Verlängert in die Ewigkeit

Inventarisierung der Brukenthalsammlungen kurz vor dem Abschluss / Massive Behinderung der Rückgabe mobiler Kulturgüter durch Klassierungspflicht

Kustos Frank-Thomas Ziegler arbeitet unter dem Porträt des ehemaligen Stadtpfarrers Johann Filtsch, der das Brukenthal-Museum 1817 einweihte.
Foto: der Verfasser

Sechs Jahre sind seit der Rückgabe des Brukenthalmuseums an die evangelische Kirchengemeinde in Hermannstadt/Sibiu vergangenen. Der große Erfolg von damals wird überschattet vom langwierigen Restitutionsprozess der mobilen Kulturgüter aus den 1948 verstaatlichten Brukenthal-Sammlungen. Bislang wurden der Gemeinde erst knapp 1000 Objekte zurückerstattet. 

Wie viele restitutionsfähige Objekte die Sammlungen exakt beinhalten, wird man in diesem Frühjahr wissen, gibt sich Frank-Thomas Ziegler gewiss. Der Kustos der evangelischen Gemeinde glaubt, dass die Inventarisierung dann abgeschlossen sein wird. Seit 2006 führen Vertreter der Gemeinde und des Museums in sogenannten Inventarisierungskommissionen (2006-2008, 2009-2012) eine Aufnahme des restitutionsfähigen mobilen Kulturgutes durch, sprich jenes Teils der heutigen Museumssammlungen, der einst der evangelischen Gemeinde gehörte und am 5. November 1948 nationalisiert worden ist.

„Eine meiner Hauptaufgaben seit Beginn meiner Tätigkeit im Februar 2009 sollte es sein, die Restitution der mobilen Kulturgüter zu einem Ende zu bringen“, erklärt Ziegler. Circa 1,6 Millionen Exponate existieren heute in den Einzelmuseen des Museumskomplexes. Auf etwa 230.000 Sammlungs- und Ausstattungsstücke schätzt Ziegler die Zahl der restitutionsfähigen Objekte – allein diese Zahlen verdeutlichen den Umfang der Aufgabe.

Siebenbürgische Schatzkammer

Was genau beinhalten diese Sammlungen, die in fast 200 Jahren zusammengetragen worden sind? Die erste Sammlungsetappe datiert Ziegler in die Zeit zwischen der Rückkehr Samuel von Brukenthals aus Wien nach Hermannstadt als siebenbürgischer Gubernator 1777 und dessen Tod im Jahr 1803. „Das ist die berühmte Sammlung Brukenthal, die in der Wiener Periode zusammengetragen worden ist, wozu nicht nur die europäische Gemäldegalerie gehört, sondern auch die Bibliothek, die Grafiksammlung und die Sammlung von Münzen und Medaillen“, zählt der Kustos auf. Brukenthal nutzte seine Eigenschaft als Direktor der siebenbürgischen Bergwerke, um der Sammlung außergewöhnliche Mineralien hinzuzufügen, außerdem geschliffene Schmuck- und Edelsteine, sogenannte Gemmen und Kameen. Schon zu Brukenthals Zeiten hätten auch archäologische Fundstücke ihren Weg in die Sammlungen gefunden, meint Ziegler, so zum Beispiel das berühmte Birthälmer Donarium. 

Nach dem Tode Brukenthals dauerte es aufgrund von Rechtsstreitigkeiten mit den Erben einige Zeit, bis die Sammlungen – wie im Testament vorgesehen – in den Besitz der evangelischen Kirchengemeinde Hermannstadt/Sibiu übergehen. Im Jahr 1817, 14 Jahre nach Brukenthals Tod, hielt Stadtpfarrer Johann Filtsch auf dem Großen Ring/Piaţa Mare die Eröffnungsrede für das Museum. Ausgestellt wurden die Sammlungen im zweiten Stock des Brukenthal-Palais, über den von der Familie noch bewohnten Räumen. 

