Unterwegs im Călimani-Gebirge

Teilnehmerbericht von einer der schönsten Marathonrouten Rumäniens

Am 13. August 2016 fand im Călimani-Gebirge die vierte Edition des von der NGO Tăşuleasa Social organisierten „Via Maria Teresia“-Marathons statt. Die gemeinnützige Organisation hat ihren Sitz nahe des Tihuţa-Passes und arbeitet mit Freiwilligen vor allem aus Rumänien aber auch aus Deutschland zusammen. Die Idee für die Organisation des Marathons auf der Maria Theresia Route, welche insgesamt 42,2 km lang ist, basiert auf der Erkenntnis, dass die ehemals wichtige Handelsroute zwischen der Bukowina und Siebenbürgen, die ebenjener Weg bildet, heute nur noch schlecht bis gar nicht ausgeschildert ist und somit nach und nach in Vergessenheit zu geraten droht. Die Freiwilligen der Organisation Tăşuleasa Social engagieren sich nun seit einigen Jahren dafür, dass der Weg wieder ausgeschildert und ins Bewusstsein der Menschen zurückgerufen wird. Es soll außerdem darauf aufmerksam gemacht werden, dass die rumänischen Wälder vor allem durch illegale Rodungen bedroht sind. Durch vermehrten Besuch von Wanderern und Sportlern soll so den verheerenden Kahlschlägen im Gebirge Einhalt geboten werden. Der Maria-Theresia-Weg befindet sich im Călimani-Gebirge und sollte ursprünglich als Versorgungsstraße für die österreichisch-ungarische Grenze dienen sowie Siebenbürgen mit der Bukowina verbinden.

Beim „Via Maria Teresia“-Marathon wird in den Kategorien Ultramarathon (Strecke 81 km), Marathon (40 km), Halbmarathon (21,8 km) und Triathlon (1,5 km Schwimmen, 22,7 km Fahrradfahren und 14,6 km Laufen) gestartet. Auch eine Wanderung an der Rennstrecke entlang wurde angeboten, um auch Familien mit Kindern teilhaben zu lassen und um die Läufer zusätzlich zu motivieren. Ich starte zum zweiten Mal in der Kategorie Halbmarathon. Schon im letzten Jahr habe ich ein recht gutes Ergebnis erzielen können und konnte an meine Grenzen gehen. Strecke und Stimmung sind einmalig, auch wenn der Lauf im Hochgebirge anstrengend ist, was vor allem an den Höhenunterschieden und der dünneren Luft liegt.

Am Morgen des 13. August geht es von Bistritz/Bistriţa mit einem Bus zum Startpunkt von Marathon und Halbmarathon kurz hinter dem Colibiţa-See. Nach etwas Aufwärmen mit den anderen 167 Teilnehmern des Halbmarathons und den Marathonisten wird um 8.30 Uhr, eine halbe Stunde später als geplant, gestartet. Es ist sehr kalt am Start, der Boden aufgeweicht, die Spannung auf die Strecke und die Vorfreude auf spektakuläre Aussichten in den Bergen groß. Meine Schwester startet in derselben Kategorie, hängt mich jedoch nach den ersten paar Hundert Metern schon ab. Sie hat einfach vorher mehr trainiert. Der erste Streckenabschnitt ist gleichzeitig der schwierigste. Geröll und aufgeweichter Waldboden machen den Aufstieg von rund tausend Metern auf den Gipfel des Bistriciorul in 1990 Metern Höhe in den ersten 6 km schwierig, die kalte Morgenluft zieht in Lunge und Ohren. Einige weitere Läufer überholen mich, was allerdings nicht weiter stört, da ich den Lauf nicht mache, um zu gewinnen, sondern um an meine Grenzen zu stoßen und darüber hinauszugehen. Am Wegesrand gibt es viel zu sehen, was plötzlich interessanter scheint als der kräftezehrende Aufstieg im gefühlten 45 Grad-Winkel: Pilze, der Morgentau auf den Gräsern, Schmetterlinge, Heidelbeersammler, die diesen Aufstieg wohl schon öfter hinter sich gebracht haben und mit Holzkämmen die Heidelbeeren von den Hängen pflücken.

An der ersten Versorgungsstation gibt es frisches Obst, Kekse und isotonische Getränke für die Läufer, mein Körper braucht dringend Zucker. Ich lerne Nadia kennen, eine junge Frau aus Bukarest, welche normalerweise auch eher in flachem Gebiet trainiert. Wir gehen ein gutes Stück der Strecke über den Kamm des Berges zusammen. Wir unterhalten uns auf Rumänisch und Englisch, sie motiviert mich sehr und lässt die bereits schweren Beine vergessen. Wir genießen die Aussicht zusammen und beim Abstieg und Kilometer acht läuft sie mir davon. Ich bereue, nicht besser trainiert zu haben, aufgeben ist jedoch keine Option. Weiter geht der Lauf, eher immer weiter ins Tal, mal über befestigte Wege, mal durch unberührte Wiesen und über Geröll. Links eine Schafherde, der Schäfer grüßt und es kommen mir die ersten Wanderer entgegen, welche mich anfeuern und viel Erfolg wünschen. Überhaupt ist die Stimmung zwischen den Teilnehmern extrem positiv und kollegial. Man grüßt sich, tauscht sich aus, läuft weiter, die meisten haben ein Lächeln auf dem Gesicht. Die Strecke überschneidet sich zeit-weise mit jener der Ultra-Marathonisten und der Triathlonisten. Sehr drahtige Personen, meist Männer, alle laufen zügiger als ich.

Kurz vor der letzten Getränkestation bei Kilometer 16 verlässt mich kurzzeitig die Motivation. Ein weiterer steiler Anstieg in der prallen Sonne, trotz der eher kühleren Temperaturen anstrengend. Zwei meiner Zehen fangen extrem an zu schmerzen, ich male mir die schlimmsten Verletzungen aus. Das viele Bergabgehen wird mich wohl den ein oder anderen Nagel kosten. Nächstes Jahr dann geeignetere Schuhe besorgen, sage ich mir und bringe mit der Motivation der freiwilligen Helfer an der letzten Versorgungsstation auch die letzten sechs Kilometer hinter mich. Im Ziel wartet meine Familie auf mich, ich bekomme eine Teilnehmermedaille und werde von einer jubelnden, fröhlichen Menge an Menschen empfangen. Es gibt frisch gezapftes Bier und Gegrilltes, ich lege mich in die Sonne und freue mich schon auf den kommenden Muskelkater. Denn der ist so sicher wie die Tatsache, dass ich auch nächstes Jahr wieder antreten werde. Besser trainiert und mit einer passenderen Ausstattung.