Von Jugendlichen und ihren Liebesbeziehungen

„In a Relationship“: Eine Präventionskampagne gegen (spätere) häusliche Gewalt

Zwischen Oktober 2016 und Januar 2017 haben mehr als 1400 Jugendliche aus dem ganzen Land an der Umfrage teilgenommen. Die Daten aus der Studie sind nicht repräsentativ auf nationaler Ebene oder für alle Gymnasiasten.

Was bringt eine Liebesbeziehung im Jugendalter zum Aufblühen und was kann diese vernichten? Unter Gewalt versteht man physische, emotionale, psychologische, sexuelle Misshandlungen sowie Misshandlungen online. Zeichnung bei Street Delivery

Die Hauptbegünstigten des Projektes sind die Jugendlichen, die die Herausforderung bekommen haben, ihre Beziehungen unter die Lupe zu nehmen und an ihre Taten zu denken. Die Nebenbegünstigten sind Lehrer und Eltern, die vielleicht einen besseren Kommunikationsweg zu den Jugendlichen finden können. Auf dem Foto: Zeichnungen der Jugendlichen bei Street Delivery Bukarest

Die Illustrationen wurden von Jugendlichen gemacht.
Fotos: Radu Moldoveanu

Wir suchen Forscher, die einen Monat lang die Beziehungen der Jugendlichen unter die Lupe nehmen: Diese Anzeige hat Diana Moţoc (19) in Bistritz gesehen. „Ich wusste, dass es ein Projekt ist, das dich herausfordern will, und das Thema interessierte mich, deshalb habe ich mich entschieden, daran teilzunehmen“, sagt sie. Außerdem hat ihr auch das Bewerbungsformular gefallen: So musste sie tiefer über Sachen nachdenken, denen sie früher keine Aufmerksamkeit geschenkt hat. Insgesamt 1500 Gymnasiasten haben zwischen Oktober 2016 und Januar 2017 über ihre Beziehungen gesprochen: „In a Relationship“ (dt. „In einer Beziehung“) ist ein Projekt, das zur Kampagne des Respekts gehört, eine von einem US-amerikanischen Unternehmen ins Leben gerufene soziale Initiative gegen häusliche Gewalt. Die erste Auflage des Projektes wurde in Zusammenarbeit  mit der Stiftung Friends for Friends durchgeführt. Der Schwerpunkt von „In a Relationship“ liegt auf einem heiklen Thema im Leben der Gymnasiasten –  die ersten Liebesbeziehungen.

Das Ziel des Projektes ist es, die Aufmerksamkeit auf eventuelle Misshandlungen bei einem Paar zu richten und Gewalt vorzubeugen. Der Ausgangpunkt war  „Warum gibt es Gewalt im Gymnasium?“ In einer Fokusgruppe wurden sowohl innere, als auch äußere Ursachen identifiziert, zum Beispiel unrealistische Erwartungen, die Angst, allein zu bleiben, oder finanzielle Schwierigkeiten, emotionaler Missbrauch und Manipulation. Nicht gefehlt haben die gesellschaftlichen Ursachen, wie der Mangel an weiblichen Vorbildern oder patriarchalische Werte, die von Generation zu Generation übermittelt wurden. Damit das Projekt relevant für Jugendliche ist, wurde es in Zusammenarbeit mit ihnen durchgeführt – von der Methode, bis hin zur Grafik und Kommunikation. Das Ziel des Projektes war es, Gymnasiasten in allen Phasen einzusetzen. Um eine informelle Umfrage durchzuführen, an der möglichst viele Jugendliche in Rumänien teilnehmen, wurde ein Wettbewerb für zehn Stellen als „Forscher“ gestartet. Sich bewerben konnten alle Jugendlichen in Rumänien zwischen 16 und 19 Jahren. Aus 270 Bewerbungen wurden 10 ausgewählt. Die zehn Personen haben die Informationen gesammelt. Darunter auch Diana Moţoc.

Mit Jugendlichen über ihre Beziehungen sprechen

Im Laufe der Zeit wurde Mo]oc mit verschiedenen Schwierigkeiten konfrontiert: Am Anfang dachte sie, dass nichts klappen wird, da Bistritz an solche Projekte nicht gewöhnt ist. Sie fürchtete, dass sie keine Menschen für ihre Umfragen und Interviews finden würde. Sie musste 25 Jungs finden, die die Online-Umfrage ausfüllen. „Während Teenagermädchen die Umfrage aus eigener Initiative ausfüllen wollten, musste ich Jungs auch fünf mal darum bitten und sie hatten allerlei Ausreden parat“, so Moţoc. Nachdem das Projekt beendet worden war, und Moţoc verschiedene Geschichten von den anderen gehört hatte, konnte sie schon eine Änderung spüren: „Tatsächlich habe ich nicht viele Fälle von physischer Gewalt gefunden, aber jene, die ich entdeckt habe, haben dazu geführt, dass ich Sachen ernster nehme“. Moţoc erinnert sich an ein Teenagermädchen, das in einem Café geweint hat, als sie über ihre Beziehung sprach. „Da es ein Projekt war, um das ich mich einigermaßen allein gekümmert habe, habe ich alles anders wahrgenommen“.  Diana Moţoc hofft, dass Jugendliche künftig ihre Liebesbeziehungen als Stütze betrachten können -  als etwas, was ihnen hilft, sich auszudrücken, sich selbst zu entdecken, etwas, worüber sie frei sprechen können, ohne die Reaktion der anderen zu fürchten. „Ich hoffe, dass sich die Prozentsätze unserer Studie zum Besseren ändern, dass Jugendliche anfangen, sich selber und die Privatsphäre des Partners zu respektieren, dass sie einander helfen, sich zu entwickeln, und dass sie ihnen selbst vertrauen, ohne Vorurteile zu haben“.

