Vom Leben mit einem (fast) Vierjährigen

Wenn Geduld zur wichtigsten Eigenschaft einer Mutter wird

Egal, wie kalt es draußen ist: Bewegung an der frischen Luft muss sein.
Fotos: die Verfasserin

Ordnung in der Wohnung? Das war einmal!

„Mama, ich muss mal...“, ruft die kleine Stimme, nachdem wir uns beide fürs Hinausgehen angezogen haben, um in den Kindergarten zu gehen. Es herrschen Minustemperaturen draußen, Stiefel, Jacke, Langarmhemd und Pullover sind schon längst an, lediglich die Kappe fehlt noch, um, wintergerecht gekleidet, die Wohnung verlassen zu können. Ich atme tief ein und noch einmal, genauso tief, aus. „Okay“. Mama hat Geduld bis zum Geht-Nicht-Mehr. Das in Zwiebelschalen-Technik angezogene Kind wird wieder ausgezogen und ab aufs Töpfchen. Schnell, schnell, denn in einer halben Stunde werden die Kindergartentore verschlossen, und dann müssen wir klingeln und uns für die Verspätung entschuldigen. Schon wieder. Nein, das haben wir heute nicht unbedingt nötig.

Mit einem Kleinkind zu leben ist überhaupt nicht leicht. Es gibt Spielfilme, in denen Kinder nur schlafen, essen und spielen. Doch das bleibt im Bereich „Fantasie“, denn Kleinkinder haben auch andere Bedürfnisse. Früh aufstehen ist eine Regel, die nicht nur an Arbeitstagen, sondern auch am Wochenende gilt. Ist es schon acht Uhr? Oh, wie himmlisch! Um acht Uhr aufstehen heißt, in Muttersprache, lange geschlafen zu haben. Das Aufwachritual beginnt mit dem Aufs-Töpfchen-Gehen. Egal, wie dringend man selbst auf die Toilette möchte – die Kleinsten haben allerhöchste Priorität (man will doch nicht, dass die Pyjamahose nass wird). Danach ist Frühstück angesagt. Soll es Müsli oder Kakao sein? Nein, vielleicht doch lieber ein Sandwich! „Oh, hast du mir kein Müsli gemacht? Ich will keinen warmen Kakao!“ „Kind, iss was!“, würde man am liebsten den anspruchsvollen Kleinen anschreien, aber man enthält sich. Die Nerven sind schon etwas angespannt, aber es gibt noch Potenzial für mehr. „Trink zumindest ein bisschen Kakao, Schatz“, schlägt man dem Kleinkind vor, das sich völlig konzentriert die Zeichentrickserie „Alwin und die Chipmunks“ anschaut. Man würde gerne selbst ein bisschen herumsitzen und fernsehen, doch das ist nicht möglich. Nicht so früh am Morgen, nicht mit einem fast Vierjährigen, der in den Kindergarten gebracht werden muss. Man freut sich über die paar Schlückchen Kaffee, die man zu sich nimmt, während man den Imbiss für den Kindergarten vorbereitet und die Wasserflasche füllt.

Unterwegs zum Kindergarten ist es, wie immer, lustig. Theoretisch liegt der Kindergarten in einer Entfernung von einem etwa 20-minütigen Fußweg - Kinderfuß natürlich. Praktisch jedoch ist kurz nach acht Uhr morgens keine Mutter so verrückt, ein schläfriges Kleinkind zu Fuß in den Kindergarten zu bringen - oder, noch schlimmer, zu schleppen! Das geht nämlich auch. Im Umkleideraum angekommen, beginnen schon die Fragen: „Holt mich Omama ab? Wann kommt sie? Sind beide Erzieherinnen da? Ich will, dass heute Frau Karo da ist!“ Als Mutter darf man keineswegs die falsche Antwort geben. „Natürlich holt sie dich ab! Sie ist schon längst unterwegs!“ Das Kind anlügen ist nicht schön. Man weiß es, aber man hat keine andere Wahl. Es gibt auch Notlügen und das ist eine von ihnen. Notlügen gehören zum Mutterleben einfach dazu. Schnell noch zwei Tränen abwischen und ab in die Gruppe!

Solange das Kind im Kindergarten ist, hat man frei. FREI! Man kann tun und lassen, was man will, aber man geht natürlich zur Arbeit. Doch auch Arbeit fühlt sich manchmal wie Urlaub an, wenn man mit einem Kleinkind lebt. Schläft das Kind im Kindergarten, hat man sogar noch mehr Freizeit.

Auf jeden Fall gilt es nachmittags, wenn der Sprössling abgeholt wird, etwas Zeit an der frischen Luft zu verbringen. Wie frisch die Luft in der Stadt ist, ist fraglich, aber wie dem auch sei: Kinder müssen sich bewegen und solange wie möglich draußen bleiben, unabhängig vom Wetter. Nicht umsonst sagt man so schön: Es gibt kein schlechtes Wetter, sondern nur unpassende Kleidung! Man führt den Dreikäsehoch in den Park, damit er sich dort austoben kann. Eine Tätigkeit, die Müttern meist Spaß macht – schließlich treffen sie dort auf Gleichgesinnte und können sich über dies und jenes austauschen. Nein, kein „dies und jenes“, es sind exklusiv Themen rund ums Kleinkind. Ab wann aufs Töpfchen? Wie verzichten Kinder auf Windeln? Wie lange stillen? Welches Essen ist gesund? Welche Impfreaktionen hattet ihr? Müttern gehen diese Gesprächsthemen so gut wie nie aus.

