„Standort Rumänien ist und bleibt für österreichische Investoren somit von großem Interesse“

ADZ-Gespräch mit Mag. Isabel Rauscher, Botschafterin der Republik Österreich in Rumänien

Bildquelle: ADZ/Autor

Rumänien ruft kaum europäische Gelder ab, entsprechend benötigt das Land mehr denn je Investoren, da ein konsumbasiertes Wirtschaftswachstum nun einmal kein nachhaltiges ist. Doch schlägt die linksliberale Koalition seit Regierungsantritt zunehmend wirtschaftsnationalistische Töne an, Spitzenpolitiker der PSD und ALDE wettern regelmäßig gegen westliche Investoren, die sich hierzulande wie „Blutsauger“ aufführen und sich auf Kosten der Bürger eine goldene Nase verdienen würden. Wie die österreichischen Unternehmen, die ja bekanntlich seit Jahren in unserem Land zu den Topinvestoren gehören, angesichts derartiger Töne, aber auch der andauernden Steuerrechtsänderungen noch zum Standort Rumänien stehen, erläuterte die seit Ende letzten Jahres bevollmächtigte Botschafterin der Republik Österreich, Mag. Isabel Rauscher, in einem Gespräch mit ADZ-Redakteurin Lilo Millitz-Stoica.

Sehr geehrte Frau Botschafterin, eingangs herzlich willkommen in Bukarest. Darf ich Sie zunächst nach den Kernpunkten Ihres Mandats fragen – was wird für Sie im Fokus stehen?

Herzlichen Dank, ich freue mich, hier zu sein.

Die engen Beziehungen Österreichs und Rumäniens sind von geografischer Nähe, enger wirtschaftlicher Verflechtung sowie historischen Gemeinsamkeiten geprägt. Ich sehe es als meine Aufgabe, gemeinsam mit meinem Team das vielseitige Spektrum dieser Beziehungen abzudecken und zu intensivieren.

So auch als Partner innerhalb der Europäischen Union. Im zweiten Halbjahr 2018 wird Österreich die Ratspräsidentschaft innehaben. Unmittelbar darauf folgt in der ersten Jahreshälfte 2019 Rumänien – wie Sie sehen, eine breitgespannte Thematik, die eine enge Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Staaten erfordert und ermöglicht.
Das Jahr 2018 stellt darüber hinaus ein besonderes Gedenkjahr für unsere beiden Staaten dar. Vor genau einem Jahrhundert wurden sowohl der moderne Staat Rumänien als auch die Republik Österreich gegründet – beides historisch prägende Ereignisse, die es im Laufe dieses Jahres mehrfach zu würdigen gilt.
 

In Rumänien haben Spitzenpolitiker der Regierungskoalition, einschließlich Ex-Premierminister Mihai Tudose, im letzten Jahr zunehmend wirtschaftsnationalistische Töne angeschlagen und sich wiederholt auf multinationale Unternehmen eingeschossen – allen voran Banken und Mineralölkonzerne. Zu den Marktführern gehören in beiden Bereichen rumänische Töchter österreichischer Konzerne. Inwiefern bleibt der Standort Rumänien unter diesen Umständen für österreichische Investoren noch attraktiv?

In den vergangenen zwei Jahren verzeichnete Rumänien das stärkste Wirtschaftswachstum aller EU-Mitgliedstaaten, die Voraussagen für heuer stimmen ebenfalls zuversichtlich. Der Standort Rumänien ist und bleibt für österreichische Investoren somit von großem Interesse, nicht zuletzt aufgrund der wirtschaftlichen Dynamik und der potenziell weiter steigenden Inlandsnachfrage.

Im Binnenmarkt der Europäischen Union, an dem sowohl Rumänien als auch Österreich teilhaben, sollte die „Nationalität“ eines Unternehmens keine Rolle spielen. Im Gegenteil, die Stärke Europas ist, dass Investoren und Unternehmen aus verschiedenen Mitgliedstaaten ihre Kräfte vereinen, um etwas Neues, Größeres, Innovativeres zu schaffen. Dadurch entstehen Arbeitsplätze – allein die circa 3000 in Rumänien tätigen Firmen mit österreichischem Kapital beschäftigen hier direkt bis zu 100.000 Personen. Die von ihnen angesprochenen Marktführer im Finanz- und Energiebereich sind das beste Beispiel für ein solches erfolgreiches Zusammenwirken.
 

Wie besorgt sind die österreichischen Unternehmen wegen der zahllosen, oft über Nacht erfolgten Steuerrechtsänderungen und der politischen Instabilität im Land bzw. der Dauerkrise bei den regierenden Sozialdemokraten – was für Feedbacks haben Sie diesbezüglich?

