Wer sich duckt, wird nicht geköpft

Das rumänische Sprichwort spiegelt eine weit verbreitete Haltung wieder, wenn es um politische Partizipation geht. Die Wahlbeteiligung 2008 lag bei nur 39 Prozent und war somit seit 1990 die niedrigste. Auch aktuell kurz vor den Präsidentschaftswahlen wird nur mäßig diskutiert und im Dialog vernehme ich häufig Resignation.
Beim Versuch, die politische Enthaltsamkeit zu erklären, wird man zuerst auf rumänische Geschichte stoßen.
Vor allem die Zeit unter Ceauşescus Regime prägte das rumänische Volk. Der Spitzel- und Unterdrückungsapparat Securitate sorgte dafür, oppositionelle Intellektuelle mundtot und die Bevölkerung gefügig zu machen. Die Zerschlagung des Kommunismus in Ländern wie Polen und Ungarn erfolgte ohne blutige Revolution. Die Zivilgesellschaft im Untergrund machte es möglich. In Rumänien gab es keine „Solidarnosc“. Nach dem Sturz des Diktators wurde das Vertrauen in die Politik durch Staatspräsident Iliescu beschädigt, nachdem dieser 1990 Proteste von oppositionellen Studenten, die mehr Demokratie forderten, mit Hilfe der gewaltbereiten Bergarbeiter blutig zerschlagen ließ. Das gleiche Spiel wiederholte sich 1991 gegen den Ministerpräsidenten Roman.

Dem allgemeinen Tenor zufolge, erscheint das einzige Ziel rumänischer Politiker bis heute das Wirtschaften in die eigene Tasche zu sein. Korruption bestimmt die politische Landschaft und Sündenböcke werden im Ausland sowie bei den Minderheiten gesucht. Die Wahl zwischen Pest oder Cholera ruft Frustration hervor. Auf dem Land kommt der Kampf ums Überleben erschwerend hinzu. Da ist die Motivation zur aktiven Beteiligung an Politik sehr gering. Der Anteil der Personen, die von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen sind, liegt in Rumänien bei 42 Prozent. Ein nicht unerheblicher Teil. 21 Prozent liegen sogar unter der Armutsgrenze. Das politische Engagement für eine Veränderung dieses Zustandes tendiert gen Null. Aber wo bleibt die Empörung darüber? In der Wochenzeitung „Observator Cultural“ beklagte auch die Poetin Doina Ioanid das Fehlen einer aktiven Zivilgesellschaft: „Zwanzig Jahre nach dem Sturz des Kommunismus haben die Rumänen vergessen, Stellung zu beziehen. Sie haben vergessen, dass Rechte und Verantwortung Hand in Hand gehen. Sie geben sich damit zufrieden, ohnmächtig und schläfrig dem verworrenen Handeln der Politiker zu folgen. Vielleicht ist es an der Zeit aufzuwachen.“

In der Tat ist es an der Zeit. Belegen doch akademische Studien, dass sich die meisten Probleme während des politischen und ökonomischen Wechsels besonders aufgrund der fehlenden Entwicklung einer Zivilgesellschaft ergeben. (Vgl. Wydra, „Democracy in Eastern Europe as Civilising Process“). Zudem können unabhängige Interessengruppen, eine freie Presse und öffentliche Initiativen helfen, Korruption durch Protest zu bekämpfen.
Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller schrieb schon, dass die Vergangenheit Rumäniens seine Gegenwart bestimmt. Um jedoch einer demokratischeren Zukunft entgegenzublicken, braucht es die Zivilgesellschaft und das Vertrauen darauf, dass aus dieser heraus auch etwas bewegt werden kann. Um es mit den Worten Abraham Lincolns zu sagen: „Wahlen sind Sache des Volkes. Die Entscheidung liegt in seine Hand.“