Dann kommt der schicksalshafte Augenblick, in dem man dem Kind erklären muss, dass es an der Zeit ist, nach Hause zu gehen. „Neeein! Ich will nicht nach Hause!“, schreit es, dass der ganze Park zu uns rüber schaut. „Kein Problem, Leute, ich habe alles unter Kontrolle“, sagt die Mutter, verzweifelt bemüht, ihre innere Ruhe zu bewahren. „Ich verstehe dich, Schatz, du bist traurig, weil du nicht nach Hause willst. Aber es wird Abend und wir müssen noch zu Abend essen, bevor du badest“, versucht sie, den Knirps zu beruhigen. Nichts scheint zu funktionieren, er schreit immer noch. Dann sammelt die Mutter all ihre Kräfte zusammen und nimmt das weinende Kind auf den Arm. Es wehrt sich natürlich, aber Mütter haben Superkräfte – dagegen haben Kleinkinder kaum eine Chance. Außerhalb des Parks angekommen, sieht es eine Katze und das Weinen hört so plötzlich, wie es begonnen hat, wieder auf. Kleinkinder können spontan vom Weinen zum Lachen wechseln, als ob nichts gewesen wäre.

Zu Hause angekommen, werden erst mal die Hände gewaschen. „Mein Hemd ist nass“, nörgelt das Kind und will ein anderes. Es ist zwar nur ein Tropfen Wasser darauf gelandet, doch das ist schon tragisch genug für einen (fast) Vierjährigen. Ein trockenes Hemdchen muss her. Kein Problem, wir haben genug davon. Gegessen wird mit viel Appetit, schließlich macht das Herumtoben im Park tatsächlich Hunger. „Mama, das Hemd ist schmutzig“, beklagt sich der Kleine wieder und will erneut ein frisches. Geht klar, wir haben noch ein sauberes Hemd, das kannst du wieder mit Tomatensoße bekleckern und dann holen wir das nächste und das nächste, bis wir alle Hemden aus dem Schrank benutzt haben.

Beim abendlichen Baden geht der Spaß so richtig los. Das ganze Badezimmer wird mit Wasser vollgespritzt, doch Hauptsache, das Kind ist glücklich. Es taucht unter Wasser, es schießt mit der Wasserpistole, es wirft die Entchen und Fischchen aus der Wanne, es lacht vor Vergnügen. Und dann... dann kommt wieder so ein Augenblick, den man am liebsten überspringen würde, doch das ist leider nicht möglich. Das mit Shampoo eingeschäumte Haar muss ausgespült werden. Oh, der Horror! Der Knirps beginnt wieder zu schreien, als ob man ihn foltern würde, dabei dauert es nur eine Minute, bis die Haare ausgespült sind. „Geschafft!“, freut sich die erschöpfte Mutter. „Wer kommt jetzt schnell raus?“ fragt sie. Natürlich nicht das Kind! Nur mit Mühe und Not kann man den Kleinen überzeugen, die schäumende Badewanne zu verlassen. Zähne putzen und ab ins Bett! Geschichten erzählen steht auch im Programm, doch eine Geschichte reicht lange nicht aus. Es müssen schon zwei-drei sein, bis Mamas Augen vor Müdigkeit zufallen. Und dann, wenn alle Lichter ausgegangen sind, wenn man schon fast eingeschlafen ist, wenn die ganze Stadt wahrscheinlich längst schon schläft, dann kommt´s wieder: „Mama, ich muss mal...“ Geduld will auch gelernt sein.

 

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Webseiten und Blogs übers Mutter-Dasein


Kristina Kuzmic hat mit ihrem Facebook-Kanal über zwei Millionen Follower gewonnen. Auf ihrer Webseite beschreibt sie in englischer Sprache und auf witzige Art und Weise die verschiedenen Etappen der Kindererziehung. Ihre Videos, in denen sie über das Mutter-Dasein erzählt, sind meist sehr selbstironisch. „Parenting-Komödie vom Feinsten“,lobt The Huffington Post. Auch People Magazine, Cosmopolitan, US Weekly, Yahoo und viele andere Zeitschriften und Internetportale haben Artikel über Kristina Kuzmics Projekt veröffentlicht. Kristina hat drei Kinder und lebt mit ihrem Mann im Süden Kaliforniens. Den Blog von Kristina Kuzmic finden Sie unter www.kristinakuzmic.com

Mamiblock.de, der Mami-Blog, bietet Eltern zahlreiche Tricks und Tipps rund um Kindererziehung, (selbst gebasteltes) Kinderspielzeug und Ernährung.  Ideen, wie man ein Kind beschäftigen, ein Haus kindersicher gestalten kann oder Rezepte, die für Kleinkinder attraktiv sind: das alles findet man auf www.mamiblock.de in deutscher Sprache.

Ioana Chicet-Macoveiciuc oder Prințesa Urbană erzählt von ihrer eigenen Erfahrung als Mutter zweier Kinder. Die rumänische Bloggerin und Buchautorin wendet sanfte Erziehungsprinzipien an und hat zu diesem Zweck auch die Facebook-Gruppe Educație cu blândețe (deutsch: Sanfte Erziehung) ins Leben gerufen. Über ihre Erfahrung als zweifache Mutter lesen Sie unter www.printesaurbana.ro