Telefonieren im Ausland

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Als ich nach meiner Flucht aus Rumänien in Düsseldorf landete und von hier aus meine ersten Telefonanrufe tätigte, kapierte ich überhaupt nicht, wieso der Angerufene mich jedesmal nach Abnahme des Hörers seinen Nachnamen wissen ließ. Ich litt doch nicht an fortgeschrittener Demenz und wusste immer noch haargenau, wen ich da gerade angerufen hatte.
In Rumänien meldete man sich am Telefon immer nur mit „Alo?“, was nichts anderes als „Hallo?“ heißt. Mit Fragezeichen. Oder einfach nur knapp mit „Da“. Was „Ja“ heißt, ohne Fragezeichen. Dieses „Da“ war semantisch vollkommen neutral, klang jedoch für mich wie auch für eine Menge anderer östlicher Landsleute wie eine unterschwellige Bedrohung, zumal es aus dem Russischen stammte, und die Russen damals rund um die Uhr mit der Flinte im Anschlag auf das Wohlergehen der verbündeten Ostblockländer aufpassten. Ich war bis zu meiner Flucht in den Westen ziemlich ungeübt im Telefonieren, denn ich hatte zu meinem Leidwesen noch nie über einen eigenen Fernanschluss verfügt. Öfter als in der Realität hatte ich einen Telefonapparat im Kino gesehen. Ich hatte zwar wiederholt einen Fernsprechanschluss beantragt, aber vergeblich. Der in meinem Leben Regie führende sozialistische Staat fand mich für die Rolle des Telefonbesitzers als ungeeignet. Ich hätte ja, wie in Hitchcoks „Bei Anruf Mord“, per Klingelton das Beseitigen meiner Ehefrau veranlassen können, oder, da des Französischen mächtig, bei den rebellischen Franzosen anrufen, um mir Tipps für eine Neuauflage der Révolution Francaise, die zum Umsturz des Sozialismus geführt hätte, einzuholen.

Und so musste ich halt mangels Telefon meine gelegentlichen Telefonate von meinem Nachbarn aus erledigen, bis ihm eines Tages das Telefon entzogen wurde, mit dem Vorwurf, er habe den rumänischen Geheimdienst, die Securitate, verunglimpft. „Ich?! Wieso?“, wunderte er sich. Die Antwort erbrachte Beweise, die sich nicht abstreiten ließen: „Sie haben beim Telefonieren des Öfteren behauptet, diese würde ihre Gespräche abhören.“ Im Westen angelangt, hatte ich zwar immer noch kein Telefon, dafür konnte ich aber jederzeit von einer öffentlichen Telefonzelle aus telefonieren. Man brauchte dafür bloß zwei Groschen, wenn man sich kurz fasste. Es gab in den 70ern in Düsseldorf öffentliche Telefonzellen wie Sand am Meer, sie waren beinah so zahlreich wie heute die Apotheken. Es war die gute, alte Zeit, wo man die Rufnummern der besten Freunde und nächsten Verwandten noch auswendig kannte. Und das zerfledderte alte Telefonbuch lag meist geöffnet in der Kabine herum, doch die Seite, die man gerade brauchte, war leider immer herausgerissen. Die Telefonzellen waren gelb und leuchteten wie van Goghs Sonnenblumen, und innen drin roch es nach kaltem Zigarettenrauch und Urin, was jedoch nicht weiter schlimm war, zumal sich immer einer fand, der, wenn man länger als eine Minute telefonierte, die Tür der Telefonhäuschens aufriss und aggressiv fragte: „Telefonieren Sie noch lange?“ Und so konnte man endlich wieder frische Luft einatmen.

Heute gibt es dank Internet Kommunikationsmittel wie E-Mails, Facebook, WhatsApp-Messenger, Skype, Twitter, usw. Da ich mich ihrer fleißig bediene, bleibt mir kaum noch Zeit zum Telefonieren. Wenn ich jemanden anrufe, dann mit dem Smartphone, und das auch nur, um mich bei ihm zu entschuldigen, dass ich bisher keine Zeit hatte, ihn anzurufen und auch momentan zu sehr im Stress bin, um zu telefonieren.  Gut zu wissen: In Großbritannien, Frankreich, Italien oder Spanien meldet man sich am Telefon genauso wie im Osten Europas nicht mit Namen, sondern mit Hello? oder Allô? oder Pronto? oder Digame? Das gilt jedoch lediglich für Gespräche auf normaler Ebene. Wie man sich auf Regierungsebene telefonisch meldet, das weiß ich leider nicht, da müssen Sie die NSA, die amerikanische Sicherheitsbehörde, fragen. Und apropos Datenschutz: Mein Held Tarzan wurde mit Sicherheit nie abgehört. Sein Jodelschrei war so heftig, dass jeder im Dschungel ihn auch ohne technische Hilfsmittel mitbekam.