Von Rumänien nach Europa

Wer unterstützt die rumänischen Anti-Korruptions-Kämpfer in der nächsten Schlacht?

In der vergangenen Woche haben zunächst das Oberhaus und schließlich auch das Unterhaus die Eilverordnung Nr. 14 angenommen. Die umstrittenen Änderungen des Strafgesetzbuchs und der Strafprozessordnung aus Eilverordnung Nr. 13 sind damit vom Tisch – vorerst. Die Schlacht ist gewonnen, der Krieg noch nicht. Denn die Regierungsparteien haben die Geschütze für das nächste Gefecht bereits aufgefahren. Doch wer unterstützt die Anti-Korruptions-Kämpfer in der nächsten Schlacht?

In Paris und anderen französischen Städten sind am dritten Februar-Wochenende mehrere hundert Menschen auf die Straße gegangen, um ihrerseits gegen Korruption unter den heimischen Politikern zu demonstrieren. Inspiriert haben die Demonstranten die wochenlangen Straßenproteste hierzulande. Die Korruptionswahrnehmung ist in Frankreich höher, im Vergleich zu anderen west-europäischen Staaten. Immer wieder stehen politische Führungspersönlichkeiten des Landes unter Korruptionsverdacht. Derzeit sieht sich der konservative Präsidentschaftskandidat François Fillon Vorwürfen der Scheinbeschäftigung seiner Frau Penelope ausgesetzt. Der rechtsradikalen Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen wird vorgeworfen, ihren Leibwächter und eine Assistentin illegal aus EU-Geldern bezahlt zu haben. In zwei Monaten wählt das Land einen neuen Präsidenten. Bereits vor Gericht muss sich Ex-Staatschef Nicolas Sarkozy verantworten, wegen illegaler Wahlkampffinanzierung. Sein Vorgänger Jacques Chirac wurde 2011 zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. In seiner Zeit als Pariser Bürgermeister hatte er ein System von Scheinarbeitsstellen aufgebaut. Geschäfte unter Freunden auszumachen und öffentliche Projekte unter der Hand zu vergeben, ist ein bekanntes Problem in dem zentralistisch organisierten Land. Die politische Klasse kennt sich von den wenigen Eliteuniversitäten.

Doch nicht nur in Frankreich hatte es die Menschen auf die Straße gezogen. In Tirana haben tausende Menschen den Rücktritt von Ministerpräsident Edi Rama und vorgezogene Wahlen gefordert. Die Demokratische Partei um Lulzim Basha wirft der Regierung vor Armut und Korruption zu verstärken. Organisiertes Verbrechen und Politik gehen in Albanien oft Hand in Hand. Korrupte Politiker schützen raffgierige Richter und diese sorgen dafür, dass die Politiker für ihre korrupten Geschäfte nicht zur Rechenschaft gezogen werden. „Mangelnde Rechtssicherheit, Defizite in der Infrastruktur, Korruption und organisiertes Verbrechen sind ein Hemmschuh für die weitere wirtschaftliche Entwicklung,“ konstatiert das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Als EU-Beitrittskandidat verabschiedete Albanien erst im vergangenen Jahr eine vom EU-Parlament verlangte Justizreform, um verstärkt gegen Korruption und organisierte Kriminalität vorzugehen. Doch der EU-Fortschrittsbericht von 2016 zeigt, dass die Umsetzung der Aufnahme-Prioritäten, dazu gehören auch eine Reform der öffentlichen Verwaltung und eine Wahlrechtsreform, nur schleppend verläuft.

