„Was kann ich schon bewirken?“

Konkrete Ansätze, Gedanken und Vorschläge zum Thema Klimaschutz

Andrei Orban (Environ): Vier der fünf größten Bedrohungen der Menschheit haben mit Klimawandel zu tun.

Die Bukarester sind aufs Rad gekommen - Dank des Projektes von Green Revolution, das Raluca Fișer vorstellt.

Allein der Preis schreckt vom Kauf eines Elektroautos ab, zeigt Alexandru Serement (BMW Bavaria) mit dieser Statistik: In Norwegen wird es staatlich gefördert.
Fotos: die Verfasserin

Experten und Vordenker wiederholen immer wieder: Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Doch nur langsam dringt diese Botschaft ins Bewusstsein der Menschen vor. Gerne wird sie schöngeredet: Man wird schon eine Lösung finden in unserer hochtechnisierten Welt. Oder die Verantwortung abgedrückt: Ist nicht China der größte Verschmutzer? Nicht selten heißt es beim Stichwort Klimaschutz: „Was kann ich schon bewirken?“ Die Antwort lautet – viel!

Dass Klimaschutz von unten umgesetzt werden muss, hat schon die Konferenz „Ein Klimaschutz-Masterplan für Rumänien?“ am 22. März verdeutlicht (siehe ADZ, 4. April 2018: „Klimaschutz beginnt von unten!“): In Deutschland sind es Vorreiter-Kommunen, die im Rahmen des Masterplans 100 Prozent Klimaschutz erste Wege gehen. Ihr Ziel ist eine 95-prozentige Reduzierung der CO2-Emissionen und eine 50-prozentige Senkung des Energieverbrauchs bis 2050. Langfristig müssen Kohlenstoff-basierte Treibstoffe ersetzt werden, eine Umstellung auf erneuerbare Energien erfolgen, geschlossene Kreisläufe von Produktion und Recycling möglichst vor Ort geschehen, das Transportwesen neu überdacht werden. Eine Patentlösung für all dies „von oben“ zu finden, scheint ein Ding der Unmöglichkeit. Statt dessen zeigen einzelne Maßnahmen auf lokalem Niveau – Städte, Schulen, Interessengemeinschaften – gangbare Wege auf. Und vereinen Menschen, die derzeit vielleicht noch als Sonderlinge schief belächelt werden – den militanten Allwetter-Radfahrer, den Öko-Spinner, den Umweltaktivisten, der Müllsammelaktionen und Aufforstungen organisiert – zu einer immer sichtbareren Kraft. Vom Tropfen auf den heißen Stein zur kritischen Masse – so beginnt Umdenken.

Den eigenen CO2-Fußabdruck kennen

Neben Energiesparen ist Emissionsvermeidung ein Zauberwort im Klimaschutz. Wichtig also, den eigenen CO2-Fußabdruck zu kennen. Auf der Plattform uba.co2-rechner.de kann man ihn in wenigen Minuten ermitteln, angezeigt wird auch der Vergleich mit dem deutschen Durchschnitt. Einziger Kritikpunkt: Die Plattform ist zu sehr auf deutschen Lebensstandard zugeschnitten. Bei der Angabe der Temperatur im Wohnraum endet die Skala unten bei 18 Grad, und zur Frage, welches Auto man besitzt, fehlt die ergänzende, wie häufig man es überhaupt fährt und wie die Alternative für den täglichen Weg zur Arbeit aussieht. Fazit: Der Rechner vermittelt nur ein sehr ungefähres Bild. Wichtige Details – etwa Energiespar-Glühbirnen, Anzahl der Elektrogeräte und deren Nutzerverhalten sowie Müllproduktion – werden ebenfalls nicht abgefragt.

