Wer wählt den Präsidenten im Banat?

Viel Gerede über Politiker, fast nichts über die Wähler

Die allgemein flaue Atmosphäre bei der kürzlichen Europawahl (hier ein Temeswarer Wahllokal) wird bei der kommenden Wahl, wo es um den Staatschef geht, hoffentlich etwas lebendiger.
Foto: Zoltán Pázmány

Die Wahlkampagne für die Präsidentschaftswahl, diesmal höchstwahrscheinlich im Doppelpack (erster Wahlgang am 2., zweiter am 16. November), hat bereits begonnen. Die Parteien haben sich darauf vorbereitet, 14 Politiker haben ihre Kandidatur angemeldet, laut der Ständigen Wahlbehörde ist auch das Wählervolk in allen Landeskreisen und Kommunen restlos gezählt. Es gibt aber schon einige Zeichen dafür, dass es höchst turbulent zugehen könnte. Etliches von dem, was anlässlich der vorherigen Parlaments-, Präsidentschafts- oder Europawahlen von fast allen Akteuren, ob aus der Opposition oder dem Regierungslager, als Verstoß, Gesetzwidrigkeit oder gar Wahlbetrug hingestellt wurde, wird wahrscheinlich auch diesmal auftauchen.
Viel böses Blut hat schon lange vor dem Start die von der Regierung erlassene Verordnung über den Parteienwechsel, von der Opposition als Überläufer-Erlass lautstark kritisiert, geschaffen. Die Antikorruptionsbehörde DNA wurde gar zu Strafermittlungen gegen die Urheber des Erlasses, Vizepremier und Verwaltungsminister, aufgerufen.

Trotzdem hat die Verordnung scheinbar die beabsichtigten Folgen: Landesweit wechselten Politiker der verschiedensten Parteien, vor allem amtierende Bürgermeister, die Fronten, die meisten wechselten in das Boot der Regierungskoalition PSD-PUNR-PC. So gingen im Landeskreis Temesch zehn Bürgermeister aus der Opposition (PNL, PDL, PPDD und PNŢCD) zu den Sozialdemokraten PSD über, darunter die Bürgermeister der Temescher Gemeinden Sackelhausen, Giseladorf, Lowrin, Alexanderhausen, Coşteiu, Blumenthal, Curtea und aus dem Städtchen Rekasch. Damit blieb die Partei PPDD ohne Bürgermeister im Kreis Temesch, der Bauernpartei, der einstigen Traditionspartei im Kreis, verblieb ein einziger Bürgermeister. Dieser Überläufer-Trend ist auch in den Kommunalräten und dem Kreisrat zu bemerken.

Eine weitere Regierungsverordnung wurde von den Oppositionsparteien ebenfalls sofort als anrüchig und zweideutig taxiert: Dass die Wähler ab nun nicht nur an ihrem festen Wohnsitz sondern in jedwelcher anderen Ortschaft des Landes zur Urne gehen können, würde vielerorts zu mehrfacher Wahl führen und eine offene Einladung zum Wahlbetrug sein. Mancherorts, in den Kommunen, wurden aber auch wieder die üblichen Fahrlässigkeiten der Beamten betreffend die Zählung der Personen mit Wahlrecht und die Aktualisierung der Wählerlisten verzeichnet: Die Inspektoren der Ständigen Wahlbehörde haben kürzlich mehreren Gemeindeverwaltungen aus den Kreisen Temesch und Arad Geldstrafen (1000 bis 2000 Lei) wegen solcher Vergehen verpasst. Das ist nichts Neues, denn die Beamten haben mal wieder vergessen, die Namen der Verstorbenen auszustreichen.

Die Schäfchen sind gezählt

Im Banat zumindest tut sich derzeit in Sachen Wahlkampf nicht gar so viel. Hier guckt man sich, wie überall im Lande, vorläufig abwartend die allabendlichen Talk-Shows im Fernsehen, mit den üblichen oder neuen Gerüchten und gegenseitigen Anschuldigungen an. Das, wenn nicht gerade ein Fußballmatch gezeigt wird oder gar „Soliman der Herrliche“ alles überschattet. Viel Gerede, und das nur in den Medien, gibt’s über die Politiker und leider, wie stets, fast nichts über die Wähler. Ganz andere und brennende alltägliche Sorgen plagen die Normalbürger: Wie die Haushaltskosten, die Steuern und Abgaben zu begleichen? Woher wiederum das viele Geld für die kommende sündig teure Winterheizung? Wie den kleinen Rest einzuteilen für Lebensmittel, neue Schuhe oder Winterkleidung für die Kinder, den Arzt, nicht zu vergessen die Schulden wegen des Sommerurlaubs?
Doch Wählen ist auch ein grundsätzliches demokratisches Recht, die wichtige Entscheidung für die Zukunft aller, wer der nächste Präsident Rumäniens sein wird, liegt in der Hand jedes Einzelnen.