Selbstverständlich sind plötzliche Änderungen in der Fiskalpolitik für jedes Unternehmen, das langfristig planen möchte, wenig willkommen. Die Vorhersehbarkeit und Zuverlässigkeit des Umfeldes, in dem man Investitionen tätigt, muss auch hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen stabil sein, um weiterhin attraktiv zu sein. Eine gewisse Frustration bzw. Sorge habe ich in ersten Gesprächen mit österreichischen Investoren in diesem Zusammenhang schon heraushören können.
 

Zu den ersten Beschlüssen der neuen, schwarz-blauen Koalition in Österreich gehört die Kürzung der Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder – laut Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bringt es „mehr Gerechtigkeit, wenn die Familienbeihilfe an die Lebenshaltungskosten im jeweiligen Land angepasst wird“. EU-Abgeordnete aus Polen, Ungarn, der Slowakei und Rumänien wollen nun die EU-Kommission mit dem Thema beschäftigen und sehen in dem geplanten Gesetz eher eine Diskriminierung bzw. Unterteilung von Kindern in „Bürger erster und zweiter Klasse“ als ein effizientes Vorgehen gegen Sozialtourismus, zumal die Eltern ja zum österreichischen Sozialsystem beitragen. Wie stehen Sie dazu?

Zunächst einmal möchte ich festhalten, dass sich die diesbezügliche Gesetzgebung zurzeit im Entwurfsstadium befindet. Die innerösterreichische Begutachtungsfrist ist vor Kurzem abgelaufen, erst nach Prüfung aller Stellungnahmen wird das Gesetz in den parlamentarischen Prozess eingebracht.

Beabsichtigt ist die Einführung eines objektiven Indexierungsmechanismus, der die jeweils lokal gegebenen Lebenshaltungskosten in den einzelnen Staaten berücksichtigt. Dies ungeachtet der jeweiligen Nationalität, sondern vielmehr bezogen auf den entsprechenden Aufenthaltsort. So würde allen Kindern in Österreich – egal welcher europäischen Nationalität – der gleiche Betrag zugewiesen werden, im Gegenzug auch österreichischen Kindern, die außerhalb Österreichs leben, derjenige Betrag, der den Lebenshaltungskosten im Land ihres Aufenthaltes zusteht.

Zielsetzung auf europäischer Ebene wäre eine EU-weite Indexierung, gemäß den vom zentralen EU-Amt für Statistik, Eurostat, erhobenen Zahlen.
 

Die Debatte über die Zukunft der Europäischen Union geht 2018 in die Fortsetzung. Bundeskanzler Kurz hat sich Anfang des Jahres, anlässlich seines Frankreich-Besuchs, zwar gegen ein „Europa verschiedener Geschwindigkeiten“ ausgesprochen, davor aber wiederholt die zentrale Rolle des Nationalstaates in der EU betont. Spricht sich Österreich damit für mehr oder weniger Europa aus? Oder einfach nur für ein effizienteres?

Österreich spricht sich für eine effizientere Herangehensweise an die zukünftigen Herausforderungen der Union aus. Die Europäische Union steht heute an einem Wendepunkt. Der bevorstehende Austritt Großbritanniens sollte als Impuls dienen, notwendige Anpassungen in der bisherigen Vorgangs- und Arbeitsweise herbeizuführen.

Die Zukunftsdebatte ist aus österreichischer Sicht von besonderer Bedeutung: Die Europäische Union soll sich auf die zentralen Herausforderungen konzentrieren, Subsidiarität ins Zentrum stellen und das Vertrauen der Bürger und Bürgerinnen wiedergewinnen. Die zentralen Politikfelder – und somit auch Herausforderungen – sind Migration und Außengrenzschutz, innere und äußere Sicherheit, wirtschaftliche und soziale Entwicklung, die Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion, der künftige Umfang und die Schwerpunktsetzung der EU-Finanzen sowie die Funktionsweise der EU.

Der Reflexionsprozess zu all diesen Themen wird im Laufe dieses Jahres intensiv fortzuführen sein, damit erste Ergebnisse beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs während der rumänischen Ratspräsidentschaft in Hermannstadt im Mai 2019 vorliegen und Weichen bis 2024 gestellt werden können.
 

Und nicht zuletzt: Worauf freuen Sie sich hierzulande, welches waren Ihre ersten Begegnungen und Reiseziele?

Ich bin mit besonderer Herzlichkeit aufgenommen worden und freue mich darauf, dieses Land in all seiner Vielfältigkeit und Gegensätzlichkeit sowohl beruflich als auch persönlich entdecken und kennenlernen zu dürfen.
 

Herzlichen Dank für Ihre Ausführungen.