Die albanischen und französischen Demonstranten haben explizit auf die Proteste in Rumänien mit eigenen Kundgebungen reagiert. In Sofia gab es Anfang Februar eine Solidaritätsdemonstration für den Anti-Korruptions-Kampf in Rumänien und auch in Serbien, Montenegro und Bosnien-Herzegowina haben die zivilgesellschaftlichen Akteure die Proteste wahrgenommen. Nebojsa Medojevic, einer der führenden Oppositionspolitiker in Montenegro sagte, die Rumänen hätten ein größeres Niveau der politischen Kultur und des Willens die öffentlichen Interessen zu vertreten gezeigt, als die montenegrinischen Bürger. Auch in Montenegro haben Korruption und organisierte Kriminalität alle Bereiche der Gesellschaft infiziert. Dem mehrfachen Ministerpräsident Milo Djukanovic wurden immer wieder Zigarettenschmuggel und Kontakte zur Mafia vorgeworfen. Ex-Präsident Svetozar Marovic wurde im vergangenen Jahr wegen Korruption in mehreren Fällen zu drei Jahren und zehn Monaten Gefängnis verurteilt. Für die rumänischen Demonstranten kann es nur gut sein, dass sie internationale Verbündete finden. Die erste Schlacht hat die Bevölkerung zwar gewonnen, doch die Geschütze für die zweite Runde hat die Regierung schon aufgefahren, das zeigten die Diskussionen im Senat um die Rücknahme der Eilverordnung. Paul St˛nescu sprach gar davon, dass der zurückgenommene Eilerlass in spätestens drei Monaten Gesetz wird. - Und warum auch nicht. - Die Sozialdemokratische Partei und die Allianz der Demokraten und Liberalen haben nur zwei Missionen: in Gefahr geratene Parteimitglieder schützen und die Uhr der Korruptionsbekämpfung zurückdrehen.

Die Beispiele aus Ungarn und Polen haben gezeigt, wie frisch gewählte Regierungen in kürzester Zeit mit Eilverordnungen den Staat umbauen können. Doch anders als in Budapest und Warschau hat die heimische Regierungskoalition bei diesem Staatsumbau keine ideologischen Ambitionen. Es geht nicht um eine starke nationale Identität oder eine konservative Gesellschaft, auch wenn mit dem geplanten Referendum zur traditionellen Familie ein Strohfeuer gelegt wurde. Im Wahlkampf 2014 hieß es noch, dass ein richtiger Präsident rumänisch und orthodox sei. Im Dezember hat die Sozialdemokratische Partei eine Tatarin nominiert, eine Muslima, eine Frau! Getan wird, was der eigenen Agenda nützt und zu verlieren haben die „Sozialdemokraten“ wenig. Ihre Stammwählerschaft bekommt die Partei stets mobilisiert. Auch 2014 hat Victor Ponta die Präsidentschaftswahl nicht verloren, Klaus Johannis hat sie gewonnen. Ponta erreichte 5,264 Millionen Stimmen, Traian B˛sescu wurde 2009 mit 5,277 Millionen Stimmen zum Präsidenten gewählt. Und selbst wenn die Partei 2019 und 2020 die Wahlen verliert, trotz Bahn-Freifahrten und Steuererlassen, ein weißes Führungszeugnis für die Parteikader wäre ein historischer Sieg.

Unter diesen Vorzeichen kann man sich nur einen europäischen Anti-Korruptions-Frühling wünschen. Demonstrationen von Bukarest bis Paris. Laut Transparency International hat ein Viertel der befragten Litauer im vergangenen Jahr einer Behörde Schmiergeld gezahlt, in Ungarn ein Fünftel. In Spanien ist die Partido Popular von Ministerpräsident Mariano Rajoy in zahlreiche Korruptionsskandale verwickelt. Auch in Slowenien, Lettland, Italien, der Tschechischen Republik und im Kosovo sind die Menschen unzufrieden. Zwei Drittel der Befragten in diesen Ländern gaben an, dass die eigene Regierung nicht gut gegen Korruption vorgehe. Bestechungen schädigen die Wirtschaft in der Europäischen Union pro Jahr mit 120 Milliarden Euro. Das ging 2014 aus einem Korruptionsbericht der Europäischen Kommission hervor. „Korruption untergräbt das Vertrauen der Bürger in demokratische Institutionen und Rechtsstaatlichkeit, sie schädigt die europäische Wirtschaft und entzieht Staaten dringend benötigte Steuereinnahmen“, sagte die damalige EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström. In Frankreich sind die Menschen am Sonntag abermals auf die Straße gegangen. Die Demonstranten forderten u.a. François und Penelope Fillon dazu auf, die rund 1,5 Millionen Euro aus der 20-jährigen Scheinbeschäftigung an den französischen Staat zurückzuzahlen.