Nach einer genauen Prüfung der Wählerlisten aus allen Ortschaften der drei Banater Landeskreise Temesch, Arad und Karasch-Severin hat die Ständige Wahlbehörde kürzlich auch die genaue Zahl der Wähler bekannt gegeben. Von den insgesamt 18.300.000 rumänischen Staatsbürgern mit Wahlrecht sind 617.612 aus dem Kreis Temesch, davon die Mehrzahl in der Kreishauptstadt Temeswar (287.207), in Lugosch (40.883), Großsanktnikolaus (11.951) und Hatzfeld (11.188). Platz V erreicht die Gemeinde Girok, die somit mit 7746 Wählern gar sechs Temescher Kreisstädte überflügelt. Im Kreis Arad haben 394.121 Bürger das Wahlrecht, davon nahezu die Hälfte (153.029) aus der Kreishauptstadt Arad. 277.955 Wahlberechtigte wurden im Kreis Karasch-Severin gezählt, davon sind 76.896 Wähler aus der Kreishauptstadt Reschitza und 25.908 aus der Stadt Karansebesch. Die jeweiligen Kommunalverwaltungen haben die gesetzliche Pflicht, die lokalen Wählerlisten bis zum 31. Oktober bzw. 14. November aufzustellen und drucken zu lassen. Interessant ist dabei – auch wegen des allgemeinen Bevölkerungsrückgangs im Lande und auch in allen Banater Landeskreisen – ein Vergleich mit den Ergebnissen der letzten Volkszählung von 2011: Die Bevölkerung Rumäniens betrug im Oktober 2011 nach Angaben des Nationalen Statistikamtes (vom Juli 2013) 19.043.767 Einwohner!? Man fragt sich nun, ob das auch stimmen kann. Man sieht es eigentlich mit bloßem Auge. Hat Rumänien denn wirklich derzeit nicht einmal 700.000 Einwohner ohne Wahlrecht, bzw. Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr?

Im Kreis Temesch wurden 650.544 Bewohner (2002 waren es 677.926) gezählt. Davon waren u. a. 567.139 Rumänen, 33.835 Ungarn, 8695 Roma und 7525 Deutsche. Im Kreis Arad wurden 430.629 Einwohner (2002 um 31.200 mehr) registriert. Davon waren u. a. 340.700 Rumänen, 26.600 Ungarn, 2900 Deutsche. Im Kreis Karasch-Severin betrug die Bevölkerung im Oktober 2011  295.579 Einwohner (2002 um 37.600 Personen mehr). Davon waren 243.930 Rumänen, weiter-hin 7270 Roma, 5090 Kroaten, 5040 Serben und 2890 Deutsche.
Man kann zu dieser Stunde wohl wenig über die gerade begonnene Wahlkampagne und die Wahlen voraussagen. Hoffentlich greift die anlässlich der Europawahl 2014 gezeigte allgemeine Politikmüdigkeit des Wählervolkes nicht auf die Präsidentschaftswahlen über. Erinnern wir uns daran: Landesweit gingen im Mai l. J. nur 32,16 Prozent der Wahlberechtigten zur Urne. Auch im Banat zeigte sich keine richtige Freude an der Sache: Im Kreis Temesch gaben nur 27,94 Prozent der Wähler ihre Stimme ab, im Kreis Arad 29,78 Prozent und im Kreis Karasch-Severin 33,17 Prozent.

Es geht diesmal jedoch um eine wichtige Entscheidung für die nächsten fünf Jahre, um das höchste Amt im Staat, dessen Träger mit den von der Verfassung gegebenen hohen Machtbefugnissen, wie es vor allem die letzten Amtsperioden vorgeführt haben, Rumäniens Politik, sämtliche Bereiche unserer Gesellschaft, aber auch das Schicksal jedes Einzelnen entscheidend beeinflussen kann.