Unterwegs in Peru

Dieses Jahr beschloss ich, mal ausnahmsweise nach Südamerika statt nach Osteuropa zu reisen, um endlich Abstand zu den ewigen Problemen des alten Kontinents zu gewinnen. So machte ich Ende Mai einen Peru-Trip, ich flog aus Düsseldorf nach Arequipa und reiste von dort mit dem Bus durch die Anden. Ich nahm weder Notebook noch Tablet oder Smartphone mit, denn ich wollte ja meine volle Aufmerksamkeit den Peruanern und den Anden widmen, und nicht den Internetlandschaften. Die sonnige Stadt Arequipa mit den um die 6000 Metern hohen Vulkanen El Misti, Chachani und Pichu Pichu im Hintergrund hat mich unendlich fasziniert.

Aus Arequipa fuhr ich mit dem Bus weiter, zum 1200 Meter tiefen Colca-Canyon. Hinter mir im Bus saß ein junges Paar, und beide unterhielten sich abwechselnd mit jemandem am Smartphone. Ich verstand einige Konversationsfetzen, denn es fielen bisweilen Worte wie babuschka, moj sin, ja te ljublju, und da ich auf dem Gymnasium in Rumänien in den 60ern Russisch gelernt hatte, reimte ich mir zusammen, dass die zwei mit ihrem bei der Großmutter zurückgelassenen kleinen Sohn redeten. Als wir dann in Laguna de Pampa Blanca ausstiegen, um die Lamas und Alpacas zu fotografieren, fragte ich die beiden auf Englisch, wo sie denn in Russland leben würden. Sie antworteten mir lachend, sie seien Ukrainer und würden in Kiew leben. Und Kiew läge, Gott sei Dank, immer noch in der Ukraine. In den nächsten Tagen wurde ich dann regelmäßig mit Berichten über die Situation in Kiew beliefert, frisch von der Großmutter, die den Sohnemann hütete.

Drei Tage später landete ich dann in Puno, auf 3800 Metern Höhe, am Titicaca-See. Dort lernte ich beim Abendessen in der Fußgängerzone zwei Franzosen aus Montpellier und ein brasilianisches Touristenpaar aus Rio de Janeiro kennen. Die Frau hieß Ildiko und stammte aus Ungarn. Obwohl sie schon seit elf Jahren in Rio lebte, hatte sie immer noch eine starke Verbindung zu ihrer alten Heimat und wetterte mit feurigem Piroschka-Temperament gegen die rechtspopulistische Politik Viktor Orbans, der fester denn je in seinem Budapester Sattel sitzen würde. Am nächsten Tag besuchte ich die schwimmenden Inseln Uros und Taquile, kaute zwischendurch Coca-Blätter gegen die Höhenkrankheit, und nach dem Abendessen bekam ich plötzlich Internet-Entzugserscheinungen. Ich begab mich also in die Lobby des Hotels und checkte dort meine E-Mails. Unter anderem hatte ich eine E-Mail von Jan Koneffke bekommen. Jan ist ist ein Schriftsteller aus Deutschland, der mit Cristina, einer charmanten rumänischen Architektin, verheiratet ist und zurzeit in Bukarest lebt. Er schrieb mir, dass in Bukarest alles beim Alten sei. Er würde zwar mit seinem neuen Roman prima vorankommen, aber die Stadt würde sich nach wie vor mit zahlreichen Filz- und Korruptionsaffären herumschlagen.

Ich schrieb Jan, dass ich mich gerade am Titicacasee befände, wohl wissend, dass er dies für einen billigen Scherz halten würde. Egal. Hauptsache ich befand mich zu dieser Zeit tatsächlich in Peru und hatte mit dem wilden Osten Europas nichts mehr am Hut.