Vom Nichtstun der Guten

Der Abgeordnete der jüdischen Minderheit, der 31-jährige Silviu Vexler, nahm in einer kurzen, geschickt konzentrierten Protestnote im Haus der Volksvertreter gegen jüngste Manifestationen des Rechtsextremismus und des Antisemitismus in Rumänien Stellung. Rumänien gilt unter Forschern als „Land ohne offiziellen Antisemitismus“ (Michael Shafir), was es angeblich von anderen ex-kommunistischen Staaten unterscheiden soll. Rumänien ist aber auch das Land, wo die Offiziellen sich kein Bein ausreißen, um Antisemitismus und Rechtsextremismus zu ahnden.

Geschweige denn einzugrenzen. Was da gebetsmühlenartig öffentlich beteuert wird bezüglich Bekämpfung von Rechtsextremismus und Antisemitismus – vom öffentlich manifestierten Hass auf die Rumäniendeutschen und ihre Organisationen, seit Johannis Präsident ist, ganz zu schweigen – das ist exakt so viel Wert, wie die Aussagen von Premierministerin Vasilica Dăncilă vor dem EU-Parlament in Brüssel: nichts.

Ein Land, wo es so weit kommen kann, dass eine Keksfabrik (RoStar Bukarest) mit einem Hitlerporträt („Adolf“) wirbt, das erst verschwindet, als die Bukarester Zentralpresse Empörung zeigt (auf den rechtsextremen Internet-Seiten ist es weiter zu sehen, mit der Empfehlung, Kekse von dieser Firma zu kaufen), auch das sprach Vexler an. Wie auch die Grabschändungen auf dem jüdischen Friedhof von Huși, wo Dutzende Gräber demoliert wurden – wieder mit der Versicherung seitens der Autoritäten, dass, nach Abschluss der polizeilichen Untersuchungen, behördlicherseits der Friedhof und die Gräber in Ordnung gebracht werden…

Grundsätzlich gilt das Motto, das sich das Zentrum zur Beobachtung und Bekämpfung des Antisemitismus (rumänisches Kürzel: MCA) auf die Fahnen geschrieben hat: „Alles, was nötig ist, damit das Böse triumphiert, ist, dass die Guten nichts tun.“ Geführt wird MCA von dem 1959 in Bukarest geborenen Gründungsdirektor, Maximilian Marco Katz, gleichzeitig Vizepräsident der Zionistischen Vereinigung in Rumänien, der durch seine Motorrad-Langstreckenreisen „Ride4Solidarity with Israel“ bekannt wurde, die er gemeinsam mit dem amerikanischen Pastor Gary Burd aus Amarillo/Texas veranstaltet.

M. M. Katz wurde jüngst von einem professionellen Bukarester Polit-Rüpel, Vizebürgermeister Aurelian Bădulescu (PSD; nach dem 10. August 2018 erklärte er öffentlich, er habe die Staatsanwälte über Details der Demo-Unterdrückung durch die Gendarmerie belogen) in einer Art abgefertigt, die antisemitisch ist. Es ging um die Aufhebung einer Entscheidung des Stadtrats Bukarest von 2016, als ein zentral gelegenes historisches Gebäude für das Museum des Holocaust und der Geschichte des rumänischen Judentums bestimmt wurde, was die Zionistische Bewegung damals als „grandiose and well located“ einstufte. 2019 meinte der Nachfolgestadtrat, die Immobilie läge „zu zentral“, sei „zu gut gelegen“. Im Namen der jüdischen Gemeinschaft schrieb M. M. Katz an den Stadtrat, dass diese Entscheidung nur als „fehlendes Interesse“ an einer jüdischen Gedenkstätte zu verstehen sei, wonach Vizebürgermeister Bădulescu ihn zurechtwies, in seinem eigenen Land nach dem Rechten zu sehen, er, Bădulescu, wisse seine Toten hierzulande gebührend zu ehren… Für Maximilian Marco Katz eine typische antisemitische Reaktion. Katz ist 1959 in Bukarest geboren, 1977 nach Israel ausgewandert und nach 1990 nach Rumänien zurückgekehrt. Der Mann ist Besitzer beider Staatsbürgerschaften.

„Der Schlaf der Vernunft gebiert Monster/ El sueńo de la razón produce monstrous“ betitelte Goya eine seiner erschütternden Grafiken. Ana Blandiana nuancierte Goya jüngst in einem Vortrag in Temeswar: „Der Schlaf des Gedächtnisses gebiert Ungeheuer“. Verweigert sich Bukarest seinem jüdischen Gedächtnis? Seinem ethnischen Vermächtnis? Der Vernunft?
Auch das „Aussitzen“ der Guten gebiert Monster. Unter aller Augen.