Als nächstes stellt sich die Frage, wie der CO2-Abdruck gesenkt werden kann. Ein Pilotprojekt in Berlin stellt 100 freiwillige Haushalte vor diese Herausforderung. Sie sollen ihren Kohlenstoff-Fußabdruck innerhalb eines Jahres um 40 Prozent verringern, erzählt Fritz Reusswig, Soziologe am Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK), der sich mit der Umsetzung von Klimaschutz befasst. Ein CO2-Tracker ermittelt wöchentlich das Profil der Teilnehmer. Projektpartner aus dem Unternehmenssektor bieten den Haushalten Produkte mit geringem CO2-Fußabdruck bezüglich Herstellung, Transport, Verpackung, Kühlkette, Verbrauch und Müllentsorgung an. Konsumverhalten und Wege werden analysiert. Der Fortschritt wird in einer Vorher-Nachher-Grafik mit bunten Luftballons festgehalten, die bei fast allen Teilnehmern steigen. In dem Projekt wird auch die Bereitschaft für eine CO2-Steuer ausgelotet, verrät Reusswig. Außerdem werden Zusammenkünfte organisiert, die den Freiwilligen zeigen, dass es eine kritische Masse umweltbewusster Bürger gibt. „Denn viele stellen sich die Frage: Bin ich der einzige Depp, der etwas tut?“

Schüler wetteifern beim Energiesparen

Ein Projekt, das Schüler fürs Energiesparen sensibilisiert und ihnen konkrete Wege für bewusstes Nutzerverhalten aufzeigt, stellt Florian Kliche vom Unabhängigen Institut für Umweltfragen (UfU) vor. Es nennt sich Halbe/Halbe und wird in Kooperation mit der Hamburger Firma fifty/fifty concept durchgeführt. Letztere führt die Berechnungen der Einsparungen in den Schulen durch.

Als Motivation fürs Mitmachen werden 50 Prozent der Einsparungen den Schülern für Klassenfahrten, Projektwochen, etc. zur Verfügung gestellt. „Schulen sind in den Gemeinden eine der größten CO2-Schleudern“, motiviert Kliche die Idee. „Meist ist es zu warm, es wird zu viel gelüftet...“ Hamburg begann das Projekt mit einer Schule, mittlerweile gilt es als Vorbild, läuft in fast jeder Stadt und wird vom BMU gefördert. Schüler, Lehrer und Hausmeister werden in Teams zusammengefasst, erhalten Messgeräte und Instruktionen. Auf Energie-Rundgängen durch das Gebäude wird ihr Blick für Energiefallen sensibilisiert: Licht ausschalten, unbenutzte Elektrogeräte vom Netz trennen, Stoßlüften und mäßiges Heizen können bereits 4-15 Prozent Energie einsparen.

In Rumänien wird das Projekt (www.fifty-fifty.org.ro) in Kooperation mit der NGO Environ durchgeführt, die sich der Förderung geschlossener Wirtschaftskreisläufe und der Erziehung zum Klima- und Umweltschutz widmet. Der Leiter, Andrei Orban, zitiert den Global Risks Report des Weltwirtschaftsforums in Davos (2015): Nach Massenvernichtungswaffen auf Platz 1 rangieren unter den fünf größten Bedrohungen der Menschheit in den nächsten 10 Jahren Extremwetter, Naturkatastrophen, Versagen bei der Anpassung an klimabedingte Migrationsbewegungen und Wasserknappheit. Mit Unterstützung der Deutschen Botschaft Bukarest und UfU führt Environ weitere erzieherische Projekte durch: „Reduziere deinen Kohlenstoff-Fußabdruck“ (www.sosclima.ro), impliziert auch eine Facebook-Gemeinschaft von 12.000 Usern.

