Wann wird die Katze endlich müde?

Wie sich im Kampf um die Justiz das Böse hinter dem Guten versteckt

Hört man als Rumäne Tudorel Toader, hat man zunächst den Eindruck, eine Mischung aus Ion Creangă und Mihail Sadoveanu erzählt gerade den vor lauter Ehrfurcht verstummten Enkelkindern eine Geschichte aus wunderbaren Zeiten. Das am 23. August im Justizministerium vorgetragene Märchen läuft über knapp 50 Textfolien als Power-Point-Präsentation, auch Geschichtenerzähler passen sich den Zeiten an. Jedoch: Der allzu gewandte Jurist Tudorel Toader, früher Verfassungsrichter und Rektor der Universität in Jassy, ein namhafter Rechtsprofessor, aus dessen Lehrbüchern zu einem Sonderteil des rumänischen Strafrechts Abertausende Jurastudenten hierzulande gepaukt haben, hat mit den beiden moldauischen Schriftstellern nur wenig gemein, außer vielleicht den Tonfall. Vielmehr scheint er eine wichtige Rolle in dem schlechten Zeichentrickfilm zu bekleiden, die Rumäniens Regierung zurzeit vorführt und dessen Sujet das Justizwesen ist; besser gesagt, die Kontrolle über das Justizwesen. Ein Katz- und Maus-Spiel, nichts weiter, die Regierungskoalition spielt wieder einmal Tom und Jerry mit der Gesellschaft.

Justizminister Tudorel Toader hat also vorige Woche Reformpläne vorgestellt, die darauf abzielen, das rumänische Gerichtswesen unter die Kontrolle der Regierung zu bringen. Toaders Änderungsvorschläge sind relativ breit angelegt, sie betreffen zahlreiche Probleme der gegenwärtigen Justiz, die meisten organisatorischer Natur: die Erhöhung des Mindestdienstalters für die Beförderung des Personals, die Streichung verschiedener Privilegien, die Einführung der persönlichen Haftung der Richter im Falle von Rechtsfehlern, die Einschränkung der Mobilität der Richter und der Staatsanwälte, die zurzeit frei von einem Gericht an eine Staatsanwaltschaft und umgekehrt wechseln dürfen, die bessere Trennung der Kompetenzen innerhalb der Abteilungen für Richter und für Staatsanwälte im Oberen Magistraturrat und die Neuordnung dieses Gremiums, neue Verfahren für die Ernennung der Richter am Obersten Gerichtshof und der leitenden Staatsanwälte, an denen der Staatspräsident nicht mehr beteiligt werden soll, die Stärkung der Kontrolle des leitenden Staatsanwalts einer Staatsanwaltschaft über die ihm untergeordneten Staatsanwälte, die Gründung einer Sonderdirektion innerhalb der Generalstaatsanwaltschaft zur Untersuchung korrupter Richter und Staatsanwälte (d. h., dass die Kompetenz der Antikorruptionsbehörde DNA beschnitten wird, zurzeit ist diese zuständig für Ermittlungen gegen Richter und Staatsanwälte), die Neuordnung der Gerichtsinspektion als eine Art Abteilung des Justizministeriums (genau-so wie bis 2004), die Neuordnung der Prüfung für das Richteramt, so dass das Mindestalter von 30 Jahren und Erfahrung in einem juristischen Beruf von mindestens fünf Jahren zwingende Bedingungen für die Aufnahme am Nationalen Institut der Magistratur werden.

