Wenn vom Bürgergeist nur noch wenig übriggeblieben ist...

Über Temeswarer Provinzpossen und andere selbstverschuldete Kleinigkeiten

An der Umgestaltung des Freiheitsplatzes in der Temeswarer Innenstadt scheiden sich seit 2013 die Gemüter. Nun hat der ehemalige Bürgermeister Ciuhandu seinem Nachfolger die mangelnde Qualität der Sanierungsarbeiten vorgeworfen. Sein Vorgänger hätte ein solches Projekt nie praktisch umsetzen können, erwiderte Nicolae Robu.
Foto: Zoltán Pázmány

Der Jahresanfang scheint für Temeswar/Timişoara kein besonders guter gewesen zu sein, die Zeichen für eine erfolgreiche Wende in der Kommunalpolitik und für eine Wiederkehr zur dringend notwendigen Vernunft stehen, zumindest für den Augenblick, denkbar schlecht. Denn die Stadt verliert zusehends an Attraktivität und sorgt immer wieder mit der Skurrilität ihrer Verwaltung und den Provinzpossen ihres Kulturbetriebs für negative Schlagzeilen. Viele hegen inzwischen berechtigte Zweifel an der Fähigkeit der Stadt und ihrer Bürger, sich neu zu erfinden. Zumindest im Hinblick auf das Kulturhauptstadtjahr 2021 und auf die immer stärker werdende Konkurrenz durch Großstädte wie Klausenburg/Cluj oder das zuletzt in ein positives Licht gerückte Großwardein/Oradea. In zahlreichen Rankings, die auf Facebook und in Bukarester Medien veröffentlicht werden, hinkt die Banater Metropole immer ein bisschen hinterher. In Klausenburg gibt es die angesagtesten Festivals, in Großwardein hat man eine bessere Tourismusstrategie entwickelt, in Kronstadt sind die Bürger zufriedener. Sicher, so manche Statistik ist äußerst fragwürdig, man muss nicht alles glauben, was in den sozialen Medien verbreitet wird. Aber kann man da nicht einen gewissen Trend bemerken? Sollte man nicht doch genauer hinschauen, wenn sich Unkenrufe häufen?

Für Temeswar begann die Riege der schlechten Nachrichten Ende Januar, als einige Intellektuelle und Kulturschaffende den Bürgermeister aufforderten, sich mit der Problematik des Kulturhauptstadt-Vereins etwas stärker auseinanderzusetzen und nach dem Rechten zu sehen. Es soll große Probleme in der Führung des Vereins und in der Vorbereitung des Programms für die kommenden Jahre geben. Der alsbald in aller Öffentlichkeit ausgetragene Kampf zwischen dem Lager um die Vereinsleiterin Simona Neumann und ihrem Adlatus Chris Torch einerseits und der Gruppe um Marcel Tolcea und Vasile Popovici andererseits offenbarte nichts anderes als einen traurigen Jahrmarkt der Eitelkeit, einen Streit um Geld, Kungelei und, letztendlich, um die Deutungshoheit über ein Vorhaben, das der Stadt und der Region Vorteile bringen soll, jedoch bisher nur für Ärger gesorgt hat.

Die Finanzierung stimmt nicht und, so konnte man das zweifelsohne beobachten, auch die Personalauswahl nicht. Auf den Streit im Rathaus folgte dann der Rücktritt des Vereinsehrenvorsitzenden Ioan Holender, dem gebürtigen Temeswarer, der von Wien aus die Trommeln für seine Heimatstadt zu rühren wusste. Entnervt legte Holender sein Amt nieder und warf Vereinsleiterin Neumann und ihrem Ehemann, dem Direktor des Kunstmuseums, Victor Neumann, schlechtes Management und Geschäftemacherei vor. Währenddessen versuchte Robu die Dinge zu schlichten, schlug die Gründung neuer Räte und Ausschüsse vor, die die bereits existierenden Gremien kontrollieren und unterstützen sollen und das war´s. Man kann es nicht oft genug wiederholen: Wer Bürokratie mit noch mehr Bürokratie bekämpfen will, wird alsbald scheitern.

Jedenfalls hat der mediale Rummel um den Kulturhauptstadt-Verein auch die gravierenden Probleme des Banater Kunstmuseums dargelegt, allen voran der drohende Verlust der Corneliu-Baba-Sammlung, eine der wohl wichtigsten Kollektionen eines verhältnismäßig armen Museums. Dass die übergeordnete Behörde, nämlich der Temescher Kreisrat, eine umfangreiche Kontrolle veranlassen muss, ist einleuchtend. Wenn allein die Hälfte von dem stimmen würde, was im Internet inzwischen unter dem Deckmantel der Anonymität über die gegenwärtige Leitung des Kunstmuseums veröffentlicht wird, müsste der Direktor nicht nur seinen Hut nehmen, sondern auch sonst zur Rechenschaft gezogen werden.

