Temeswar, die Kaufrauschcity

Die Welle im Hypermarkt, die Not im Verkehr

Eng ist es im Verkehr und noch enger auf den Parkplätzen über die Feiertage.
Foto: Ştefana Ciortea-Neamţiu

Gleich einen dritten Anlauf auf die Supermärkte, Hypermärkte und die Mall nehmen die Temeswarer dieser Tage: Nach der Welle vor Weihnachten und Silvester erlebt die Zeit vor den hierzulande sehr beliebten Feiertagen der Taufe des Herrn und des Tages des hl. Johannes des Täufers (im orthodoxen Kalender) einen weiteren Ansturm auf die Läden. Und da laut Statistik fast zwei Millionen Bürger ihren Namenstag feiern und dies oft nicht im engen, sondern im weiten Familienkreis oder auch unter Freunden geschieht, ist es irgendwie verständlich, dass ein dritter Marathon in den als „Shopping-Centers“ umbenannten Kaufhäusern entsteht. Dies schafft nicht nur in den Läden selber Gedränge, sondern auch im Stadtverkehr. Hilfreich ist, dass in diesem Jahr die Schule eine Woche später startet, somit die Autofahrerei mit Kindern an Bord nicht auch noch ein Muss ist. Dass sich Temeswar zur Einkaufsrauschcity von heute mausern würde, hätte noch vor zehn Jahren niemand erahnen können. Vor Weihnachten oder auch vor Neujahr haben die geschulten Einkäufer einige der wichtigsten Straßen der Innenstadt gemieden. Da war Stau angesagt und die Parkplätze wirkten wie ein zusammengestelltes Puzzlespiel, das so manchen Fahrer zu den undiszipliniertesten, verwegensten Lösungen des Parkens in Kreuzungen, auf Gehsteigen oder andere Autos blockierend greifen ließ.

Dass die Hektik nicht vorbei war, zeigte schon der zweite Weihnachtstag, der von vielen Angestellten der Supermärkte bei der Arbeit und durch Arbeit „gefeiert“ wurde. Die Kerzen brannten noch am Weihnachtsbaum, schon machten sich viele Temeswarer auf die Socken und schlitterten mit den Kaufwagen durch die Supermärkte. Nicht nur das Essen war alle geworden, einige Menschen entschieden sich für größere Einkäufe und auch ein Plastiktannenbaum ragte aus einem Einkaufswagen hervor. Wahrscheinlich vorsorglich für das nächste Fest zum Restpostenpreis erstanden. Aber nicht nur die Temeswarer tummeln sich in den hiesigen Kaufhäusern. AR, CS, MH und HD – die Autonummern verraten, woher einige der „Einreisenden“ aus dem Inland, die zu den Stammkunden der Mall zählen, kommen. Wobei es in Arad beispielsweise nicht an einer Mall fehlt. Dafür sind Glanz und Gloria der etwas größeren Mall in der etwas größeren Nachbarstadt der Magnet. Die Nachbarn kommen in die Temeswarer Mall nicht nur zum Einkaufen, auch zum Bummeln, zu einem Drink oder auch um sich einen Film anzuschauen. Denn „Cinema City“ hat die Konkurrenz quasi ausgeschaltet, wenn man sich einen neuen Blockbuster oder 3D-Zeichentrickfilme anschauen will.

Aber die Gäste kommen nicht nur aus dem Inland. Die am Wochenende sowieso üblichen Reisebusse oder PKW mit serbischen Nummern steigen über die Feiertage numerisch an. Aus dem Nachbarland, das noch in der EU-Warteschlange steht, zieht es die Serben in den hiesigen Teil des Banats. Die Serben waren den Temeswarern vor der Wende sympathisch, was auf die gemeinsame Geschichte zurückzuführen ist und sich in den 1980er Jahren, als sie vollbeladen mit „Eurokrem“ und „Cipiripi-tabla“ (Tafelschokolade), mit „Vegeta“ und mit billigen, aber farbenfrohen Lippenstiften kamen, noch mehr verstärkt hat, aber der Krieg in Ex-Jugoslawien brachte eine Eiszeit. Wurden 1990, kurz nach der Wende, Belgrad oder Novi Sad oder das gleich hinter der Grenze liegende Vrsac/Werschetz zu regionalen Attraktionen nicht zuletzt aus kommerzieller Sicht gekürt, so ist es nun an Temeswar, diesen Service zu bieten. Und da die Feiertage nach serbisch-orthodoxem Kalender eine Woche später begangen werden (so Weihnachten zu unserem Neujahr und Silvester eine Woche darauf), freuten sich die Touristen aus dem Nachbarland, dass der hiesige Christkindlmarkt nicht schon am 24. Dezember, wie im Westen üblich, schließt, sondern auch die ersten Januarfeiertage überlebt. Und in der Mall hört man in den Markenläden oft Serbisch.

Überhaupt erleben Serben und Rumänen eine erneute Annäherung: In Temeswar wird dieser Tage auf riesigen Plakaten mit Skiurlauben in Serbien geworben – eine Bekannte, die heuer zum dritten Mal hinfährt, meint, dass man in den Hotelanlagen halb Temeswar antreffe, weil da Infrastruktur und Preis „einfach stimmen“. Und in der Mall glänzt erneut ein Stand mit Eurokrem-Produkten aus Serbien. Ganz zur Freude der Nostalgiker, die sich auf die Nascherei freuen. Fast freut man sich bei dem jetzigen Verkehr in der Stadt auf die kommende Woche, wenn sich alles gelegt hat, aber dann sind auch die Feiertage vorbei.