Ungebrochene Verehrung für Che Guevara

In der Provinzhauptstadt Santa Clara wurde vor 55 Jahren die kubanische Revolution entschieden

Ein überlebensgroßes Denkmal, in Stein gemeißelt, erinnert in der kubanischen Provinzhauptstadt Santa Clara an den Revolutionshelden Che Guevara.

Vor 55 Jahren eroberte der Freiheitskämpfer Che Guevara die kubanische Provinzhauptstadt Santa Clara und bewirkte damit die entscheidende Wende der kubanischen Revolution unter Fidel Castro. Heute noch erinnern viele Spuren an die Geschehnisse von damals. Und mögen manche Läden noch so leer und manche Kubaner noch so arm sein: Gerade in Santa Clara lassen viele über „el Commandante Che“ nichts kommen.

Plaza Vidal, im Zentrum der 240.500-Einwohner-Stadt Santa Clara: Gepflegte Grünanlage, Palmen, in der Mitte ein kleiner, antik anmutender Säulenpavillion: Heraldo Trimina kommt fast täglich hierher, blickt von seiner Bank aus auf die Touristen, die vorbeischlendern. Wenn aus einer Bar dann gedämpft das Lied von „el Commandante“ ertönt, schließt der 70-Jährige für einen Moment die Augen, summt mit: Erinnerungen werden wach – an damals, als genau hier, in Santa Clara, die entscheidende Wende der kubanischen Revolution eintrat – am 31. Dezember 1959.

Denkmal Panzerzug

„Da wurde geschossen, es hat überall geknallt“, erinnert sich Heraldo Trimina. Und, natürlich: „Angst hatten wir – und wie! So eine Kriegssituation war für uns ja absolut neu. Ich habe so etwas zum ersten Mal erlebt!“ Heraldo Trimina war gerade mal 15, als am 31. Dezember 1959 der Freiheitskämpfer Che Guevara, damals die rechte Hand des Revolutionsführers Fidel Castro, mit angeblich gerade mal 300 Mann die Stadt einnahm. Hier gelang ihm der entscheidende Coup, der den Sieg der Revolutionäre besiegeln sollte – und den wird Zeitzeuge Trimina im Leben nie vergessen: „Da kam dieser gepanzerte Zug aus dem Osten des Landes, voll mit Munition und dem dringend benötigten Nachschub für die Regierungstruppen in Havanna. Der Che und seine Leute - sie haben einfach die Gleise blockiert; der Zug konnte nicht mehr weiterfahren. Und auf das hin hat sich alles entschieden!“
Um zu sehen, was damals wirklich geschah, nehmen Touristen von der Plaza Vidal ein Taxi, fahren rund fünf Minuten von jenem begrünten Platz in Richtung etwas außerhalb des Zentrums: Die großen, rötlich-braunen gepanzerten Güterwaggons mit der Aufschrift „Logistica S 4“ geben inmitten der Grünanlage ein seltsam anmutendes Bild ab. Dazwischen ein Gedenkstein.

Revolutionssieg durch Bestechung?

„Und da kommt dieser Militärzug. Und der Che und seine Männer haben die Gleise kaputt gemacht, damit der Zug nicht weiterfahren kann. Und sie haben mit Molotow-Cocktails den Zug beworfen. Und die Soldaten mussten rauskommen und haben die weiße Fahne gehisst“, übersetzt Christopher Castillu, Mitte zwanzig, vom Spanischen ins Deutsche. Für den jungen Mann, der heute als Fremdenführer arbeitet, ist dies ein ganz besonderer Platz: Denn vor 55 Jahren war sein eigener Großvater mit von der Partie, als Che Guevara in Santa Clara gegen die Regierungstruppen des kubanischen Diktators Fulgencio Battista kämpfte.

Aber was war genau passiert? Darüber ranken sich so mancherlei Erzählungen. Zwar schildern alte Schwarz-Weiß-Fotos und Hinweisschilder im Inneren der Eisenbahnwaggons, wie Che Guevara damals den Zug, der wegen der blockierten Schienen nicht mehr weiterfahren konnte, mit Molotow-Cocktails gesprengt und den Großteil der Soldaten zum Überlaufen zu den Rebellen überredet haben soll. Viele der Soldaten, heißt es dort, habe „el Commandante Che“ von der Sache der Revolution überzeugen können. Mag sein. Mag aber auch sein, dass „el Commandante“ mit einer ganz eigenen Methode nachgeholfen haben könnte: In manchen Erzählungen über die Ereignisse von einst kommen Zeitzeugen zu Wort. Und die wollen vom Bahnsteig aus gesehen haben, wie Che Guevara dem Kommandanten der Regierungssoldaten im Zug einen riesigen Batzen Banknoten überreicht haben soll. Danach soll besagter Kommandant noch während der revolutionären Wirren das Weite Richtung USA gesucht haben.