Weitere schlechte Nachrichten kamen dann im Februar: Zunächst verzichtete die einheimische Billigfluglinie Blue Air auf die Flüge nach Klausenburg und Jassy/Iaşi, dann gab Ryanair bekannt, den im September 2016 eröffneten Standort Temeswar aufzugeben und demnächst alle Flüge von und nach Temeswar einzustellen. Dabei hatte die irische Airline Ziele wie Berlin und Düsseldorf (Weeze) angeboten, wer jetzt in die deutsche Hauptstadt fliegen will, ist auf die deutlich teurere Lufthansa und die Zwischenlandung in Frankfurt oder München angewiesen. Erklärungen für die Entscheidungen der beiden Billigflieger gibt es viele, für Blue Air sollen die Flughafengebühren zu hoch gewesen sein, Ryanair habe in ganz Europa Probleme und müsse das Streckennetz umbauen, zweitklassige Standorte wie Temeswar würden als erste geopfert. Eine Verschwörungstheorie lieferten Besserwisser gleich mit: Blue Air musste verschwinden, damit Tarom die Inlandsflüge übernimmt; Ryanair wurde nach Großwardein gelockt, die dortige Verwaltung sei einfach klüger. Der Rückzug der beiden Fluggesellschaften gleicht einer herben Niederlage für Temeswar. Wie dem auch sei, die Flughafenleitung wusste sich zu wehren. Nicht sie sei an der Misere schuld, sondern die Stadt und der Kreis, die Reiseveranstalter, die Hoteliers und die Gastronomen, die kein entsprechendes Angebot auf die Beine stellen können, um ausländische Touristen nach Temeswar und in das Banat zu holen. Keiner käme hierher, um den Flughafen zu besichtigen, sondern die Stadt. Mehr als gesetzlich vorgeschrieben, könne der Airport nicht unternehmen, sagte PSD-Mann und Flughafendirektor Dan Idolu.

Er hat, man muss es zugeben, einigermaßen recht. Gefragt sind in erster Linie die Kommunalbehörden und die Unternehmer. Doch die ersten streiten untereinander und bringen gemeinsam kaum etwas auf die Beine, das Beispiel der Mehrzweckhalle, die der Kreisratsvorsitzende C²lin Dobra (PSD) in Girok gegen den Willen von Bürgermeister Nicolae Robu (PNL) errichten möchte, spricht Bände. Genauso wie das bisher gescheiterte Vorhaben, in der Stadtkommandantur auf dem Freiheitsplatz ein Museum für die 1989er Revolution einzurichten und wie vieles andere. Und die Unternehmer? Temeswars Reiche und Superreiche kochen ihr eigenes Süppchen, sprechen kaum miteinander und bekriegen sich über ihre Strohleute im Rathaus, im Kreisrat, im Kulturhauptstadt-Verein und wo auch immer. Währenddessen lesen sich der Bürgermeister und sein Vorgänger gegenseitig die Leviten und die zu einem Schatten ihrer selbst gewordene Lokalpresse macht sich über Nicolae Robu lustig und bringt ihn zur Weißglut.

So sehr, dass sich dieser auf seine Lehrmeisterart dazu veranlasst sah, den Untergang des Temeswarer Bürgergeistes zu beklagen. Ein Großteil der Temeswarer würde nur noch meckern, Getanes kritisieren und Geplantes bezweifeln, viele Menschen hätten längst resigniert und würden sich über die Pläne der Stadtverwaltung nur noch mokieren. Und daran sei die Vorgängeradministration schuld. Im Endergebnis hat der Bürgermeister völlig recht, auch wenn Robus Stil nicht unbedingt zu goutieren ist. Aber wenn man sich seine Kritiker anschaut, wenn man sich die sogenannte Opposition im Stadtrat, den hölzernen PSD-Aktivisten im Kreisrat oder dessen Parteifreund im Flughafen sowie die Selbstherrlichkeit der intellektuellen Eliten der Stadt anschaut, wenn man auch die Wirrungen und Irrungen anonymer Wutbürger im Internet nachliest, kann man sich nur wünschen, dass dem Mann seine Unverwüstlichkeit nicht abhanden kommt. Und man wird ihm dann schon einiges nachsehen müssen.

Robu allein kann die Stadt nicht nachhaltig aufrütteln, das müsste inzwischen klar sein. Seine Persönlichkeit hilft ihm dazu nicht allzu viel, auch das muss man einsehen. Aber er ist nicht schuld an dem Charakter seiner Mitbürger – mehr als diesen ins Gewissen zu reden, kann er diesmal nicht. Und auch wenn er bis 2021 irgendwelche Straßen neu asphaltiert, eine Brücke baut oder ein denkmalgeschütztes Haus neu streichen lässt, wenn er eine Unterführung plant oder ein Schulgebäude saniert, für ein erfolgreiches Kulturhauptstadt-Jahr ist das zwar notwendig, aber längst nicht ausreichend. Sollte der pragmatische, mitunter egoistische, auf das eigene und nur auf das eigene Wohl ausgerichtete traditionelle Banater Geist das zivilgesellschaftliche Engagement und den bürgerlichen Geist des Gemeinwohls weiterhin überschatten und zurückdrängen, wird aus dem Kulturhauptstadt-Traum ein kleines Fiasko. Selbstgebastelt, selbstverschuldet.