Vergessen wäre ein weiterer Mord

Gedenkfeier in der Kronstädter Synagoge für die Holocaustopfer

Die Synagoge in der Kronstädter Waisenhausgasse

Tiberiu Roth, Vorsitzender der jüdischen Gemeinden in den Landeskreisen Kronstadt und Covasna
Fotos: Ralf Sudrigian

Seit 2004 wird in Rumänien am 9. Oktober der nationale Gedenktag für die Opfer des Holocaust begangen. Am 9. Oktober 1941 begann in Dorohoi in der Bukowina die Deportation der jüdischen Bevölkerung nach Transnistrien. Der Tag gewinnt an Bedeutung, wenn man berücksichtigt, dass es hierzulande nicht so einfach war, über einen Holocaust in Rumänien zu sprechen. Lange Zeit war es ein Tabuthema; später wurde er sogar in Frage gestellt. Dann gab es manche, die nur von einem „teilweisen“ Holocaust sprachen. Der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Kronstadt/Braşov und in Covasna, Tiberiu Roth, erinnerte in seiner Ansprache in der Kronstädter Synagoge an den an der jüdischen Bevölkerung begangenen Massenmord. Die Kinder von damals seien heute die letzten Holocaust-Überlebenden; die Kinder der Kinder sind selber alte Leute. Für die Opfer gibt es keine Gräber, auch keine Massengräber und an zu vielen Orten auch keine Holocaust-Mahnmale. Im Gegenteil, mancher-orts tauchen Denkmäler der Täter auf. Roth fordert nun, zumindest in den siebenbürgischen Städten, wo Juden bis zu 30 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachten, solche Mahnmale zu errichten.

In der Synagoge in der Waisenhausgasse/str. Poarta Schei waren vor allem Schüler Kronstädter Schulen und Lyzeen anwesend. Die jüdische Kronstädter Gemeinde hat heute etwas über 200 Mitglieder. Gut die Hälfte davon ist älter als 60 Jahre. Er sei glücklich, dass man für Kronstadt nicht von einem Holocaust sprechen könne, sagte Roth. Diskriminierung, von Firmenschließung bis Ausschluss jüdischer Kinder von staatlichen Schulen und Vandalismus an der Synagoge durch Legionäre waren auch hier möglich. Es gab aber bis dahin, wenn nicht ein harmonisches Miteinander, dann zumindest ein Nebeneinander. Und Toleranz, Respekt für den Anderen – das will man an diesem traurigen Anlass vermitteln, vor allem der Jugend, ein Grundpfeiler der Demokratie, wie einer der Redner in der Synagoge bemerkte. Die Schüler beteiligten sich durch ihre Vertreter von der Schule Nr. 5, von dem  Şaguna-Kolleg und vom Zeidner Theoretischen Lyzeum auch an dem künstlerischem Rahmenprogramm der Veranstaltung. Diese wurde mit der Hymne Rumäniens und der Hymne Israels eröffnet. Es folgte ein Gebet in rumänischer und hebräischer Sprache für die Opfer des Holocaust in der ganzen Welt. Zu den Veranstaltern gehörten, außer der jüdischen Gemeinde, die Präfekturen und die Kreisräte der Landeskreise Kronstadt und Covasna, vertreten durch den Subpräfekten bzw. Präfekten sowie das Kronstädter Schulamt. Ein ergreifender Moment war das Anzünden von sieben Kerzen durch Frauen von der jüdischen Gemeinde. Sie erinnern an die sechs Millionen jüdischen Holocaust-Opfer sowie an die unbekannten Toten.

Erziehung zu Toleranz ist wichtig, aber nicht ausreichend. Ein fremdenfeindliches Verhalten darf nicht aufkommen, hieß es in der Synagoge. Denn dann gibt es Nährboden für Diskriminierung, Verfolgung und Gewalt bis zum Massenmord. Ein Vergessen käme einem nochmaligen Ermorden der Opfer gleich und könnte eine Wiederholung dieser Gräueltaten denkbar machen. Es dürfe niemals geschehen, dass der Mensch der Feind des Menschen werde, dass eine Ideologie die Überlegenheit einer Rasse, eines Volkes gegenüber anderen verherrliche. Gemeinsamkeiten anerkennen (das beste Beispiel in dem Verhältnis zu den Juden ist die Tora), Öffnung und Kennenlernen des Nachbarn oder des Fremden sind Rezepte gegen Xenophobie und Antisemitismus. Die Kronstädter jüdische Synagoge ist eine der wenigen in Europa, die den Besuchern offen steht, weil da keine Sondersicherheitsmaßnahmen den Zutritt beschränken, sagte Roth. Die jüdische Restgemeinde gehöre zur Stadt, wie auch ihre Vergangenheit, und sie stehe für ein friedliches Zusammenleben.