Versus Witz und Wissen

„Das Recht auf den Schutz persönlicher Daten ist ein absolutes Recht“, erklärte die Sprecherin des Europarats, Margaritis Schinas, als offizielle rumänische Stellen die journalistische Investigativplattform Rise Project zwingen wollten, den „Übergeber“ des Koffers voller brisanter Dokumente zu nennen, die den PSD-Chef und Präsidenten der Abgeordnetenkammer in arge juristische und argumentative Verlegenheit bringen. „Art.85 der EU-Datenschutzverordnung sagt klar, dass der Datenschutz in der Balance stehen muss mit der Rede- und Informationsfreiheit. Jede gegenteilige Nutzung des Gesetzestextes stellt eine Willkürmaßnahme und einen Missbrauch des Gesetzesartikels dar. Aus diesem Grund ist es von höchster Bedeutung, dass die rumänischen Behörden diese Verpflichtung in ihre Nationale Gesetzgebung aufnehmen, dass sie Ausnahmen, speziell zum Schutz der journalistischen Quellen, definieren, die von der Nationalen Behörde für Datenschutz zu beachten sind, (...), und dass auf diese Weise die Rede- und Meinungsfreiheit und die Informationsfreiheit respektiert werden. Die diesbezügliche EU-Gesetzgebung kann nicht als Hintertürchen für einen willkürlichen Umgang mit diesen Rechten benutzt werden, indem versucht wird, die Journalisten zu zwingen, Dinge zu tun, zu denen sie das Recht haben, sie nicht zu tun.“ Genauer gesagt: ihre Quellen preiszugeben.

Dass Rumänien kurz vor der Erstübernahme der EU-Präsidentschaft einen solchen Rüffel – widerspruchsvoll, aber ohne Gegenargument – einstecken muss, das geht aufs Konto dessen, was Präsident Johannis „unvorbereitet auf die Präsidentschaftsübernahme“ nannte. Und gehört zu den „glorreichen Heldentaten“ einer Regierung(skoalition), die ihre Demokratie- und EU-Reife zum europäischen Diskussionsgegenstand machte. Es ist die Kontroverse zwischen Bukarester balkanischem Verständnis zu Beugungsmöglichkeiten der „Demokratie“ und abendländischen Konzepten über Volksherrschaft. Dass jetzt auch die Pressefreiheit auf der Liste der Unsicherheitsfaktoren Rumäniens steht, in Straßburg wie in Brüssel, setzt der Diskussion eine weitere Krone auf. Rumänien hat im Bereich demokratischer Freiheiten seit den Wahlen vom Dezember 2016 so viele Rückschritte gemacht, dass nicht mal mehr das leninsche Bonmot von „einem Schritt vor, zwei zurück“ anzuwenden ist. Seit wir in der teleormanartigen Sumpfrepublik leben, ist die Zahl der Rückschritte Legion. Wer unter den rumänischen Politikern jedwelcher Couleur heute von westeuropäischen Gesellschaftsvorbildern grummelt, der lügt.

Die Investigativplattform Rise Project ist zum zweiten Mal im Schraubstock der schmierigen Hand des rumänischen Staates. Erst schnappte der Fiskus zu. Es ging, wie bei #rezist, um Geldquellen. Entdecken konnte der Fiskus nichts. Regierungstreue Medien publizierten tendenziös ausgewählte Details aus dem Untersuchungsbericht (?). Parallel filzte man Hotnews. Times New Roman (die Satireseite TNR) wurde mit Strafgeld belegt, Personen aus Daddy Dragneas Umfeld strengten Prozesse an. Schikanen vom Primitivsten. Dann kamen NGOs dran und einzelne auffällige Bürgeraktivisten.

Beim Schikanieren fällt auf, dass staatliche Institutionen plötzlich ihren Dauerschlaf unterbrechen und oft Aufklärung über Dinge fordern, mit denen sie nichts oder nur tangential etwas zu tun haben. Offensichtlich steckt Regie dahinter, Rollenspieltechnik. TNR sollte kirregemacht werden, Satire ist Gift. Lächerlich – wenn´s nicht ums größere Ganze ginge.

Sicher: Enthüllungen, Satire schaffen Frustrationen. Bei denen, die, weil beschränkt, von ihrer Vollkommenheit felsenfest überzeugt sind. Versus Witz und Wissen Rechtsanwälte auffahren zu lassen, ist Widersinn. Doch mit repressiven Maßnahmen können Nachahmer abgeschreckt werden. Ob das das Ziel ist?

„Erst kamen sie und nahmen die Journalisten“, steht irgendwo im Internet. „Weiter wissen wir nichts mehr.“