dem ICSID eingeforderten Entschädigungssumme von 46.350.000 Dollar, gering ist, was bei AAAS als Prozesserfolg gewertet (und gefeiert) wird. Die Verhandlungen vor dem Investitionsschiedsgericht könnten ein Präzedenzfall sein auch für das Reschitzaer Maschinenbauwerk UCMR, dessen Privatisierungsvertrag mit der Schweizer INET AG ähnliche Vertragsklauseln enthält, die vom rumänischen Staat, genauer vom zuständigen Finanzministerium und dem Wirtschaftsministerium, nie eingehalten wurden (etwa „Erlassen der ´historischen` Schulden” – jener Schulden, die die Werke vor der Privatisierung angehäuft hatten). Unterm Strich bleibt festzuhalten, dass die italienischen Brüder Gavazzi „Socomet” für 500.000 Euro vom rumänischen Staat kauften (ein Schleuderpreis, sagen Fachleute des Stahl- und Walzwesens, die das – immer noch stillstehende – Werk in Ferdinandsberg für das potenziell leistungsfähigste und modernste Rumäniens halten). Nach dem Kauf haben die Gavazzis – laut dem ICSID vorgelegten Belegen – 1.897.000 Dollar und 657.000 Euro dort investiert, währenddessen der rumänische Staat seinen Vertragsverpflichtungen nicht nachkam, was aber nur in geringem Maß zur späteren Insolvenz von „Gavazzi Steel” beitrug.

Das Schiedsgericht erkannte den Vorwurf der Italiener auf „Verlust von chancen” (im Fachjargon des Schiedsgerichts: „loss of Chance”) nicht an und auch nicht den (immerhin von „Deloitte” ausgerechneten, fiktiven) „Verlust” von 43.350.000 Dollar. Hingegen bestätigte das Schiedsgericht den Klägern als einen unter vielen nachgewiesenen Gründen für die spätere Insolvenz den vom rumänischen Staat verschuldeten „Verlust an Gelegenheiten” („loss of opportunity”), mit dem obengenannten Umfang der Entschädigungssumme. Dass allerdings heute die Agentur zur Verwaltung der Staatsaktiva AAAS von einem „Sieg” im „Prozess” spricht, ist richtig nur angesichts der viel geringeren Entschädigungssumme als ursprünglich gefordert. Denn grundsätzlich darf und müsste davon ausgegangen werden: Wenn der rumänische Staat seinen Vertragsverpflichtungen nachgekommen wäre, wäre er noch besser davon gekommen – dass dies nicht geschah, dafür muss es aber Verantwortliche geben! Die nennt jedoch niemand (und seien es auch nur diejenigen, die grundsätzliche Anweisungen in die Richtung des Nichteinhaltens von Vertragsverpflichtungen vorgegeben haben – weil davon ausgegangen werden muss, dass kein kleiner Beamter irgendeines Ministeriums so etwas von sich aus entscheidet). Schließlich haben wir es einerseits mit einer Frage des Vertrauens und der Rechtssicherheit zu tun. Andrerseits geht jede Entschädigung, die der Staat für Fehler oder Unterlassungen seiner Verantwortlichen zu zahlen hat, auf Kosten des Steuerzahlers.

Es ist ein schwacher Trost, wenn man vom Internationalen Schiedsgericht ICSID erfahren muss, dass die zahlreichen Fehlmaßnahmen und Unterlassungen der Brüder Gavazzi Hauptgründe sind, die zur Insolvenz des Ferdinandsberger Stahl- und Walzwerks (und implizite zum Arbeitsplatzverlust von rund 1000 Menschen im oberen Bistratal) geführt haben, und weniger die Verzögerungstaktik in der Vertragseinhaltung seitens des rumänischen Staates. Teuer war sie trotzdem.
Aber auch eine weitere Frage bleibt immer noch offen: Was haben die Verteidiger gekostet? Denn auch deren Honorare haben doch wir, die Steuerzahler, ungefragt beglichen: die SCPA Cobuz şi Asociaţii als „Leader des Konsortiums”, dem noch „C.I. Sîrbu Manuela, Michael Peer-Partner von KPMG und Herr Professor Bazil Oglinda” angehört haben. AAAS schweigt sich darüber aus. Wir, die Steuerzahler, dürfen bloß wissen, dass der Staat effizient verteidigt wurde. Dass ein ehrlicher Rechenschaftsbericht auch den Preis dafür nennen müsste, ist AAAS (noch?) nicht bewusst.