Hort sächsischer Kulturgeschichte

Dieses Ereignis markiert den Beginn der zweiten Sammlungsetappe, die vor allem durch einen besonderen Zuwachs siebenbürgischer Sammlungsstücke geprägt ist. „Es begann die Zeit, da das Museum nicht nur von der Kirchengemeinde Hermannstadt, sondern von sehr vielen, sagen wir, fast allen siebenbürgisch-sächsischen Gemeinden als Hort für ihre Kirchenschätze genutzt wurde.“ Besonders nachdem die Hermannstädter Gemeinde 1872 auch in den Besitz des Palais gelangte, nachdem der männliche Zweig der Brukenthals erloschen war, begann eine „explosionsartig startende Sammlungstätigkeit“.

Aufgenommen wurde alles, was in den Kirchengemeinden nicht mehr gebraucht wurde, aber von Interesse war für die siebenbürgisch-sächsische Kunst- und Kulturgeschichte: Goldschmiedekunst, wertvolle Textilien wie barocke Altardecken, mittelalterliche Messgewänder, Messkelche, Weihrauchfässchen… Es sind dies einzigartige Zeugnisse der sächsischen Kirchengeschichte, weil vieles in der Zeit der Kirchenerneuerung im 19. Jahrhundert verloren ging. Unter den Sachsen gab es ab dem 19. Jahrhundert zudem eine erhebliche archäologische Sammlungstätigkeit, die nicht zuletzt auf dem Einfluss von Samuel von Brukenthals landeskundlichem Interesse beruhte.

Im Zuge der Inventarisierung machten die Museologen interessante Entdeckungen. „Es kamen manche Objekte zum Vorschein, von denen wir nicht erwarten durften, dass es sie überhaupt in diesen Sammlungen gibt.“ Amikte beispielsweise, unscheinbare Schultertücher aus weißem Leinen, die Teil der katholischen Priestergewänder waren. Solche frühneuzeitlichen Tücher seien selten erhalten, was diesen Fund so besonders macht. Daneben fand man einen kleinen, aber feinen Bestand an Luthermedaillen oder verloren geglaubte Objekte wieder, wie das Holzmengener Taufbecken beispielsweise. 

Problem ist die Klassierungspflicht

Diese ersten zwei Sammlungsphasen umfassen den Teil der Sammlung, der der Kirchengemeinde Hermannstadt laut einer Vereinbarung zwischen dem rumänischen Staat (Decizie 614) vom 21. November 2005 zurückerstattet werden soll. Nach Auffassung der evangelischen Kirche wäre mit der bald abgeschlossenen Inventarisierung die gesetzliche Voraussetzung für die effektive Rückgabe der mobilen Kulturgüter erfüllt – nicht jedoch in den Augen des Kulturministeriums.

Die Beamten in Bukarest verlangen vor der Restitution die Klassierung der mobilen Kulturgüter. Was heißt das in der Praxis? Akkreditierte Experten müssen als Denkmäler in Frage kommende Objekte in nationale Denkmalkategorien einordnen. Für jedes Objekt muss dazu ein Dossier von mehreren Seiten angelegt werden. Die Nationale Denkmalkommission Cimec verzeichnet auf ihrer Internetseite aktuell 23.600 klassierte Objekte in ganz Rumänien. Das Hermannstädter Brukenthal-Museum, ein Vorreiter in dieser Hinsicht, hat bislang 1609 Objekte klassiert.

Die vollständige Restitution wird nach jetzigem Stand in die Ungewissheit verlängert, auch wenn es gelegentlich Rückgaben gibt, zuletzt im Januar im Falle von 595 Objekten. Ungeklärt bleibt bis auf Weiteres die Restitution der Sammlungsstücke, die in kommunistischer Zeit in Bukarester Museen verbracht wurden bzw. der rund 3000 Objekte im Astra-Museum. Dokumente aus dem Brukenthal-Museum befinden sich zudem im Bestand des Hermannstädter Nationalarchivs. Darunter sind einige sehr wichtige siebenbürgisch-sächsische Kulturgüter, zum Beispiel der Hermannstädter Codex Altemberger aus dem 16. Jahrhundert, Brukenthals Siegelring oder Bockelnadeln und Hefteln sächsischer Trachten. Das Kulturministerium sträubt sich, die Gültigkeit des Restitutionsbeschlusses von 2005 auch für diese Objekte anzuerkennen. Ziegler stellt in Aussicht, dass man sich nach dem Abschluss der Inventarisierung dieses Themas stärker annehmen werde.