Wie man Städter aufs Rad bekommt

Wie man eine städtische Radler-Gemeinschaft schafft, erzählt Raluca Fișer von der NGO Green Revolution. Das Resultat – der automatisierte Bike-Sharing Fahrradverleih i’velo – ist heute aus Bukarest nicht mehr wegzudenken. Das Projekt begann mit Gratis-Radverleih-Aktionen, unterstützt von der Raiffeisen Bank und Kaufland, um überhaupt Interesse zu schaffen. Mit 100 Rädern wurde 2009 in der Hauptstadt begonnen, 2011 waren es 500 in vier Städten. Dann war die Zeit reif für eine kostenpflichtige Bike-Sharing Plattform. „Warum ist Radfahren so wichtig?“ fragt Fișer und macht darauf aufmerksam, dass satte 90 Prozent der CO2-Emissionen der Hauptstadt auf den motorisierten Verkehr zurückgehen. „Hinzu kommt, dass über 50 Prozent der Bevölkerung übergewichtig sind.“ Als sie vor 10 Jahren mit diesen Argumenten im Rathaus vorsprach, mit der Forderung nach einem Radwegnetz, hieß es lapidar, es sei keine interessierte Zielgruppe vorhanden. Diese hat Green Revolution mittlerweile geschaffen. Die jüngste Gratis-Gutscheinaktion zum Kauf eines Fahrrads, Tretrollers oder Ninebots zeigt, dass im Rathaus längst ein Umdenken stattgefunden hat. Auf der Webseite www.greenrevolution.ro gratuliert Oberbürgermeisterin Gabriela Firea der NGO für die Initiative: „Ich unterstütze sowohl institutionell als auch persönlich Projekte, die uns dazu erziehen, ökologisch und sportlich zu sein und für unsere Stadt Sorge zu tragen.“

„Wir brauchen eine nationale Strategie für den Ausbau des Radverkehrs“, plädiert Fișer und verweist auch auf das Programm Rabla plus, dessen Vouchers auf den Kauf von elektrischen Fahrrädern und Rollern ausgeweitet werden sollen.

Das Auto abschaffen – oder was?

„Den längsten Stau von 100 Kilometern gab es 2010 in Peking. Hundert Stunden im Jahr verbringen wir im Schnitt mit Parkplatzsuche. 95 Prozent der Zeit steht das eigene Auto ungenutzt herum.“ Mit diesen drei Aussagen will uns, scheint es, Alexandru Serement (BMW Romania) das Autofahren vermiesen. Oder doch nicht? Bukarest ist seit 2017 die verstauteste Stadt Europas. Doch Elektroautos können sich viele nicht leisten, auch fehlt dafür die Infrastruktur. Alternativen sind der öffentliche Nahverkehr oder Car-Sharing.

Tatsächlich gibt es keine alleinstehende Musterlösung, meint Serement und plädiert für eine harmonische Kombination. Zum einen müsste die Attraktivität von Elektroautos gezielt gefördert werden, etwa durch Steuernachlässe, Spezial-Fahrspuren, Parkplätze in der Innenstadt und Ladestationen. Andererseits zeigte eine Studie von BMW 2010 in Berlin, dass 50 Prozent aller Elektroauto-Besitzer ihr Fahrzeug ohnehin nur zuhause aufladen. Teure Schnelllade-Stationen seien daher nur außerhalb der Städte gefordert, in den Städten könnte man auf mittelschnelle an Malls, auf Supermarkt-Parkplätzen oder an anderen Orten, wo man sich ohnehin 1-2 Stunden aufhält, zurückgreifen. Car-Sharing könnte auf vorbestimmten Routen, etwa vom Bahnhof in die Innenstadt, den Verkehr langfristig stark reduzieren und die Parkplatzknappheit mindern, denn das Auto ist ständig in Bewegung. Eine Handy-App zeigt an, wo ein freies zur Verfügung steht, man steigt ein, fährt ans Ziel und lässt es für den nächsten Kunden stehen – eine Art automatisierter Autoverleih, die Leihgebühr ist vergleichbar mit einem Taxi. Derzeit gibt es in Bukarest zwei und in Klausenburg/Cluj-Napoca einen Car-Sharing Service von BMW, überrascht Serement. „Der Stau macht diese Variante derzeit noch etwas unattraktiv“, bekennt er zwar, „doch 38 Prozent jener, die Car-Sharing nutzen, haben bereits auf ein eigenes Auto verzichtet.“