Stadt der Bären

Kronstädter Behörden versuchen erfolglos, die wilden Tiere fernzuhalten

28. Mai 2016. Ein 19-Jähriger wird neben der Bolnok-Hütte in der Nähe von Siebendörfer/Săcele von einem Bären angegriffen. Er wird mit schweren Wunden ins Krankenhaus eingeliefert.
19. Juni 2016. Ein 60-Jähriger, der in der Nähe vom Mühlenberg/Dâmbu Morii Pilze sammelt, wird von einem Bären angegriffen und schwer verletzt. Man vermutet, dass es derselbe Bär ist, der einige Tage zuvor beim Bolnok angegriffen hat. In der Gegend wird ein neues Viertel mit Häusern und Pensionen gebaut. Die Leute, die dort Wohnungen gekauft haben, sind ein großes Risiko eingegangen.
14. Juli 2016. Ein 64-jähriger Mann wird von einem Bären auf der Calcarului-Straße im Burggrundviertel/Răcădău am Fuße der Zinne angegriffen und schwer verletzt. Der bewusstlose Mann wird ins Kronstädter Kreiskrankenhaus mit Verletzungen an Hals, Kopf und Brustkorb eingeliefert. Das Forst- und Wildverwaltungsamt Kronstadt beginnt eine Jagd nach dem Bären, der offensichtlich aggressiv ist. Vom Ministerium für Umwelt erhalten die Jäger die Genehmigung, das Tier zu erschießen. Touristen wird abgeraten, die Gegend zu betreten.
15. Juli 2016. Ein Mann geht mit seinem Hund in dem Wald spazieren, wo vor einem Tag der Vorfall passiert ist. Der Bär greift wieder an. Der Hund wird getötet, der Mann schafft es, mit leichten Wunden davonzukommen. Gegen 21 Uhr kehrt der Bär an den Ort des Angriffs zurück und wird von Jägern erschossen.

Seit Jahren versuchen die Kronstädter Behörden erfolglos, die Bären-Attacken zu vermeiden. Die Stadt ist jedoch in den letzten Jahren so dicht an den Lebensraum der Tiere herangewachsen, dass Bär und Mensch sich immer wieder begegnen. In den Wohnvierteln am Waldrand dringen die Tiere, Futter suchend, in Höfe und Gärten ein und versetzen die Bewohner in Schrecken. Manchmal endet die Begegnung Mensch-Bär mit einer Tragödie. Man muss einsehen, dass im Burggrundviertel, beim Bolnok und bei „Dâmbu Morii“ die Menschen zu Gast bei den Tieren sind, und nicht umgekehrt. Diese Siedlungen wurden in ein traditionelles Bärenrevier gebaut. Schon während des Kommunismus hat man hier angefangen, viel, chaotisch und kopflos zu bauen, ohne Studien über die Auswirkungen vorzunehmen.

Mülltonnenbären – zwischen touristischer Attraktion und Verantwortungslosigkeit

„Gibt es die Bären noch, die abends zu den Mülltonnen kommen?“ Diese Frage wird von Touristen, die Kronstadt besuchen, immer noch gestellt. Anfang der 2000er Jahre blühte im Burggrundviertel der Müllbären-Tourismus, darüber berichtete auch die internationale Presse. An jedem Abend fanden sich die Bären aus dem nahe liegenden Wald neben den Müllcontainern ein. Reisebusse voller Schaulustiger aus aller Welt kamen, um das nächtliche Bärenspektakel zu fotografieren und zu filmen. Auch im Cerbului-Tal im Bergkurort Buşteni, am Fuße des Bucegi-Gebirges, sind Bären zur Attraktion geworden. Hier entsteht jedes Jahr im Juni ein regelrechtes Wohnwagenviertel, das erst Anfang Oktober verschwindet. Es gab eine Zeit, als die Bären die Gegend um die Wohnwagen jeden Abend besuchten. Der Grund dafür: Die Leute hatten gegrillt und den Müll nicht komplett entsorgt. Die Bären kamen, um Nahrung zu finden. Das Portal Youtube ist voll von Bären-Videos, die in der Gegend gedreht wurden.