Durchwachsene kubanische Revolutionsbilanz

Derweil gelang es Fidel Castro und seinen Mannen in der Hauptstadt Havanna – nicht zuletzt wegen des fehlenden Nachschubes aus Santa Clara –, die Regierungstruppen unter dem verhassten Diktator Battista in die Flucht zu schlagen. Indes: Die Bilanz nach 55 Jahren Castro-Führung auf Kuba (bis 2008 war Fidel Castro selbst Staatspräsident, danach übergab er das Amt an seinen Bruder Raul) fällt gemischt aus. Fakt ist, dass Kuba die niedrigste Analphabetenrate in ganz Südamerika hat und wohl auch die beste medizinische Grundversorgung der Bevölkerung. Andererseits: Menschenrechtsorganisationen beklagen immer noch die Verfolgung politischer Häftlinge, von denen die meisten allerdings im Dezember 2011 auf Anordnung von Staatspräsident Raul Castro freigelassen wurden. Außerdem: Die Folgen der sozialistischen Mangelwirtschaft sind immer wieder zu sehen: Vor vielen Läden mit häufig weitgehend leeren Regalen stehen endlose Schlangen. Fairerweise muss aber auch wieder hinzugefügt werden: Kuba sieht sich seit den frühen 60er Jahren einer Wirtschaftsblockade durch den übermächtigen Nachbarn USA ausgesetzt, die dem Karibikstaat bis heute arg zusetzt und die in dieser Form beispiellos ist. Aus den USA dürfen im Prinzip keine Waren eingeführt werden. US-Bürgern ist es, abgesehen von einigen Ausnahmen, unter Strafe verboten, nach Kuba zu reisen.

Bei Stromausfall kein Che-Mausoleum

Sei es nun sozialistische Mangelwirtschaft oder US-Boykott: Die Auswirkungen zeigen sich ausgerechnet an jenem Ort in Santa Clara, der als allererstes auf die Errungenschaften der Revolution aufmerksam machen soll: Eine riesige, steinerne Che-Guevara-Statue zeigt den Freiheitskämpfer in aufrechter, überlebensgroßer Pose, mit dem Gewehr in der Hand. Daneben befindet sich jenes steinerne Mausoleum, in dem die sterblichen Überreste von Che Guevara aufbewahrt sind.
Der war 1966 in Bolivien ohne Gerichtsurteil von einem Soldaten erschossen worden. Mit Billigung des US-amerikanischen Geheimdienstes CIA. Das CIA hatte Che Guevara zuvor noch verhört. Doch erst dreißig Jahre später, 1996, konnten Guevaras Gebeine nach Kuba überführt werden. Sie sind in jenem Mausoleum untergebracht, in dem auch viele persönliche Gegenstände des Revolutionärs und ausgebildeten Mediziners zu besichtigen sind, zum Beispiel einer seiner ehemaligen Arztkittel.
Nur: Nicht immer gelangen Besucher in das Mausoleum auch hinein. „Heute geschlossen. Der Strom ist ausgefallen“, meint ein Wachsoldat gelangweilt, als ein Tross mit deutschen Journalisten, offizielle Gäste des kubanischen Staates, das Bauwerk besichtigen will. Die Tür bleibt zu.

Andererseits wird einem auch klar: Gerade der US-Boykott schweißt viele Bürgerinnen und Bürger in ihrem gemeinsamen Wunsch, sich nicht in die Knie zwingen zu lassen, mit ihrer Regierung zusammen. Hinzu kommen sachte Reformansätze in der Präsidentschaft von Raul Castro: Kubaner haben seit Neuestem das Recht auf einen Reisepass und dürfen das Land verlassen. Und auch der private Autohandel mit neueren Fahrzeugmodellen wurde dieser Tage liberalisiert.
In den Herzen vieler Menschen, gerade in Santa Clara, hat der einstige Revolutionär Che Guevara immer seinen festen Platz. Und auch Heraldo Trimina mit seinen heute 70 Jahren lässt über ihn nichts kommen: „Er hat nach der Revolution zeitweise hier gelebt. Seine Frau stammt aus Santa Clara. Er ist halt schon etwas Besonderes für diese Stadt.“