Von wegen sozialdemokratisch!

PSD-Chef Liviu Dragnea Archivfoto: Agerpres

Sollte noch ein Nachweis nötig gewesen sein, die Volksbefragung vom kommenden Sonntag zeigt unwiderlegbar: die Sozialdemokratische Partei Rumäniens (PSD) hat es nicht geschafft, sozialdemokratisch zu werden. Sie änderte im Laufe der Jahre mehrmals ihren Namen, gab aber immer vor, „sozial-demokratisch“ zu sein.

Sie hat weder ihre Erbsünde erkannt, noch bereut, noch gesühnt – die Nachfolgepartei der RKP zu sein – und sie hat diese Sünde immer wieder manifest werden lassen: durch Willkür und Gewalttätigkeit (bis zum Einsatz brutaler Gewalt – wie von 1990 bis am 10. August l.J.), durch Unterdrückung eines innerparteilichen und gesellschaftlichen demokratischen Dialogs (wie bei den Tagungen des Nationalen Exekutivrats oder im Parlament, zunehmend auch angesichts von Massenbewegungen und -demos), ein scharfes Abdriften ins Nationalistisch-Extreme, mit chauvinistischen Zügen (siehe die Äußerungen von PSD-Spitzenleuten gegenüber dem Deutschen Forum und dem Präsidenten, die im Inland geäußerten exzessiven Souveränitätsansprüche im Verhältnis zur EU), durch militante Fremdenfeindlichkeit.

All das kommt in Krisenmomenten – der Partei oder des Staates – hoch und ist ein Charakteristikum dieser Partei, die sich in derlei Momenten durch nichts mehr von irgendeiner rechtsradikalen Partei unterscheidet. Zu Zeiten eines Iliescu oder Năstase als Parteichefs waren solche Tendenzen noch – mit Mühe – unterdrückt worden (weil man um die sozialdemokratische Fassade bemüht war), heute sind sie die Normalität des rumänischen politischen Lebens.

Kopf und Wortführer dieser Linie ist heute Parteichef Liviu Nicolae Dragnea, der seit 2009, als er unter Emil Boc Minister war, zu den Spitzenpolitikern des Landes gehört und sich bis zum mächtigsten Politiker Rumäniens hochgerobbt hat, indem er seinen damaligen Parteichef Mircea Geoană (PSD-Parteichef 2005-2009) einfach ausgebootet hat, ohne praktisch etwas anderes zu tun, als eine „Erfindung“ Präsident Băsescus, die einfache Mehrheit bei Kommunalwahlen, auf seine stärkere Partei umzumodeln und so zu einer mächtigen Massenbasis gelangte.

Er nutzte die Novellierung des Wahlgesetzes geschickt und eigennützig, als er ad interim Generalsekretär der PSD war. Die Gewichtung der Macht in der Partei glitt aufs Regionale und schon saß Dragnea an den Hebeln. Geoanăs Beseitigung kam von selbst. Die PSD wurde eine Konföderation lokaler Machtzentren, die zu beherrschen reichte, wenn die Schlüsselleute am Gängelband hingen. Das ist das heutige Gesicht der PSD und der Clou der Macht Dragneas in der Partei – und damit im neuen PSD-Staat.

Ideologie spielt in keiner Partei Rumäniens, ja ganz Osteuropas, eine Rolle. Manche Theoretiker sprechen von postideologischen Parteien. Auch postdemokratischen – damit tangieren sie sämtlich die Nähe von Viktor Orbáns Illiberalität. Memento: Als Sorin Frunzăverde während seines kurzen Mandats als EU-Parlamentarier die PD von Brüssel aus von einer sozial-demokratischen zu einer liberalen Partei machte, gab es keine einzige Gegenstimme in der Partei. Kein Parteigremium debattierte darüber. Und im Innern der EU-Gruppierungen? Fragte dort jemand nach Ideologie? Unseres Wissens nicht...

Genau das gleiche Desinteresse an einer klaren Ideologie besteht in der PSD, die zweckorientierte Schwenks macht, grundsätzlich aber weiterzieht, wohin sie die knöchernen Strukturen des RKP-Parteivermächtnisses drängen. Ihr Rückgrat: Vorrang für persönliches Wohlergehen der Parteispitzen, egal, welches der Preis ist. Verinnerlichung sozialdemokratischer Werte? Fehlanzeige! Ist es ein Zufall, dass die PSD, die seit 2001 so heißt, erst 2003 Mitglied der Sozialistischen Internationale wurde?
„Garant“ war damals die alte Sozialdemokratische Partei Sergiu Cunescus. Mit historischem Namen. Wurzeln. Ohne Basis.