Von ignoranten und aggressiven Autofahrern

Fahrradfahrer schweben auch in Hermannstadt streckenweise in Gefahr

Symbolgrafik: pixabay.com

Das Auto ist dem Rumänen nicht heilig, sonst würde er dieses pflegen und nicht als rollendes Ersatzteillager über die Schlaglochpisten des Landes jagen. Doch vom Ausreizen der Höchstgeschwindigkeit eines klapprigen Dacia 1300, der kaum eine Pferdekutsche überholen kann, lässt sich kein Spitzenplatz in der europäischen Rangliste der Verkehrstoten einnehmen. Dazu ist es schon notwendig, dass der verkannte Rennfahrer im deutschen Gebrauchtwagen, beim Telefongespräch mit Mircea, noch schnell zwei Lastwagen vor der nächsten nicht einsehbaren Kurve überholt. Autofahren ist Volkssport, wer keines hat, der wird schon einmal schief angeguckt. Wie soll man denn ohne eigenes Fahrzeug nur die Kinder zur Schule bringen, die Einkäufe erledigen oder Feuerwehrzufahrten sowie Radwege zuparken. Rumänien ist eine autofahrende Nation, und zwar eine sehr ignorante.

Natürlich sieht es lustig aus, wie Petre oder Raluca mit dem Mobiltelefon zwischen Schulter und Ohr versuchen auszuparken. Schalten und Lenken mit der linken Hand, das hat Unterhaltungscharakter. Ich muss zugeben, es amüsiert mich, diesem unfreiwillig komischen Spektakel beizuwohnen. Allerdings nur so lange, wie ich unbeteiligter Beobachter bin. Als Fahrradfahrer muss man schließlich stets darauf gefasst sein, dass einer von beiden unachtsam und ohne Schulterblick aus der Parklücke fährt.

Zur Unachtsamkeit der Autofahrer und ihrer Ignoranz gegenüber Radfahrern gesellt sich in Hermannstadt zusätzlich die verkehrsgestalterische Unfähigkeit der Behörden. Nach dem Motto: „Das Gegenteil von gut ist gut gemeint“, haben die Verkehrsplaner auf den Hauptstraßen am Straßenrand, dort wo sich der Dreck sammelt und bei Regen die Pfützen stehen, gestrichelte Linien gezogen und den „abgetrennten“ Bereich den Fahrradfahrern zugeschlagen. Dass dieses Konzept hochgefährlich ist, scheint in den Amtsstuben niemanden zu stören – vielleicht sollen die Bürger aber auch dazu gezwungen werden, auf den Drahtesel zu verzichten, Hermannstadt ist schließlich nicht Kopenhagen! In einigen Straßen ist der Streifen so eng, dass der Radfahrer zwischen Bordsteinkante und Fahrzeug regelrecht eingeklemmt wird, anderswo ist stets mit einer unachtsam geöffneten Fahrertür zu rechnen. Busfahrer wiederum nutzen den Radfahrstreifen gerne auch für das eigene Gefährt, aber um die besondere Plage der innerstädtischen Busfahrer soll es hier nicht gehen.

Als wären diese beiden in Hermannstadt angewandten Praktiken, die Menschen vom Radfahren abzuhalten, nicht schon genug, hat man sich in der Verkehrskommission eine weitere Schikane einfallen lassen: den radfahrunfreundlichen Kreisverkehr. Möchte man nicht gleich die erste Ausfahrt nehmen, wird eine Runde durch diesen zur Mutprobe. Hat man es also geschafft, sich unter den verachtenden Blicken der Autofahrer durch Handzeichen und mehrmaligen Schulterblick einen Weg auf die Fahrbahn zu ebnen, ist man mit unachtsamen Rechtsabbiegern sowie Fahrern konfrontiert, die meinen, dass sie mit ihren kaum verkehrstüchtigen Fahrzeugen, aber mit Mobiltelefon am Ohr, es noch schaffen, vor dem Radfahrer in den Kreisverkehr einzubiegen. Ist dies nicht mehr möglich, dann lässt es sich immer noch weit genug vorrollen, um selbigen zum Anhalten zu nötigen. Die gerechte Strafe für Menschen, die sich erdreisten, mit dem Fahrrad am Stadtverkehr teilzunehmen!

Ein besonders ignoranter Autofahrer begegnete mir selbst vor Kurzem auf dem Heimweg vom ADZ-Büro am Großen Ring, welcher über den Corneliu-Coposu- sowie den Vasile-Milea-Boulevard führt. Zu überwinden habe ich dabei zwei Kreisverkehre, am Ramada- und am Ibis-Hotel. An ersterem versuche ich mich, aufgrund der Fußgängerampel am Radu-Stanca-Theater, schon frühzeitig auf der Spur der Autofahrer einzuordnen, um nicht von unachtsamen Rechtsabbiegern erfasst zu werden. Am zweiten Kreisverkehr sind viele Schulterblicke notwendig. Auf der rechten Spur biegen die Fahrer häufig, ohne abzubremsen oder auf Radfahrer zu achten, in die Junger-Wald-Straße/Calea Dumbrăvii ein. Bei der Ausfahrt aus dem Kreisverkehr in den Vasile-Milea-Boulevard wird die äußere Spur häufig von Fahrern blockiert, die letztlich doch nicht schnell genug im Umgang mit Kupplung und Gaspedal sind, wie sie selbst dachten.

Durch das langsamere Anfahren von Autos gegenüber Fahrrädern sowie dem notwendigen Anhalten vor dem Kreisverkehr am Ramada-Hotel, ist ein flüssiges Mitrollen auf der Fahrbahn vor dem Radu-Stanca-Theater gegeben. Der eingangs angesprochene Autofahrer meinte jedoch, sich während einer Rotphase, von der linken Spur kommend, neben mich zu drängeln. Ich klopfe also an sein Fenster, signalisiere mein Unverständnis und rolle noch einige Zentimeter vor, um ihm nicht die Möglichkeit zu geben, neben mir zu halten. Ungern möchte ich beim Anfahren oder seinem vermeintlichen Abbiegen – Blinker werden schließlich grundsätzlich erst nach selbigem gesetzt – von ihm erfasst werden. Doch mit meiner Reaktion ist die Büchse der Pandora geöffnet. Ich werde nun, die Ampel zeigt noch rot, durch Anfahren seinerseits von der Fahrbahn gedrängt, muss absteigen und meinen Platz räumen. Ich klopfe abermals an seine Scheibe und fordere den fluchenden und offensichtlich radfahrerhassenden Mann zum Aussteigen auf. Auch ich stehe mittlerweile schimpfend am Fahrbahnrand. In der nächsten Sekunde schaltet die Ampel auf Grün, der Fahrer hat es tatsächlich unter der Androhung, mich ins Krankenhaus zu befördern, auf meine Spur geschafft und gibt Gas. Ich bleibe zurück und rege mich den gesamten Weg nach Hause über dieses asoziale Verhalten auf. Dass dabei, wie so häufig, ein Fahrer, der nur eben Zigaretten holen will, den Fahrradstreifen blockiert, nehme ich dieses Mal nur halb war. Diese Streifen scheinen von der Verkehrskommission schließlich sowieso als Parkplätze gedacht zu sein.