Diese sind die wichtigsten Änderungen, die Toader über Power Point vorgestellt hat. Natürlich forderten fast einstimmig die Europäische Kommission, Präsident Klaus Johannis, verschiedene Richterverbände sowie zahlreiche Nichtregierungsorganisationen, dass der Minister die genaue Gesetzesvorlage veröffentlicht. Er tat es nicht, zwei Tage nachdem er einen regelrechten Skandal ausgelöst hatte, teilte er lediglich mit, er werde die vielseitige Kritik prüfen lassen und die Endform seiner Vorschläge nur dann veröffentlichen, wenn er alle Standpunkte untersucht habe. Doch auf der dritten Folie seiner Power-Point-Präsentation steht, Beratungen zu den Änderungsvorschlägen hätten bereits 2016 stattgefunden; zwischen Januar und April 2017 habe er sich dann allein mit dem Obersten Magistraturrat beraten. Nun wolle Minister Toader alle Standpunkte kennenlernen. Aber die kannte er bereits im Vorhinein, er wusste ganz genau, welche Reaktionen es geben wird. Gerade deshalb mischen sich in seinen umfassenden Vorschlägen das Gute und das Böse auf perfide Art und Weise. Bliebe man bei der rumänischen Literaturgeschichte hängen, würden Toaders Auftritt und die Reaktionen seiner Strippenzieher, Liviu Dragnea und Călin Popescu Tăriceanu, an Caragiale erinnern. Wenn bloß nur diese einzige Parallele möglich wäre, müsste man sich eigentlich nicht allzu große Sorgen machen. Doch die von Toader vorgestellten Änderungsvorschläge erinnern schmerzhaft an die sogenannten Reformen, die der Vater der ungarischen Nation, Ministerpräsident Viktor Orbán, den magyarischen Richtern aufoktroyiert hat, sowie an die antidemokratischen Irrungen der polnischen Regierung unter Premierministerin Beata Szydlo und ihrem Ziehvater Jaroslaw Kaczynski. Zweifelsohne: Im Geiste ähneln Dragnea und Kumpanen ihren Amtskollegen in Budapest und Warschau mehr als sie es je zugeben würden.

Im Vergleich zu Orbán, Szydlo und Kaczynski aber gehen die Regierenden an der Dâmbovi]a anders vor, denn zum einen haben sie es wegen der außenpolitischen Schwäche des Landes deutlich schwerer, und zum anderen sind sie aus einem anderen Holz geschnitzt. Ihr politisches Blut ist anders gefärbt, balkanisch-orientalisch nämlich. Also ist ihre Taktik eine andere, eine des Feilschens, der zähen Verhandlungen hinter geschlossenen Türen, der kleinen Schritte, der Verführung und des Dauer-Lavierens. Deshalb müssen Toaders Vorschläge als Maximalforderungen betrachtet werden, die in den kommenden Wochen und Monaten verwässert werden: hie und da ein kleiner Kompromiss, hier eine Änderung, dort ein taktischer Rückzug. Will die Europäische Union dieses und jenes? Sie bekommt dieses, jenes vielleicht später. Sagt der amerikanische Botschafter, der Kampf gegen Korruption dürfe nicht beeinträchtigt werden? Sehr gut, dann wird der Präsident seine Rolle im Ernennungsverfahren der Chefermittler behalten. Bestehen Richterverbände auf das Recht der Richter, die Dienstwohnung auch nach ihrer Pensionierung zu behalten? Können sie haben, dafür wird aber dann die Gerichtsinspektion dem Justizministerium unterstellt. So oder ähnlich wird es hierzulande gehandhabt.

Das Katz- und Maus-Spiel geht in die zweite Runde. Die erste konnte die Gesellschaft Februar 2017 für sich entscheiden, nun hat die Katze ihre Strategie geändert. Und gerade deshalb enthält die geplante Lex Toader, an deren Vorlage die Rechtsstaatsexperten der Regierungskoalition weiter tüfteln, auch Gutes, auch Böses. Hinter dem Ersteren versteckt sich das rechtsstaatlich äußerst Fragliche, es versteckt sich das Ziel, die Justiz wenigstens teilweise unter die Kontrolle von Staat und Partei zu bringen, die Rückkehr zu den guten alten Zeiten also, als Adrian Năstase das Land fest im Griff hatte und an der Spitze des Justizministeriums die düstere Rodica Stănoiu mit der Waffe der Gerichtsinspektion herumhantieren durfte.
Es bleibt also zu hoffen, dass auch dieses Mal die Maus so clever ist, um nicht in die Falle des geschmeidigen Herrn Toader zu tappen, dass mehr als ein Jahrzehnt an Anstrengungen zur Stärkung des Rechtsstaats und zur Unabhängigkeit des Rechtswesens nicht mit einem einzigen Schlag zunichte gemacht werden. Unter der PSD-ALDE-Regierung müssen die Bürger also auf der Hut bleiben und ihre zivile Achtsamkeit unter Beweis stellen, zumindest solange, bis die Katze endlich müde wird.