Unsterblicher Caragiale

Die Nationalliberale Partei hat einen bedeutungslosen, durch nichts als durch gelegentliche säuerliche Bemerkungen zum Tagesgeschehen aufgefallenen Fernseh-„Journalisten“ zu ihrem Spitzenkandidaten für das Europäische Parlament erkoren. Präsident Johannis stellt sich in (falsch verstandener) Parteitreue dahinter: Die PNL hat ihn vor fünf Jahren mit gut funktionierendem Wahlmechanismus zum Präsidenten gekürt. Fernsehclown mit steifer Gestik: Rareș Bogdan muss geheime PNL-Sympathien haben, denn dass er ein großer Liberaler ist, hatte niemand bemerkt. Wo seine Meriten für die PNL sind, das wissen vielleicht Insider, die ihn auf den ersten Listenplatz setzten. Er war nicht einmal PNL-Mitglied.

Aber dass er ein oft schriller Nationalist ist, das hat er in seinen Fernsehsendungen und Talkshows hinreichend bewiesen. Die PNL nennt sich zwar „National-Liberal“ – das kommt aus dem 19. Jahrhundert, als die älteste Partei Rumäniens gegründet wurde und „national“ und „liberal“ ganz andre Konnotationen hatten! – aber was hat Nationalismus im 21. Jahrhundert mit Liberalismus zu tun? Mit der EU? Und: Lässt sich schriller Nationalismus mit der Wertegemeinschaft austarieren, die wir als EU kennen und sympathisieren? Auch die bescheidene Frage sei erlaubt, wie die dicke Freundschaft des PNL-Spitzenkandidaten für das EU-Parlament, Rareș Bogdan, mit dem SRI-Geheimdienstchef Eduard Hellvig, dem offensichtlichen Vertrauten von Präsident Johannis, übereinzubringen ist? Gewissenhafte Beobachter der (oft unerträglichen) Politshows der rumänischen Privat-TV-Sender behaupten gar, R. Bogdan habe NIE auch nur eine Andeutung seiner Sympathien gegenüber der PNL gemacht...

Zugegeben, als Fernsehmoderator hat R. Bogdan einige Sendungen moderiert, in welchen er die monströse Koalition PSD-ALDE und deren Miss- und Übergriffe entlarvte – immer garniert mit Marktschreierdemagogik und geschmackloser Effekthascherei. Aber: Das gab es bloß in jüngster Zeit und eher aus offensichtlich plötzlichem Hass auf PSD-Chef Dragnea. Woher der Schwenk auf Hass kommt, das dürfte sein Geheimnis bleiben. Die Hassbeziehung war aber nicht immer vorhanden. Parteiintern wird gegen Bogdan moniert, dass er auf die Listenspitze katapultiert wurde, ohne auch nur einen einzigen Tag effektiv für die PNL gearbeitet zu haben. Welches war der Beitrag von SRI-Chef Hellvig und Präsident Johannis dazu, fragen sich, zu Recht, manche Kommentatoren.

Die erfahrenen EU-Parlamentarier kommen nach ihm: Der EU-Parlamentarier – zunächst seitens der PMP, seit 2018 der PNL – Siegfried Mureșan auf Rang 3, Adina Vălean, Frau des Ex-PNL-Chefs Crin Antonescu und amtierende Vizepräsidentin des EU-Parlaments, auf den Wackelrang 5, ein anderer EU-Parlamentarier, M.-J. Marinescu, wurde auf einem kaum wählbaren Listenplatz positioniert. Frauen sind kaum vertreten auf dieser Liste. Machopartei PNL?

Den Showjournalisten Rareș Bodgan auf den ersten Listenplatz zu setzen, geht auf Umfragen zurück, deutete Parteichef Ludovic Orban an. Es ist aber bestimmt auch ein Ausdruck der Personalnot dieser Partei, die unfähig war, Nachwuchskräfte von Format und mit Charisma heranzuziehen. Sie griff auf schrille Personen zurück und auf deren Ruf in den Reihen einer in mittelmäßige bis unterklassige, simple und primitive Fernsehsendungen vernarrte Nation. Das bringt Spareffekte beim Werbeaufwand in der Wahlkampagne, nicht wahr?

Gegenüber den immer noch vorhandenen Eliten dieses Landes hat sich die Nachwende-PNL nie wirklich geöffnet. Das Fernsehen bot eine genügsame Alternative. Der Bogdan-Listenplatz kann eine realistische Sicht auf die rumänische Gesellschaft 2019 sein. Aber ein „geflügelter Husar” (Parteichef Orban) ist dieser Rareș Bogdan nicht. Ein Populist und Nationalist bestimmt. Ob er sich gegen den erfahrenen und integren Cioloș durchsetzt?
Die Frage von Caragiales „angetrunkenem Bürger“ bleibt aktuell: „Und wen wähle ICH?”