Ebenfalls auf Youtube kann man ein Video finden, das vor acht Jahren aufgenommen wurde. Darin kann man eine ganze Bärenfamilie sehen, die durch die Straßen Kronstadts trottet. Laut Medienberichten ist im Jahr 2008 ein Bär sogar in eine Wohnung eingedrungen, die sich in der dritten Etage befand. Auch in Rosenau/Râşnov kommen Bären immer näher an die menschlichen Siedlungen. Letzte Woche gab es Videos mit einem Bären aus Rosenau im Internet. Das etwa dreijährige Tier ist seit Ende Mai ein Stammbesucher der Rosenauer Bauernburg. Während seiner Besuche hat der Bär ein paar Müllkörbe zerstört, einen Zaun ausgerissen, einen Kasten mit Speiseeis geplündert und sogar versucht, mit der Zahnradbahn zu fahren. Eine Überwachungskamera hat alles aufgenommen. Manche finden ihren Spaß daran. Doch im Laufe der Jahre gab es auch Geschichten ohne Happy-End.

Blutige Attacken: 50 Verletzte und 6 Tote

Laut den Daten des Nationalen Instituts für Forschung und Entwicklung im Forstwesen (INCDS) wurden in den letzten 12 Jahren in Kronstadt und im Prahova-Tal 50 Personen von Bären schwer verletzt und ins Krankenhaus eingeliefert. Sechs Personen haben den Bärenangriff nicht überlebt.
Die blutigste Attacke fand im Oktober 2004 im Burggrundviertel statt, als 12 Picknicker von einem Bären brutal angegriffen wurden, zwei von ihnen tödlich. Der Bär wurde noch am selben Tag von Jägern erschossen. Später wurde bekannt gegeben, das Tier sei tollwütig gewesen. Was von Spezialisten bezweifelt wurde. Laut einem Augenzeugen hätten die angetrunkenen Picknicker mit Glut nach dem Bären geworfen, erst dann wurde dieser aggressiv.

Auch im Bucegi-Gebirge bei Padina ist es zu mehreren tragischen Vorfällen gekommen. Der vielleicht bekannteste fand im Juni 2007 statt, als ein Bär eine Touristengruppe angegriffen, eine Amerikanerin zu Tode gebissen und ihren Begleiter schwer verletzt hat. 2010 kam es auf der Promenade unter der Zinne zu einer Tragödie. Ein 20-Jähriger wurde hier, nur 100 Meter von einem Spielplatz entfernt, von einem Bären angegriffen und getötet. Infolge der sich vermehrenden Vorfälle haben die Behörden in der Zeitspanne 2004-2015 ein Umsiedlungsprogramm für Bären gestartet. Bis heute wurden 101 Exemplare aus Kronstadt und aus dem Prahova-Tal umgesiedelt. So eine Aktion kann aber nur im Falle von Jungtieren vorgenommen werden, die sich leichter an ein neues Zuhause anpassen.

Jede Hütte, die im Wald gebaut wird, verkleinert das Habitat des Bären um 2 km

Laut Ramon Jurj, INCDS-Forscher, haben beide Männer, die Mitte Juli in der Nähe der Calcarului-Straße vom Bären angegriffen wurden, einen schlimmen Fehler begangen: Sie haben ihre Hunde nicht an der Leine gehalten. Das hätte sie fast das Leben gekostet. Die Hunde haben den Bären gewittert, der Bär wurde aufgeregt und griff die Männer an. Beim Bären, der am 15. Juli erschossen wurde, handelte es sich um ein etwa dreijähriges Exemplar, das in der Nähe der Stadt aufgewachsen ist und sich hauptsächlich von Müllresten ernährt hat. Beide Attacken fanden nur 500 Meter von den menschlichen Siedlungen entfernt auf einem abgelegenen Waldweg statt, wo die Sichtbarkeit weniger als fünf Meter beträgt. Hier, im Dickicht, sollen viele wilden Tiere eine Herberge suchen.