„Die erste Ohrfeige ist niemals die letzte“

Karin Budrugeac, Projektleiterin bei der Stiftung Friends for Friends, erklärt, warum eine Initiative wie „In a Relationship“ hierzulande nötig ist. Sie erwähnt eine Studie der Europäischen Agentur für Grundrechte aus dem Jahr 2014. Laut dieser Studie wurde eine von vier Frauen in Rumänien wenigstens einmal in ihrem Leben physisch oder sexuell von ihrem Partner misshandelt. „Das ist nicht überraschend, wenn man eine andere Studie vom letzten Jahr betrachtet – 55 Prozent aller Rumänen denken, dass Geschlechtsverkehr ohne die Zustimmung der Frau manchmal berechtigt ist“, meint Budrugeac.  Warum wurde das Projekt in Lyzeen durchgeführt? „Wir haben angenommen, dass die erste Ohrfeige niemals die letzte ist. Die Grundidee des Projektes ist, dass ein Eingriff im Alter der ersten Beziehungen der später Gewalt in der Familie vorbeugen kann, da sie eng miteinander verbunden sind. Die Studie, die wir mit den Jugendlichen gemacht haben, hat das bestätigt“, sagt Budrugeac.

Die heutigen Jugendlichen sind die morgigen Erwachsenen

Die Projektleiterin erklärt anschließend einige Ergebnisse anderer Studien: 44 Prozent der Rumänen denken, dass man sich in die Familie eines anderen nicht einmischen soll, sogar wenn man sieht, dass es körperliche Gewalt gibt. Was mithilfe des Projektes „In a Relationship“ entdeckt wurde, ist, dass zwei von drei Jugendlichen sagen, dass sie körperliche und/oder verbale Gewalt bei einem Paar in ihrem Alter miterlebt haben. Dabei haben eines von zwei Teenagermädchen und drei von fünf Jungs nicht eingegriffen, denn sie glauben, dass jedes Problem im Paar gelöst werden soll und der Konflikt nicht ihr Problem sei. „Diese Einstellung soll geändert werden, und wir haben mehrere Chancen, das zu ändern, wenn wir dieses Problem besprechen, wenn Leute in einem Alter sind, in dem sie noch lernbereit sind“, sagt Budrugeac. Die erste Ausgabe des Projektes ist gerade zu Ende gegangen. Ihr Ziel war es, Probleme zu identifizieren. Jugendliche aus 80 Städten in Rumänien, zwischen 16 und 19 Jahre alt, haben die Umfragen beantwortet. Aus der Rückmeldung haben die Initiatoren erfahren, dass es für die Jugendlichen das erste Mal war, dass jemand über ihre Beziehungen nachgefragt hat. Es war auch das erste Mal, dass sie über ihre Beziehungen tiefer nachgedacht haben. „Wir haben von ihnen erfahren, dass die Gewalt weiter verbreitet ist, als man das glauben würde, da es um mehr als physische und emotionale Misshandlung geht, die ziemlich oft in den ersten Beziehungen vorkommt“, meint Budrugeac.

„In a Relationship“ hat unlängst an Street Delivery Bukarest mit einer Ausstellung teilgenommen. Gezeigt wurden Zeichnungen, die von Jugendlichen zum Thema „Beziehungen“ gemacht wurden. Zur Schau gestellt wurden diese auch in Bacau, Baia Mare, Jassy/Iaşi und Temeswar/ Timişoara. „Gewalt in Beziehungen ist ein generationsübergreifendes Problem in einer Gesellschaft, die ziemlich patriarchalisch ist. Die heutigen Jugendlichen sind die morgigen Erwachsenen. Wir müssen mit ihnen sprechen, ihnen zuhören, und dafür sorgen, dass sie gesünder, emotional stabiler und respektvoller gegenüber sich selbst und den anderen sind, als andere, die sie vielleicht in ihren Familien miterlebt haben“, so Budrugeac.

 

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Eingeschätzt wird, dass eine von fünf Frauen hierzulande mit häuslicher Gewalt konfrontiert wird. Alle 30 Sekunden wird eine Frau zum Opfer einer Misshandlung. Die reale Anzahl der Opfer bleibt aber unbekannt. Die Schande, die Tradition, die Entmutigung in der Familie und der Mangel an Möglichkeiten sind nur ein paar der Gründe, weshalb es einer Frau schwerfällt, den gewalttätigen Partner zu verlassen. Oft hört man einen Grund – „Ich bleibe für die Kinder“ – und so entsteht der Teufelskreis. Die Kinder wachsen auf und werden dem gleichen Schema folgen.

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„Jetzt kann ich sagen, dass ich verstehe, dass auch Manipulation eine Gewaltform ist. Das blinde Vertrauen in einen Menschen, der dich verletzt – nicht unbedingt physisch, sondern auch seelisch – kann viele Frustrationen verursachen, die manchmal zu Vertrauensproblemen, Geringschätzung und Depression führen können. Ich sehe Gewalt nicht als etwas sehr Aggressives, das selten vorkommt, sondern als etwas viel Subtileres, Intimes, aber Breiteres und Ernsthafteres“ (Lena, 17, Galaţi)

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„Ein einziges Mal wurde ich von einer Partnerin geohrfeigt. Meine Reaktion war sehr nüchtern, ich bin kein gewalttätiger Mensch. Ich habe ihr einfach vier Fragen gestellt: Warum hast du das gemacht? Fühlst du dich besser jetzt? Hätte ich dich geohrfeigt, wie hättest du reagiert? Tut es dir leid? Ich hatte die Ohrfeige erteilt bekommen, sie hatte ein tiefes Schuldgefühl“ ([tefan, 18, Năsăud)