Straßenfotografie: Die Gesichter der Temeswarer

Milodrag Konstantinovici fotografiert Passanten im Alltag

Die Gesichter von Temeswar.

Die Gesichter von Temeswar.

Der Hobbyfotograf und leidenschaftliche Dichter ist zu einer bekannten Gestalt in der Innenstadt von Temeswar geworden.

Die ausdrucksvollen Gesichter und Gestalten der Temeswarer hält „Bata“ für die Ewigkeit fest.

Auch ADZ-Redakteurin Andreea Oance wurde von Milodrag Konstantinovici bei ihrem gemeinsamen Gespräch fotografiert. Fotos: privat

Versteckt hinter einer großen Kamera kann man ihm oft in der Temeswarer Innenstadt begegnen. Er knipst Passanten und präsentiert Menschen in Bewegung aus dem Temeswarer Alltag, eingefangen durch sein Foto-Objektiv. Milodrag Konstantinovici ist 62 Jahre alt und hat seine Leidenschaft für Fotografie erst vor zwei Jahren entdeckt. Seither fotografiert er fast täglich die Straßen, doch vor allem die Menschen von Temeswar, und lädt die Bilder auf seiner Facebook-Seite hoch.

Er ist bereits eine bekannte Figur in der Temeswarer Innenstadt. Vor der Temeswarer Staatsoper, in der Alba-Iulia-Fußgängerstraße oder am Freiheitsplatz verbringt Milodrag Konstantinovici meistens seine Nachmittage, unabhängig von der Jahreszeit. Er versucht, die ausdrucksvollen Gesichter und Gestalten der Temeswarer für die Ewigkeit festzuhalten. „Die Motive kommen dir entgegen. Du musst einfach nur da sein“, erklärt Milodrag Konstantinovici, von Freunden und Bekannten auch Bata genannt. „Ich bin kein Paparazzo, ich bleibe nicht versteckt. Die Menschen sollen sich nicht verfolgt, sondern, ganz im Gegenteil, völlig entspannt fühlen“, meint der Temeswarer, der sich selbst eher als schüchtern beschreibt. Durch das Fotografieren hat er eine Art und Weise gefunden, seine Scheu Menschen gegenüber zu bekämpfen und zu bewältigen. „Seitdem ich auf der Straße fotografiere, habe ich so viele Menschen kennengelernt. Wenn mich Passanten sehen, winken sie mir zu oder kommen gleich auf mich zu. Wir plaudern und lernen uns kennen“, sagt der Hobbyfotograf. „Wenn man Leute auf der Straße fotografiert, nimmt man die einzelnen Personen aus der Menschenmenge heraus. Sie bleiben nicht mehr anonym. Man macht aus ihnen eine Gestalt“, erklärt Milodrag „Bata“ Konstantinovici. Er habe auch ein phantastisches Gedächtnis, fügt er hinzu, er erinnere sich an alle Namen und Gesichter.

Das Jahr 2016 war das dritte Jahr, in dem der Mann mit Brille und Kappe – fast ein Markenzeichen für ihn - auf den Straßen von Temeswar zu sehen war. „Meine Faszination für dieses Hobby ist in der Zwischenzeit größer geworden“, sagt Milodrag Konstantinovici entschlossen, dabei holt er die Kamera aus der Tasche, die im Korb seines Pegas-Fahrrads steckt. Während er erzählt, hält er selten Blickkontakt, scheint aber dennoch nichts zu übersehen: nicht den Teenager, der in ausgefallenen Klamotten durch den Park auf seinem Skateboard rollt, oder die junge Mutter, die mit ihrem Baby spazieren geht. Gleich hört man ein Knipsen – auch sie sind nun Protagonisten in der alltäglichen Fotoreportage von Milodrag Konstantinovici. „Ich bin für lebendige Fotografie - ohne Menschen anzuhalten und sie zum Posieren zu bringen“, setzt Milodrag fort. So sind viele Passanten in der Temeswarer Innenstadt zu Hauptdarstellern auf seinen Fotos geworden, viele sogar, ohne etwas zu ahnen und ohne jemals seine Fotos gesehen zu haben. Einmal eine Ausstellung zu organisieren kann sich der Temeswarer gut vorstellen. Die Fotografien müssten aber unbedingt im Freien, in den Straßen der Innenstadt, ausgestellt werden, insistiert er. „Denn das ist der Ort, wo sie entstanden sind und wo sie bewundert werden müssen – von Protagonisten und einfachen Passanten, die auch potentielle Hauptfiguren werden können“, sagt der Hobbyfotograf. Viele Temeswarer könnten bei einer Freiluftausstellung eine Überraschung erleben und entdecken, dass sie im Vorbeigehen unversehens zu Motiven geworden sind.

Bis dahin können Batas Bilder auf seiner Facebook-Seite bewundert werden.  Auf www.facebook.com/kmilodrag freut sich Milodrag Konstantinovici bereits der Wertschätzung zahlreicher virtueller Freunde. Dabei begleitet er seine Fotos auch mit interessanten und fesselnden Texten, Versen und Zitaten. „Die Fotos werden durch den Text bereichert“, meint er überzeugt.
Seine neusten Schnappschüsse müssen jeden Tag aktuell hochgeladen werden, denn die virtuellen Freunde sind immer wieder gespannt darauf, zu sehen, wie der vorige Tag für ihn ausgesehen hat. „Das hält mich auch immer am Ball“, sagt Bata. So bearbeitet er seine Schnappschüsse abends oder morgens kurz und wählt die ausdrucksvollsten für Facebook aus. „Dann überlege ich mir die perfekten Zeilen zum Bild. Fotos und Text sollen zu einem Essay werden.“ Oft sind es eigene Verse, die er sich, während er eine Zigarette raucht, überlegt.

Sich Verse auszudenken und zu dichten ist eine alte Leidenschaft von Milodrag Konstantinovici. Bereits in seiner Jugend hat er angefangen, Gedichte zu schreiben. Als schüchterner Mensch hat er zu Beginn niemandem seine Werke gezeigt, erst einige Jahre später, in den 80ern, überzeugte ihn ein Pfarrer aus Hatzfeld/Jimbolia, diese zu veröffentlichen. „Meine Verse waren immer eine Art Meditation – ich äußerte Verinnerlichungen“, sagt der Mann lächelnd. Doch die Leidenschaft fürs Schreiben wurde damals, zur Zeit des Kommunismus, eingeschränkt. „Nach der Wende hatte man dann das Gefühl von so viel Freiheit, dass man auch keinen Drang zum Schreiben mehr empfand“, erklärt er. „Erst durch Facebook und meine Fotos habe ich wieder Lust zum Schreiben bekommen“, meint der Temeswarer entschlossen.

Bescheiden beschreibt er sich als leidenschaftlichen Menschen, der Literatur liebt. „Ich bin kein Schriftsteller – ich schreibe nur gerne. Ich bin auch kein Fotograf, sondern nur ein Mensch, der sich ständig wiederfindet“, sagt Bata.
Milodrag Konstantinovici entstammt einer serbischen Familie in Temeswar. Er wuchs im Mehala-Stadtviertel auf und war von der Stimmung der Stadt schon immer begeistert gewesen - „Die Plurikulturalität, das friedliche Beisammensein aller Minderheiten und die Stadt als Ganzes“, sagt er. „Ich kann mir daher auch nicht vorstellen, irgendwo anders zu leben.“ Konstantinovici arbeitete sein ganzes Leben beim Fernheizwerk der Stadt. In drei Jahren wird er in Rente gehen – er weiß aber schon jetzt, dass er sich im Ruhestand bestimmt nicht langweilen wird.