Verlorene deutsche Gemeinschaft?

Buchvorstellung: Ursachen der Abwanderung der deutschen Minderheit aus Rumänien

Buchvorstellung im Schillerhaus (v. li.): Unterstaatssekretärin Christiane Cosmatu (DRI), Verleger Bogdan Hrib (Tritonic), Autorin Dr. Laura Gheorghiu und Dr. Klaus Fabritius, Vorsitzender des Regionalforums Altreich
Foto: George Dumitriu

„Ich stehe zu diesem Land und weiß, dass es mich hier haben will. Gott kennt mich hier bei meinem Namen.“ Mit diesen Worten von Eginald Schlattner leitet Dr. Laura Gheorghiu die Präsentation ihres wissenschaftlichen Werkes „Die verschwundene Gemeinschaft. Die Deutschen in Rumänien zwischen 1945 und 1967“ am 18. Februar im Kulturhaus „Friedrich Schiller“ ein. Viele der hier geborenen Deutschen denken wie der bekannte Schriftsteller: Zuhause ist immer noch Rumänien, wenn auch für die meisten nur noch aus der Ferne...
Warum die Deutschen in den letzten Jahrzehnten nahezu geschlossen ausgewandert sind? Dieser Frage geht die Autorin in ihrem Buch mit wissenschaftlichem Anspruch auf den Grund. Und rückt damit das zunehmend verklärende Bild eines harmonischen Zusammenlebens in der Vergangenheit zurecht, wie einige neuere Studien suggerieren.

Die Kontinuität brutal gebrochen

Die Ursachen für die Abwanderung und den nach der Wende einsetzenden regelrechten Exodus beginnen mit der Deportation der Rumäniendeutschen in die UdSSR ab 1945 und den anschließenden Problemen bei der Familienzusammenführung, weil einige Rückkehrer direkt nach Deutschland verschickt wurden; dann: die Agrarreform in Rumänien während des Kommunismus mit ihren massiven Enteignungen; die Deportation in den Bărăgan – freilich betrafen die letzten beiden Ereignisse nicht nur Deutsche – sowie Schikanen und Missbräuche während des kommunistischen Regimes, auch auf ethnischer Basis begangen – als Beispiel wurde der Schriftstellerprozess von 1955 genannt. Hinzu kommen der Freikauf der Rumäniendeutschen durch die Bundesrepublik Deutschland und die nach der Wende verlockende Chance einer Auswanderung in das Wohlstandsland. Auf den Punkt gebracht, ist es das kommunistische Regime, 1945 mit sowjetischer Unterstützung in Rumänien installiert, das die Kontinuität der seit 800 Jahren in Siebenbürgen und seit 200 Jahren im Banat, der Bukowina und Bessarabien ansässigen Deutschen in brutaler Weise unterbrochen hat.
In 15 Kapiteln beleuchtet die Autorin das Phänomen der Emigration von allen Seiten und stützt sich dabei auf Dokumente des Archivs des Außenministeriums zu den diplomatischen Beziehungen zwischen Rumänien und den beiden deutschen Staaten (BRD und DDR), aber auch auf Akten aus dem Nationalarchiv und dem Nationalen Rat für das Studium der Securitate-Archive (CNSAS).

Geschrumpft, aber höchst aktiv

Von den 1948 gezählten 343.913 Bürgern, die Deutsch als Muttersprache angaben bzw. sich zum Deutschtum bekannten, ist die Anzahl bis zur letzten Volkszählung im Jahr 2011 auf offiziell 37.019 geschrumpft. Zählungen dazwischen dokumentieren die kontinuierliche Abnahme: 1956 waren es noch 384.708 Volksdeutsche, 1977 nur noch 359.109, 2002 etwa 60.000. Dr. Klaus Fabritius, Vorsitzender des DFDR-Regionalforums Altreich, ergänzt, dass es bereits vor der im Buch behandelten Zeitspanne massive Auswanderungen gegeben hat: z. B. 1940, als ca. 240.000 Deutsche aus der Bukowina, der Dobrudscha und Bessarabien mit der Aktion „Heim ins Reich“ umgesiedelt wurden. Dennoch kann von einem Verschwinden der deutschen Gemeinschaft nicht die Rede sein, wie auch aus dem Publikum vielfach kritisiert wurde, sodass Verleger Bogdan Hrib (Tritonic) zugeben musste: Es handelt sich um einen „Verkaufstitel“, der das Thema interessant machen soll. Auch Bischofsvikar Daniel Zikeli korrigiert: Die Gemeinschaft existiert weiter, wenn auch in anderer Form. Ihre Kirchen und Schulen haben überlebt.

Letztere erfreuen sich auch in der rumänischen Mehrheitsbevölkerung zunehmender Beliebtheit. Selbst die evangelische Kirche in Rumänien verzeichnet wieder Zuwachs, seit es ein Abkommen mit der deutschen Kirche gibt, die doppelte Mitgliedschaft zulässt. 2015 sind etwa 1000 ethnische Deutsche nach Siebenbürgen und in den Schoß ihrer alten Kirche zurückgekehrt. Noch im März soll das Buch auf dem rumänischen Stand der Leipziger Buchmesse vorgestellt werden, im Herbst voraussichtlich auch in Frankfurt. Auch eine Übersetzung ins Deutsche ist angedacht, verrät Bogdan Hrib. „Ich schrieb dieses Buch als Zeichen meines Respekts vor dieser Gemeinschaft“, bekennt die Autorin. Den weitgehenden Verlust der Deutschen bezeichnet sie als „irreparablen Schaden für Rumänien“, zumal einige Werte und das Zivilisationsmodell heute hier fehlen, so Gheorghiu. Gewidmet ist das Werk ihrem Kollegen Helge Dirk Fleischer, ehemaliger Unterstaatssekretär im Departement für Interethnische Beziehungen der rumänischen Regierung (DRI) und mit 33 Jahren 2011 viel zu früh verstorben. Auch er sah sein Wirkungsfeld in Rumänien und gehört zu jenen, die hier bleiben wollten – in einer stark geschrumpften, transformierten, doch keines-wegs verschwundenen Gemeinschaft.

Laura Gheorghiu: „Comunitatea dispăruta. Germanii din România între anii 1945-1967“, Academic Books, Tritonic-Verlag, 2015