Über holprige Straßen zum Millionenprojekt

Sanierter Wallfahrtsort Maria Radna bleibt eine Tourismusinsel

Da einige Tausend Menschen in der 350 Plätze fassenden Kirche unvorstellbar waren, mussten die meisten Pilger und Schaulustigen auf dem freien Platz vor der Kirche bleiben. Eine Hostie gab es trotzdem.

Wallfahrer brauchen auch Dienstleistungen und gute Straßen. Lippa ist jedoch derzeit eine große Baustelle. Im Bild: Die Straße vor dem 1638 erbauten türkischen Basar.
Fotos: Zoltán Pázmány

Mühevolle Arbeit und viel Geld steht hinter dem Projekt zur Sanierung von Kloster und Wallfahrtskirche Maria Radna. Vier Monate vor pflichtigem Projektabschluss staunen Interessenten bereits über den sanierten Gebäudetrakt. Die Prozeduren, um das EU-Projekt abzuwickeln, waren jedoch zeitweilig ins Stocken geraten. In solchen Momenten unternahm der DFDR-Abgeordnete Ovidiu Ganţ die politisch notwendigen Schritte. Euphorisch heißt es in den Medien von Verdoppelung der Wallfahrer, Pfarrer Andreas Reinholz schlägt nüchterne Töne an: „Laut Vertrag sollen die Besucherzahlen um fünf Prozent steigen“. Dass es mehr werden, daran zweifelt im Grunde keiner, und der Kölner Kardinal Meisner sagt, in Radna sei es „wie im Himmel“, allein „dass dort nicht gesprochen wird“.

Eine betagte Frau steht vor ihrem Haus – schräg gegenüber thront die in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts erbaute Wallfahrtskirche mit ihren beiden Türmen. Seit sich die Greisin erinnern kann, sind Wallfahrer in ihr Haus eingezogen, bei den Großeltern, Eltern und auch heute noch bieten zwei ihrer drei Zimmer diesen eine Unterkunft. Zu den großen Wallfahrten müssen es nicht mehr Gäste sein, denn es wird schwierig, alle unterzubringen, glaubt die Frau, allein, „häufiger sollten Besucher kommen“. Auch bis hierher in das kleine Dorf, 35 Kilometer von der Kreishauptstadt Arad entfernt, hat sich bereits die Gefahr vor dem Buhmann Fiskus herumgesprochen. Ihren Namen gibt die Frau nicht an, denn sie glaubt, einen Bericht in der Zeitung könne den Fiskus auf den Plan rufen und ihr einiges vom kargen Nebenverdienst abnehmen. 60 Lei koste ein Zweibettzimmer und „eine Tasse Tee oder Kaffee bekommt mein Gast am Morgen“. Ihre Nachbarin verschwindet schleunigst, als sie erfährt, dass ein Journalist sie sprechen will.

Währenddessen herrscht in den beiden Zelten an der Auffahrt zur Wallfahrtskirche nur mäßiger Betrieb. Viele der Gäste, die zum Teil mit Bussen angekommen sind, haben sich ihr Mineralwasser mitgebracht und sind daher nicht auf das gratis verteilte Nass angewiesen. Nicht jeder ist jedoch begeistert über die Tatsache, dass er draußen vor der Kirche warten muss. Die einen hatten gar gehofft, während der Messe in der Kirche dabei sein zu können, andere fanden die Möglichkeit, auf einer Großleinwand die Messe mitzuverfolgen „ausreichend“. „Keine Sitzgelegenheiten waren da“, sagt der aus Sanktandres stammende und aus Deutschland angereiste J. G.. In die Kirche konnte er auch nach der Festveranstaltung nicht, da er einen Landsmann, der in der prallen Sonne kollabierte, nach Temeswar bringen musste. Schwerwiegende oder häufige Fälle von Sonnenstich habe es nicht gegeben, hieß es auf Nachfrage der ADZ beim Rettungsdienst, der seinerseits in der Nähe kampierte.

Es war nur all zu verständlich, dass sich die Veranstalter nicht einem Gedränge aussetzen und alle in die Kirche lassen würden, hieß es bei Pilgern aus Arad, die eine Woche später wiederkommen und dann auch das Museum im umfunktionierten Kloster besuchen wollen. Allein mit der Übernachtung sei es ein Problem, weil es kaum Pensionen in der Nähe gibt, „überhaupt für solche, die mit Bahn und Bus anreisen“, sagte einer der Anwesenden. Der Lippaer Bürgermeister Iosif Mircea Jichici glaubt jedoch, im näheren Umfeld von Lippa könnten ausreichend Touristen und Wallfahrer unterkommen.

Ein touristisch integriertes Projekt soll durch das Unterfangen bei Maria Radna geschaffen werden, das der gesamten Region zugute kommt und damit wäre man auch schon bei dem, was eigentlich in ökumenischer Sicht Papst Franziskus gesagt hatte: Es sei kein Projekt von lokaler oder regionaler Bedeutung, sondern eines von globaler Tragweite. Diese Tragweite reicht derzeit jedoch nur bis über den Marosch-Fluss hinaus, der das eingemeindete Dorf Radna mit der Kleinstadt Lippa/Lipova verbindet. Dort nämlich müht sich die Stadtverwaltung seit Jahren ab, gerade mal ein 30-Millionen-Lei–Projekt für den Straßenbau umzusetzen. Nach Vertragsbrüchen und Kündigungen war Ende August als Abschlusstermin vorgesehen. Archäologische Funde haben das Unterfangen um weitere drei Monate verzögert, sagt Bürgermeister Jichici der ADZ. Als neuer Termin ist der 26. November anberaumt und „der soll auch eingehalten werden“, so der Ortsvorsteher. Die Kreisstraße in Richtung Temeswar ist jedoch ebenfalls ein holpriges Etwas, das eher Touristen abschreckt, als diese anzulocken.