„Die Leute sollten sich dessen bewusst werden, dass in den Wäldern von Kronstadt und im Prahova-Tal die Bärendichte sehr hoch ist: mehr als 80 Exemplare pro 10.000 Hektar Habitat. Das führt dazu, dass immer wieder Begegnungen zwischen Mensch und Bär vorkommen. In den letzten Jahren wurde sehr viel gebaut und die Bären haben 30 Prozent ihres natürlichen Habitats verloren“, erklärte Cosmin Didă, Vertreter der lokalen Forstregie „Kronstadt“, kürzlich auf einer Pressekonferenz. Laut den Daten des Kronstädter Jagdvereins leben im Kreis Kronstadt etwa 900 Braunbären. Die Gegend Siebendörfer/Săcele-Obertömösch/Timişul de Sus-Azuga-Buşteni hat die größte Bärendichte Europas. „Wenn man im Wald oder auf einer Gebirgswiese eine Hütte baut, zerstört man etwa 2 Kilometer Bären-Habitat. Die Menscheninvasion in das Revier des Bären ist der Hauptgrund für die häufigen Attacken“, meint Didă.

Keinen Müll nach Anbruch des Abends heraustragen!

Der Hauptgrund, weshalb sich die Bären den menschlichen Siedlungen nähern, ist, dass sie hier eine Nahrungsquelle finden, zu der sie leichten Zugang haben. Hinter den Gärten, wo die Attacken Mitte Juli stattgefunden haben, wurden Restmüll und reife Früchte gefunden. Auch haben viele Touristen die schlechte Gewohnheit, im Wald zu picknicken und die Reste dort zu hinterlassen. Das schadet nicht nur der Umwelt, sondern lockt auch Bären an. Auch Bewohner der Wohnviertel, die nahe am Wald gelegen sind, sollten mit dem Müll vorsichtig umgehen. „Solange die Leute ihren Müll nach Einbruch des Abends heraustragen, können wir das Problem der Bären nicht lösen. Die Behörden haben beschlossen, dass im Burggrundviertel die Müllabfuhr am Abend stattfindet. Trotzdem haben wir in mehreren Wohnvierteln am Rande des Waldes übervolle Müllcontainer am Abend gefunden, weil die Leute leider den Müll wegwerfen, nachdem die Müllabfuhr schon weg ist. Der Bär wird immer kommen, solange es etwas zu essen gibt“, meint Cosmin Didă.

Was tun, wenn man einem Bären begegnet?

Bären-Attacken kann man vermeiden, indem man nicht in Wäldern spazieren geht, wo vor wilden Tieren gewarnt wird. Man sollte die markierten Wanderwege auf keinen Fall verlassen, am besten in Gruppen spazieren gehen und nur bei Tageslicht Wanderungen unternehmen. Spaziergänge am frühen Morgen oder am späten Abend sollte man vermeiden. Während der Wanderung sollte man laut sprechen, singen oder pfeifen. Falls man Bärenspuren entdeckt, sollte man sofort umkehren. Hunde werden auf Waldwegen immer an der Leine geführt. Falls man trotzdem einem Bären begegnet, sollte man wissen, dass das Tier erst dann attackiert, wenn es sich bedroht fühlt. Das aggressive Verhalten des Bären hat nur den Zweck, die Person in die Flucht zu schlagen. Falls der Bär näher kommt, sollte man einen Gegenstand vor sich werfen (Pilzkorb oder Rucksack). Wenn dieses nicht den erwünschten Erfolg bringt, sollte man sich auf den Boden werfen, Kauerstellung einnehmen und die Hände über den Kopf werfen.